: Ohne jedes Drumherum
Die Zero-Waste-Bewegung findet zum fairen Handel. Kunden kommen mit Gefäßen in den Weltladen
Die Sensibilität gegenüber Verpackungen, vor allem von Plastik auf Basis von fossilen Rohstoffen, ist deutlich gestiegen. Nicht zuletzt aufgrund der fortschreitenden Vermüllung von Meeren und Stränden. Die Konsumenten interessieren sich auf jeden Fall mehr denn je für unverpackte Produkte. Dieser Trend manifestiert sich auch in der Eröffnung von immer mehr Einzelhandelsgeschäften, die Unverpacktes anbieten. Und nach Aussage von Gregor Witt, Vorsitzender des Verbands Unverpackt e. V., „explodiert aktuell die Zahl der neu eröffneten Geschäfte“. In dem im Frühjahr 2018 gegründeten Verband sind bereits mehr als 130 Mitglieder organisiert, die sich verpflichten, mehr als 70 Prozent ihres Sortiments in Mehrwegsysteme zu verpacken und mehr als 40 Prozent ihres Umsatzes mit Unverpacktem zu erzielen.
Diese neue Bewegung ist mittlerweile auch im fairen Handel angekommen. Ob nun in den Weltläden oder bei den Händlern oder Importeuren. „Das Thema Verpackung hat bei uns eigentlich schon immer eine Rolle gespielt“, sagt Christine Junker, Geschäftsführerin des Weltladens Regentropfen in Offenburg, „daher haben wir uns intensiv Gedanken gemacht, wie wir auch in unserem Geschäft unverpackte Lebensmittel anbieten können.“ Mit dem Ergebnis, dass seit Beginn dieses Jahres im Offenburger Laden die Produkte Reis, Linsen, Kichererbsen und Kaffee aus fairem Handel unverpackt über den Tresen verkauft werden. „Das Angebot wird sehr gut angenommen, wir sind selbst überrascht, wie gut. Die Kunden kommen mit ihren Gefäßen, in die wir dann abfüllen“, freut sich Junker, zumal bei ihrem Sortiment von rund 100 Produkten für die Zukunft noch Luft nach oben sei.
„Es ist fast alles möglich“, sieht denn auch Anna Wolf noch großes Reduzierungspotenzial bei Verpackungen von fairen Produkten. „In allen Produktsegmenten können noch Verpackungen eingespart werden, obschon wir schon eine ganze Palette von unverpackter Ware anbieten“, fügt die Sprecherin von El Puente, einem der größten Importeure und Handelsunternehmen des Fairen Handels, der mittlerweile rund 800 Weltläden in Deutschland und ganz Europa beliefert, hinzu. Dies gelte sowohl für den Kaffee, umsatzstärkstes Importprodukt von El Puente, als auch für andere Lebensmittel sowie Kunsthandwerkliches aus dem Süden. Allerdings dürfe man das „Thema nicht übers Knie brechen und noch im Blick haben, was momentan praktisch möglich ist, wenngleich der Verzicht auf Verpackungen besonders den jungen Leuten ein wichtiges Anliegen ist“, stellt Wolf fest und sieht im Unverpackt-Trend eine große Chance.
Tatsächlich bringt der Wille zum Verzicht auf Verpackungen schon jetzt viele neue junge Impulse in die Fair-Handels-Szenerie, die an manchen Orten etwas, um es vorsichtig auszudrücken, etwas in die Jahre gekommen ist. „Ja, es herrscht so etwas wie Aufbruchstimmung“, bestätigt auch Amos Bucher, Geschäftsführer des jungen Unternehmens Fairfood in Freiburg, das unter anderem fair- und biozertifizierte Cashewkerne aus Nigeria, Paranüsse aus Bolivien und Mandeln aus Palästina importiert, zudem fairen Kaffee in Freiburg für Kunden wie El Puente röstet und obendrein den Einzelhandel in Sachen Unverpackt berät. „Läden, die den Zero-Waste-Gedanken aufgreifen und versuchen, sich darin zu engagieren, laufen derzeit wahnsinnig gut“, verrät Bucher und registriert zugleich eine steigende Nachfrage nach Beratungsleistung, wie denn nun Läden verpackungsfrei fit zu machen seien. Dabei sind Fragen nach der Hygiene und nach der Aufbewahrungs- und Verkaufslogistik die am häufigsten gestellten. Ein Verzicht auf Verpackung sei kein Hexenwerk, sondern stelle eine in der Praxis lösbare Herausforderung dar, wie Bucher versichert. Aber abgesehen von den Teufelchen, die bekanntlich immer im Detail stecken, wächst mit Fair und Bio und mit der Vermeidung von Verpackung und dem Einsatz von nachhaltigen Verpackungskonzepten – basierend auf abbaubaren nachwachsenden Rohstoffen – sicherlich zusammen, was ja ohnehin zusammengehört. Dierk Jensen
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