Drehbuchautoren beim Filmfest Hamburg: Gleich an zweiter Stelle
Drehbuchautor*innen fühlen sich in Deutschland oft zu wenig anerkannt. Mit dem Filmfest Hamburg gab es deshalb jetzt Streit.
Es gehe um den Tonfall, betont Albert Wiederspiel mehrfach. Den könne er einfach nicht akzeptieren. Mit dem Inhalt der Kritik habe er überhaupt kein Problem. Und dann erlaubt sich der Leiter des Filmfests Hamburg doch noch eine kleine Spitze: „Gerade Drehbuchautoren sollten doch sensibel mit Sprache umgehen.“
Was Wiederspiel meint, ist ein Eintrag auf der Facebook-Seite des Verbands Deutscher Drehbuchautoren (VDD). Es ist ein offener Brief an das Filmfest, in dem den Festivalmachern vorgeworfen wird, die Rollen von Drehbuchautor*innen in ihrer Öffentlichkeitsarbeit systematisch zu vernachlässigen. „Drehbuch ist das einzig originäre Werk“, heißt es da. „Alles andere ist Interpretation.“
Das Problem: Der VDD ist schon seit vielen Jahren Kooperationspartner des Filmfests. Und auch in diesem Jahr hatten beide Seiten eine gemeinsame Diskussionsveranstaltung für den kommenden Montag geplant. Die wurde jetzt allerdings kurzfristig gestrichen. Er könne doch jetzt nicht einfach so auf „Friede-Freude-Eierkuchen“ machen, sagt Wiederspiel.
Die Grundlage des Konflikts ist nicht neu. Schon länger kämpfen deutsche Drehbuchautor*innen um mehr Anerkennung in der Industrie und um stärkere Einbindung in den filmischen Produktionsprozess. Vorbild sind etwa die USA, wo die Schreiber*innen dank des Serien-Booms mittlerweile zu gefeierten Kreativköpfen geworden sind. Geändert hat sich hierzulande trotz diverser Initiativen bisher allerdings wenig: In Deutschland dominiert weiterhin das Duo aus Regisseur*in und Schaupieler*in die öffentliche Wahrnehmung – die Autor*innen fühlen sich oft zum bloßen Dienstleisten degradiert.
Lieber anrufen als facebooken
Vor diesem Hintergrund gefiel dem VDD die PR-Strategie des Filmfests offenbar gar nicht. „Von …“ hieß es beispielsweise in Filmankündigungen bei Facebook, gefolgt nur vom Namen des Regisseurs. Das Filmfest unterschlage so mehrere Autor*innen, bemängelt nun der Verband, als Gast sei zudem nur eine einzige Autorin geladen. Dabei sei man in Hamburg „doch sonst so einladungsfreudig“. Etwas süffisant mag das sein, wirklich daneben ist der Tonfall allerdings nicht.
Folgt nun aber die Abstrafung wegen des Eintretens für die eigene Position? Der Festivalleiter wehrt sich gegen diese Lesart. Das inhaltliche Anliegen des Verbands könne er ja nachvollziehen. „Mich stört allerdings die Art der Kommunikation“, sagt Wiederspiel. „Warum muss man das denn gleich öffentlich machen? Man kann doch über alles reden. Ein Anruf hätte genügt, und wir hätten das ganz einfach geändert.“
Vor allem aber will Wiederspiel sich und seinem Team keine böse Absicht unterstellen lassen. Die Drehbuchautor*innen würden in den detaillierteren Filmbeschreibungen doch direkt an zweiter Stelle genannt. Zudem seien eben bei der Mehrzahl der Spielfilme auf dem Filmfest Regisseur*in und Drehbuchautor*in ein und dieselbe Person.
VDD-Geschäftsführer Jan Herchenröder kann die Absage des gemeinsamen Diskussions-Panels zum Thema Diversität überhaupt nicht nachvollziehen. „Die Festivalleitung sollte sich daran erinnern, dass sie Verantwortung für den gesellschaftlichen Diskurs trägt“, schreibt er in einer Pressemitteilung. „Eine solche Reaktion trägt nicht dazu bei.“
Etwas versöhnlicher
Gegenüber der taz zeigt er sich dagegen etwas versöhnlicher. Sicher könne man über den Stil eines Facebook-Posts streiten, räumt er ein. Aber man müsse diese Dinge doch trennen können. Schließlich habe man bloß eine gemeinhin bekannte Position erneut öffentlich vertreten. Das Hamburger Filmfest sei zudem nur eine unter vielen Branchenveranstaltungen, die man regelmäßig kritisiere. „Es geht hier um das strukturelle Problem einer Benachteiligung von Drehbuchautor*innen in Deutschland, doch nicht um das Filmfest Hamburg“, sagt Herchenröder.
Wie es nun mit der langjährigen Kooperation weitergeht, ist derzeit noch offen. Festivalchef Wiederspiel jedenfalls hat dem VDD jetzt ein Ersatz-Panel angeboten. Arbeitstitel: „Ein Film von …“.
Der Gegenstand des Konflikts soll also kurzerhand zum Thema der Diskussion werden. Für Herchenröder ist das derzeit aber keine Option. „Wir wollen ganz sicher nicht weiter zu einer Eskalation beitragen – aber die Positionen dazu sind doch schon längst zur Genüge ausgetauscht worden.“
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