Kommentar Recht auf Vergessenwerden: Auf Google kommt es an
Verurteilte Mörder haben keinen Anspruch, dass ihre Namen in digitalen Medienarchiven gelöscht werden müssen. Das ist gut so.
Wer anonym bleiben will, sollte das am besten mit Google regeln Foto: ap
Die Abwägung zwischen Pressefreiheit und Persönlichkeitsrechten ist eine der spannendsten Fragen im Medien- und Verfassungsrecht. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat sich nun scheinbar ganz auf die Seite der Medien geschlagen. Zwei verurteilte Mörder haben keinen Anspruch, dass ihre Namen in digitalen Medienarchiven aus alten Artikeln gelöscht werden müssen.
Dabei hat der EGMR die Debatte über diese Frage nicht für immer und nicht für ganz Europa geklärt. Denn er hat nur geprüft, ob die aktuelle Rechtslage in Deutschland mit den europäischen Menschenrechten vereinbar ist. Ein entsprechendes Urteil des deutschen Bundesgerichtshofs wurde nun akzeptiert und nicht beanstandet. Die Straßburger Richter sagten aber nicht, dass dies die einzige rechtlich vertretbare Lösung sei.
In Deutschland ist die rechtliche Diskussion auch noch nicht zu Ende. In einem anderen Fall („Apollonia-Mord“) will das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe noch in diesem Jahr eine eigene gründliche Prüfung vornehmen. So könnte es durchaus noch zu einem Anspruch auf Korrektur von Pressearchiven kommen.
Interessant ist am Straßburger Urteil vor allem der Hinweis auf die Möglichkeit, sich an Google und andere Suchmaschinenbetreiber zu wenden. Es wäre für die Resozialisierung von Straftätern ja schon viel gewonnen, wenn bei der Suche nach ihrem Namen keine Artikel über ihre einstigen Verbrechen mehr gefunden werden. Soweit es sich nicht um politisch relevante Taten handelt, bestehen auch gute Aussichten, dass die Suchmaschine Google solche Artikel auf Antrag nicht mehr auflistet.
Wenn die Google-Lösung angemessen funktioniert, muss nicht auch noch die Quelle, also der ursprüngliche Artikel, korrigiert werden. Die Information bliebe für vertiefte Recherchen zum Ereignis dann im jeweiligen Medienarchiv verfügbar. Unter dem Strich wäre das ein kluger Ausgleich zwischen Persönlichkeitsrechten und Pressefreiheit.
Kommentar Recht auf Vergessenwerden: Auf Google kommt es an
Verurteilte Mörder haben keinen Anspruch, dass ihre Namen in digitalen Medienarchiven gelöscht werden müssen. Das ist gut so.
Wer anonym bleiben will, sollte das am besten mit Google regeln Foto: ap
Die Abwägung zwischen Pressefreiheit und Persönlichkeitsrechten ist eine der spannendsten Fragen im Medien- und Verfassungsrecht. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat sich nun scheinbar ganz auf die Seite der Medien geschlagen. Zwei verurteilte Mörder haben keinen Anspruch, dass ihre Namen in digitalen Medienarchiven aus alten Artikeln gelöscht werden müssen.
Dabei hat der EGMR die Debatte über diese Frage nicht für immer und nicht für ganz Europa geklärt. Denn er hat nur geprüft, ob die aktuelle Rechtslage in Deutschland mit den europäischen Menschenrechten vereinbar ist. Ein entsprechendes Urteil des deutschen Bundesgerichtshofs wurde nun akzeptiert und nicht beanstandet. Die Straßburger Richter sagten aber nicht, dass dies die einzige rechtlich vertretbare Lösung sei.
In Deutschland ist die rechtliche Diskussion auch noch nicht zu Ende. In einem anderen Fall („Apollonia-Mord“) will das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe noch in diesem Jahr eine eigene gründliche Prüfung vornehmen. So könnte es durchaus noch zu einem Anspruch auf Korrektur von Pressearchiven kommen.
Interessant ist am Straßburger Urteil vor allem der Hinweis auf die Möglichkeit, sich an Google und andere Suchmaschinenbetreiber zu wenden. Es wäre für die Resozialisierung von Straftätern ja schon viel gewonnen, wenn bei der Suche nach ihrem Namen keine Artikel über ihre einstigen Verbrechen mehr gefunden werden. Soweit es sich nicht um politisch relevante Taten handelt, bestehen auch gute Aussichten, dass die Suchmaschine Google solche Artikel auf Antrag nicht mehr auflistet.
Wenn die Google-Lösung angemessen funktioniert, muss nicht auch noch die Quelle, also der ursprüngliche Artikel, korrigiert werden. Die Information bliebe für vertiefte Recherchen zum Ereignis dann im jeweiligen Medienarchiv verfügbar. Unter dem Strich wäre das ein kluger Ausgleich zwischen Persönlichkeitsrechten und Pressefreiheit.
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Kommentar von
Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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