piwik no script img

Entscheidung zu langjährigen HaftstrafenEs gibt einen Anspruch auf Ausgang

Auch Häftlinge mit langen Haftstrafen müssen „ausgeführt“ werden, um resozialisierungsfähig zu sein. Das entschied das Bundesverfassungsgericht.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Foto: dpa

Karlsruhe taz | Häftlinge mit langen Freiheitsstrafen haben grundsätzlich Anspruch auf „Ausführungen“, damit sie „lebenstüchtig“ bleiben. Daran erinnerte jetzt das Bundesverfassungsgericht in mehreren Fällen. Haftanstalten müssen es also in der Regel ermöglichen, dass Langzeitgefangene das Gefängnis gelegentlich unter Aufsicht von Vollzugsbeamten verlassen.

Den Karlsruher Richtern lagen mehrere Verfassungsbeschwerden von Strafgefangenen vor, die lange Haftstrafen verbüßen. Ihre Anträge auf Ausführung waren abgelehnt worden. Im Kern stellten die zuständigen Landgerichte in Bielefeld, Koblenz und Osnabrück jeweils darauf ab, dass es bei den Häftlingen noch keine Anzeichen für Vollzugsschäden gebe.

Das Bundesverfassungsgericht hob die Landgerichtsentscheidungen allesamt auf. Die Lebenstüchtigkeit von Gefangenen müsse generell erhalten werden, nicht erst, wenn es Anzeichen für ihren Verlust gebe. Dies folge aus dem Grundrecht auf Reso­zia­lisierung, das das Bundesverfassungsgericht bereits 1973 aus der Menschenwürde abgeleitet hat.

Diese Maßstäbe gelten auch bei Gefangenen mit Fluchtgefahr. Die Haftanstalt müsse dann eben genügend Vollzugsbeamte einsetzen, so die Verfassungsrichter. In begründeten Fällen könne eine Ausführung aber auch abgelehnt werden.

Wenn die Gefängnisse den richtigen Maßstab anwenden, räumt ihnen das Bundesverfassungsgericht einen „Beurteilungsspielraum“ ein. Es will dann nur noch die willkürliche Ablehnung von Ausführungen korrigieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare