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Die WahrheitAuferstanden aus Rosinen

Was viele heute nicht mehr wissen: Die DDR gab es wirklich. Früher im Osten. Dort, wo heute noch die Ostgeborenen zu Hause sind.

Das Logo der ostdeutschen Rockgruppe Senf Foto: imago images/Frank Sorge

Spreegurkenkompott an einem Braunkohlebrikett. Spruch­band­agitation zum Abgewöhnen. Hoch geklappte Bürgersteige hinter Stacheldraht. Das sind die Bilder, mit denen sich die Deutschen heute an die DDR erinnern. Das Andenken ist geprägt von Kordhütchen, Winkelementen und manischem Nacktbaden. Grauschleier, Gänsefleisch und Broiler sind die meist genannten Begriffe, die die Siegerdeutschen mit der Zone assoziieren. Und selbstverständlich wissen auch dreißig Jahre danach nur sie, was drüben so abging: „gar nüschts“, wie die Ostler sagen würden, wenn sie was zu sagen hätten.

Sieht man mal vom grünen Pfeil und dem Sandmännchen ab, sind es fast ausschließlich westliche Leitbilder, die heute vorherrschen. Jeder kennt zum Beispiel Fix & Foxi, Lurchi oder Donald Duck. Aber in der Ostzone bestimmten die Pusselpöffels, der Gullebär und die Fratzedonkis die Welt der Comics. Die kannte in Westdeutschland niemand. Sie gehören auch heute nicht zum Kanon.

Selbiges gilt praktisch für die ganze ostische Kultur: ihre schrullige Ästhetik, ihre literarischen Ausstülpungen, ihre Pupsmusik. Oder hat man im Westen schon mal was vom Modelabel Sibylle Schick, dem Barfußlyriker Bernd Papenheim-Gewürz oder der Kunstliedvereinigung Fryhsport gehört? Weiß man um die Verdienste einer ostdeutschen Avantgarde, wie sie sich in der Dessauer Textillyrik, der Lausitzer Mangelfotografie, dem Niethosenjazz einer Klaus Dösselmann Combo oder den legendären Schnurrbart-Cineasten rund um den mehrfach dissidierten Arbeiter- und Bauernfilmer Klaas Broder zeigte?

Von der Treuhand geschreddert

Jeder DDR-Bürger kannte sein Kinolustspiel „Kollege kommt gleich“, im Westen wurde es nie gezeigt. Und wird nie mehr gezeigt werden können, weil das Filmmaterial, ein in Bitterfeld gefertigtes, leicht entzündliches Gemisch aus Teerpappe und Glyphosat, gleich nach der Übernahme im Sondermüll­eimer der Treuhand geschreddert wurde.

Niemand auch, der in der DDR aufwachsen musste und nicht die Lieder jener legendären Musikkapelle kannte, die sich von 1958 an bei ständig wechselnden Frisuren ihrer Mitglieder von einem losen Schalmeienschrammel-Verbund zu einer starkstromgitarrenkreischenden Knatter-Rockband entwickelten, aber trotz aller Bemühungen um Subversivität („Herein, herein zum 1. Mai“) erst 1988 die höchstmöglichen Weihen erhielten: das DDR-weite Auftrittsverbot – mit Ausnahme aller evangelischen Kirchen, versteht sich.

Gemeint ist natürlich die Gruppe Senf um den Frontmann und Frickeltexter Sandro Senftleben. Seine Lieder „Hoch wie ein Haus soll mein Hochhaus sein“ und „Ballade Marmelade“ gehören unverrückbar zum musikalischen Erbe Ostdeutschlands. Im Westen hingegen kannte und kennt sie „Keine blöde Sau“ (so ein weiterer Senftitel), was zum einen an der Untanzbarkeit der Songs liegen könnte, vor allem aber mit der Unfähigkeit vieler Wessis zu tun haben dürfte, zwischen den Textzeilen zu lesen und die dort bis zur Unkenntlichkeit versteckten aufrührerischen Inhalte zu begreifen. Das war und ist nur Ostgeborenen möglich.

Nein, es war nicht alles trist

Und dann ist da noch diese Geschichte, die man immer wieder liest, wenn es um das ruhmreiche Möbeldesign der DDR geht. Sie spielt auf der Zwickauer Herbstmesse 1957 an, als Walter Ulbricht die ersten Stühleentwürfe der volkseigenen Sitzmöbelproduktion aus Suhl begutachtete und bei einer Sitzprobe des Küchenstuhlmodells Wilhelm Pieck dieses unter ihm zusammenkrachte. Man hätte angeblich vergessen, die Stuhlbeine festzuschrauben. Zudem seien es aus mangelwirtschaftlichen Gründen nur drei Beine gewesen, das vierte bei der Fünfjahresplanung schlichtweg vergessen worden.

Tatsächlich gehörte die losen Schrauben und das fehlende Bein zum designerischen Konzept dieses Stuhl­modells, das sogar ein Jahr später in Serie ging und in praktisch jedem DDR-Haushalt, nun ja, eher wackelte denn stand.

Nein, es war nicht alles trist, doof und eierschalenfarben „drüben“. Und trotzdem. Die kulturelle Erinnerung in West- und Dunkeldeutschland begegnet sich derzeit allenfalls auf Hosenstallhöhe. Für die jüngeren Zonis ist das kein Pro­blem, sie wissen es nicht besser. Für die älteren aber schon. Und die begehren jetzt auf, werden frech wie Bolle, fordern schamlos sächselnd, dass die Erfahrungen „ihrer“ DDR nicht länger abgewürgt werden. Andernfalls, so drohen sie unverhohlen, wählen sie noch rechtsradikaler als sowieso schon.

