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Prozessauftakt in HildesheimGeld gemacht mit Geflüchteten

Dass sich mit der Unterbringung von Geflüchteten Geld machen lässt, ist bekannt. Die Dimensionen, um die es in einem Prozess geht, lassen aber aufhorchen.

Flüchtlingsunterkünfte: Scheinrechnungen für das Betreiben und Bewachen von Einrichtungen Foto: dpa

Göttingen taz | Dass sich mit dem Transportieren, Versorgen und Unterbringen von Flüchtlingen viel Geld machen lässt, ist keine wirklich neue Erkenntnis. Auch ist hinlänglich bekannt, dass sich die Profiteure solcher Geschäfte bisweilen in rechtlichen Grauzonen oder gänzlich in der Illegalität bewegen. Die Dimensionen, um die es jetzt in einem entsprechenden Strafverfahren in Hildesheim geht, lassen allerdings aufhorchen:

Um nicht weniger als zehn Millionen Euro soll nämlich der ehemalige Geschäftsführer des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) Hannover das Land Niedersachsen geprellt haben, indem er Scheinrechnungen für das Betreiben und Bewachen von Flüchtlingsunterkünften stellte und Zahlungen auf Privatkonten umleitete.

Der Prozess gegen den 45-Jährigen, einen Kollegen (37) sowie dessen Frau (36) wegen besonders schweren Betruges und besonders schwerer Untreue beginnt am Freitag vor der Großen Wirtschaftsstrafkammer des Hildesheimer Landgerichts.

Um zehn Millionen Euro soll der ehemalige Geschäftsführer das Land geprellt haben

Verhandelt werden zunächst 16 Fälle, in denen der Hauptangeklagte den Betrieb von Flüchtlingsheimen falsch abgerechnet haben soll. Zum einen soll er Leistungen im Wert von acht Millionen Euro in Rechnung gestellt haben, die gar nicht erbracht wurden. Zum anderen zweigte er laut Anklage vom Land überwiesenes Geld auf ein Konto ab, das er angeblich für den ASB eingerichtet hatte, in Wirklichkeit aber nur selbst nutzte und auch nicht über die Buchhaltung der Hilfsorganisation laufen ließ.

Geld für eigene Zwecke verwendet

Das auf diese Weise beiseite geschaffte Geld sollen die beschuldigten Männer für eigene Zwecke verwendet haben. Teilweise hätten sie für die Transaktionen auch das Privatgirokonto der mitangeklagten Ehefrau genutzt.

Aufgeflogen war die Sache erst im vergangenen Februar. Der Ex-Geschäftsführer sitzt seitdem wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft. Weil die U-Haft in der Regel nur maximal sechs Monate dauern darf, wird erst mal nur über einen Teil der Vorwürfe verhandelt.

Insgesamt sind in dem Komplex sechs Personen in 28 Fällen angeklagt – es geht um eine veruntreute Gesamtsumme von 10,2 Millionen Euro. Der ASB hat auch schon zivilrechtliche Schritte eingeleitet, um zumindest einen Teil des Geldes zurückzubekommen.

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5 Kommentare

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  • Ihr solltet lieber mal über die vollkommen legale Abzocke von Steuergeldern.



    Bei uns im Dorf, (9.200 Einwohner) mietet die Gemeinde immer wieder Wohnungen an, um Flüchtlinge unterzubringen. Die Miete (600-800 € zur Unterbringung von 6 Flüchtlingen in einer Durchschnittswohnung) überschreitet dabei selten den oberen Rand des Mietspiegels.



    Deutlich teurer dagegen ist die Unterbringung in Flüchtlingsunterkünften im Rahmen von sogenannten Betreiberverträgen. Dabei wird nicht der Wohnraum bezahlt, sondern ein Pauschalbetrag pro Tag für jeden Flüchtling, derzeit zwischen 11 und 13 Euro.



    Unsere mit absoluter Mehrheit regierende SPD hat es fertiggebracht, ein gemeindeeigenes Gebäude für 300.000 € zu verkaufen und mit dem Käufer einen Betreibervertrag über 8 Jahre abzuschließen. Jährliche Kosten - unabhängig von der tatsächlichen Belegung, maximal wären 23 Personen möglich - ca. 100.000 €.



    in einem anderen Fall wurde eine 90qm-Wohnung nicht einfach gemietet, es wurde eine Betreibervertrag abgeschlossen.



    Statt einer monatlichen Miete von 800 € wurden monatlich 2.300 € an den Betreiber dieses Miniatur-Flüchtlingsheimes überwiesen.



    Daß der auch ein fleißiger SPD-Wahlkämpfer ist war bestimmt nur Zufall.



    Zwei Beispiele aus einem kleinen Dorf. Man bekommt dadurch eine Vorstellung, wieviele Milliarden bundesweit in solche Kanaäle fließen.

  • Hinzu kommt dass auch bei korrekter Abrechnung die Finanzierung von Heimen teurer ist als die Unterbringung in normalen Wohnungen in denen sich Neuankömmlinge wie alle anderen selbst organisieren ganz ohne teure Bewachung, Personal und Großküchenanlieferung, Schließzeiten, Besuchsverbote etc. Wohnungsmangel in Ballungsräumen lässt sich mitnichten mit schnell gebauten hässlichen und möglichst unwohnlichen Betonkästen und Mehrbettzimmern beheben in die dann später niemand anderes freiwillig einzieht - wegen ihrer gewollten Hässlichkeit taugen sie zu nichts anderem als Geflüchtete nach ihrer Ankunft weiter abzuschrecken. Gegen Wohnungsnot hilft indes nur Wohnungsbau im bezahlbaren Segment der dann allen zu gute kommt und verhindert ganz nebenbei Abzocke von Heimbetreibern denn solche brauchen wir dann nicht mehr.

  • „wegen besonders schweren Betruges und besonders schwerer Untreue“

    Wie ist da die juristische Steigerungsform? Was kommt nach „besonders schwere Untreue“? „Ganz besonders schwere Untreue“, „ganz ganz arg besonders schwere Untreue“ und „extra spezial unerträglich schwere Untreue“? Und vor der (nicht besonders) „schweren Untreue“ kommt dann „ganz normale Standard Untreue“?

    • @hup:

      sich selber schlau machen ist anstrengend, rumhupen nicht