Vielleicht lassen sich die Wunden, die überall aufplatzen und von den Ostlern mit der ihnen so eigenen Inbrunst auch geleckt werden, nur heilen, wenn Deutschland sein kulturelles Gedächtnis erweitert – dass der Osten nicht nur aus Ruinen auferstanden ist, sondern auch aus Rosinen. Wie aus denen in der beliebten Biersuppe. Ein echtes Schmackofatz für alle Früherfreunde. Für alle anderen einfach nur Erbrochenes.

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9 Kommentare

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  • Nur dass das klar ist: Dreibeinige Stühle können gar nicht wackeln. Sie stehen immer, egal wie uneben der Fußboden ist. Nicht umsonst hatten Melkschemel früher drei (fest angeschraubte) Beine – oder aber bloß ein einziges, das direkt am Hintern festgebunden wurde.

    Vermutlich ist dieser Umstand die Ursache dafür, dass es der dreibeinigen Küchenstuhl meines Wissens nie in eine Standard-Wohnung geschafft hat. Weder im Osten, noch im Westen und auch nicht unter Bauhäuslern. Man wollte schlicht nicht erinnert werden an seine bäuerlich-proletarische Herkunft. So viel mal zum kulturellen Gedächtnis. Und darauf eine Biersuppe.

    • @mowgli:

      Danke. Hab auch sehr gelacht.

      Zumal Zumal - ich die als Jung noch als Arschstuhl zum Melken umgebunden kannte. “Nee Nee - nu gaa ik ever nich mehr denn Morgen tonn Melken innen Koastall!“ Verkündete mit 89 meine Lieblingstante - die ich unlängst mit was über 90 zu Grabe getragen habe.



      Na ja. Jugend forsch halt.



      “Dee? - Dee weet doch vonne Steenstraat nix aff!“ •

  • Was soll die Verunglimpfung der Menschen im Osten?



    Für die verkorkste Politik der GroKo können die doch nichts. Die können auch nichts dafür, dass ihre Betriebe abgewickelt wurden, und das Volksvermögen an die Banken verschleudert wurde. Wir klagen über den Euro und die Aktionen der EZB, über hohe Mieten und schlechte Jobs. Dummerweise hat sich das noch nicht zu den Grünen rumgesprochen, sonst würden die keine Schickimicki Ökopolitik machen, sondern eine soziale Umweltpolitik

    Und nein, von den DDR Bürgern durfte auch keine abstimmen, ob sie eingegliedert werden wollten

    • 8G
      80576 (Profil gelöscht)
      @Martin_25:

      Äh, aha. Naja. Was ist mit den Zehntausenden, die mit den Füßen abgestimmt haben? Den Hunderttausenden bei den Montagsdemonstrationen? Alles Opfer des bösen Westens?

  • Und wieder jammert es aus dem Osten.



    Seit 30 Jahren das selbe Lied. Es war nicht alles schlecht.



    Die 30 Jahre vorher musste man sich das auch schon anhören.......

    Und vorwurfsvoll wird der böse Wessi - zum zigtausendsten mal - dafür verantwortlich gemacht, dass heute 1/4 der Bevölkerung im Osten Nazis wählt.

    Eigenverantwortung hat man halt nicht gelernt unter der SED.

    Und so kann man nur immer und immer wiederholen:

    "Wir" haben gar nichts gemacht. Wir haben Euch nix weggenommen, wir haben Euch nicht besetzt.



    Wir durften nicht mal abstimmen, als Ihr der BRD beigetreten seid.



    Wir haben nicht aufgehört Eure Produkte zu kaufen oder Eure Comics zu lesen - denn das haben wir ja nie getan. Der gesamt Zustand im Osten ist zu 100% selbst verursacht.

    Ihr hättet ganz prima DDR 2.0 machen können ohne SED. Mosaik lesen, Broiler essen und in der Ostsee nackt baden. Niemand hat Soldaten geschickt.

    • @Michael Garibaldi:

      "Wir" haben gar nichts gemacht. Wir haben Euch nix weggenommen, wir haben Euch nicht besetzt.

      natuerlich nicht.



      "ihr" habt "uns" solche wessikrankheiten wie katzen allergie gegeben.

      ;o)

      • @Theloneous Honk:

        Ein solch neckischer Abgesang muss auch für die alte BRD erstellt werden.

    • @Michael Garibaldi:

      Ja wie^?^ Wat issen nu wieder ditte - Pompöses van de ahle Pampers - kerr!

      Wennse das andere Auge auch mal öffnen wollen? Junger Mann.



      Dank im Voraus. Gellewelle.

      Von ehren vielzähligen Hühneraugen mal ganz ab - wa! 🐔 🐔 🐔

      kurz - Bisken jung! Wollnichwoll & •



      (* 45 Halle/Saale - 51 via Helmstedt gen Lübeck usw usf - btw - but not only) 👻

  • Na - ich würd mir schonemal 'n dickes Telefonbuch der Graf-Luckner-Klasse als Arschleder in die Butz stecken. Normal. Newahr.



    Besser is das. 🥁 🥁 🥁