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Bündnisse gegen den KlimawandelWann wir schreiten Seit’ an Seit’

Fridays for Future und die Gewerkschaften könnten gute Freunde werden. Verdi-Chef Frank Bsirske ruft zur Klima-Demo auf. Und die IG Metall?

Die Zukunft der Gewerkschaften? Klimaaktivistin Greta Thunberg und Mitstreiter*innen Foto: ap

Berlin taz | Ein breites Bündnis aus allen Schichten der Gesellschaft gemeinsam auf der Straße gegen den Klimawandel: Das fordert die Bewegung Fridays for Future für den 20. September, wenn das Klimakabinett der Bundesregierung seine Klimaschutzmaßnahmen vorstellen wird. Kaum einen Tag nachdem sie das verkündet hat, hat die Bewegung mit der Gewerkschaft Verdi einen einflussreichen Verbündeten für die große Demo.

Verdi-Vorsitzender Frank Bsirske ruft alle rund 2 Millio­nen Mitglieder der Gewerkschaft dazu auf, mit Fridays for Future auf die Straße zu gehen. Es gehe darum, Flagge zu zeigen für eine konsequente Klimapolitik, sagte Bsirske der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. Verdi fordere einen baldigen Ausstieg aus der Kohleverstromung. Mindestens bis 2038, wie die Kohlekommission der Bundesregierung vorschlägt, „wenn es schneller geht, sollten wir es schneller machen“, so Bsirske.

Dieses Vorpreschen Bsirskes ist verwunderlich. 2015 hatte sich Verdi unter dem Vorsitzenden Bsirske noch explizit gegen eine Zusatzabgabe für alte Kohlekraftwerke ausgesprochen. Diese Abgabe hatte der damalige SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel vorgeschlagen, um die Kohlekraftwerke unrentabler zu machen und die Laufzeiten zu verringern. Und in einem Beschluss des Verdi-Gewerkschaftsrats von 2016 zum Thema Klimaschutz und Energiewirtschaft war von Kohleausstieg noch keine Rede.

Reinhard Klopfleisch vom Fachbereich Energiewirtschaft bei Verdi erklärt diesen Umschwung so, dass der aktuelle Standpunkt das Ergebnis eines langen Diskussionsprozesses sei. Auch interne Kritiker begrüßen die Entwicklung. Verdi-Mitglied Hendrik Huyskens, der 2015 in einer Petition den Standpunkt Bsirskes bei der Zusatz­abgabe für alte Kohlekraftwerke kritisiert hatte, sieht die neue Haltung der Gewerkschaft positiv. „Wichtig ist, dass sich Verdi an die Positionierung erinnert, wenn es konkret um das Thema Kohleausstieg geht“, so Huyskens.

Ungewöhnliche Partnerschaft

Auch die IG Metall denkt um. Im Juli dieses Jahres verabschiedete die Gewerkschaft, die unter anderem Auto- und Stahlbeschäftigte vertritt, gemeinsam mit den Umweltverbänden Nabu und BUND ein Papier zur Verkehrswende und zum Klimaschutz. Die Zeit des Zögerns und Zauderns sei vorbei, heißt es da. Der Wandel werde tief in die bisherigen Arbeits-, Freizeit- und Lebensgewohnheiten der Menschen eingreifen. „Wer die sozialen Folgen der ökologischen Transformation aus dem Blick verliert, überlässt das Feld populistischen Scharlatanen“, schrieben die drei ungewöhnlichen Partner.

Die Zeit des Zögerns und Zauderns ist vorbei

Gemeinsames Papier von IG Metall, Nabu und BUND

Das, obwohl an der Basis auch die Angst um einen Arbeitsplatzverlust umgeht, wenn etwa Daimler, VW, BMW und Opel auf Elektroautos umstellen. Im Juni demonstrierte die IG Metall dennoch in Berlin für einen „fairen und ökologischen Wandel“.

„Die Leitung der IG Metall hat verstanden, dass es keine Alternative mehr zum Klimaschutz gibt und der Wandel in der Autoindustrie ohnehin nicht mehr aufzuhalten ist“, sagt Nabu-Verkehrsexperte Daniel Rieger. Sein Umweltverband arbeitet mit den Metallern in der Verkehrskommission des Bundes zusammen, die klären soll, wie Mobilität künftig ökologisch werden kann. Dort habe man entdeckt, wie ähnlich die Positionen von Umweltverbänden und Gewerkschaften mittlerweile sind.

Noch allerdings will sich die IG Metall dem Aufruf von Verdi zur Klimademonstration nicht anschließen. Eine Sprecherin erklärte der taz, im Moment gebe es noch keine Position dazu. Einen schnelleren Kohleausstieg bis 2030 unterstützt die IG Metall ohnehin nicht.

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13 Kommentare

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  • Moment - ruft Bsirske zum politisch motivierten Streik auf? wie die Fridays for Future oder zu einer Demo?

  • "…mit etwas weniger Aufgeregtheit und deutlich mehr Sinn für die Realitäten kriegen wir einen Aktionstag hin…"



    Und was genau nützt so ein "Aktionstag"?



    Darf ich raten? Nichts?



    "Wir-haben-es-satt"-Demos finden seit ca. 10 Jahren statt.



    Vollkommen wirkungslos perlen die an den Verantwortlichen ab.



    Wir haben keine Zeit und keine Lust mehr, uns ins Bällebad (Spielwiese für Demokratie-Gläubige) abschieben zu lassen.



    ⚽️ 🏀 🏈 ⚾️ 🎾 🏐 🏉 🎈 🌐 ⭕️



    Ich bin sehr für einen Generalstreik – leider werden die, die immer noch nixxx kapiert haben und auf ihren primitiven Wohlstandsdünkel bestehen, ja nicht mitmachen. Die Menge der Staatsangestellten ist auch eine nicht teilnehmende "Hausnummer"…



    Und FFF: achtet auf das mögliche "Zu-Tode-Umarmt" bei den Gewerkschaften. Hätten die Gewerkschaften auch nur den Biss eines Ein-Zahnigen, wäre so etwas wie AlG2 und der Niedriglohnsektor gar nicht möglich gewesen.



    💕 Obacht geben! 💕

  • "Eine Gewerkschaft ist eine Vereinigung der Interessenvertretung von abhängig beschäftigten Arbeitnehmern zur Vertretung ihrer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Interessen." (Quelle Wikipedia).

    Es ist nicht ersichtlich, dass sich durch die geforderten Klimaschutzmassnahmen die wirtschaftlichen oder sozialen Interessen der Arbeitnehmer bzw. der Mitglieder von Verdi verbessert (höchst wahrscheinlich eher im Gegenteil). Weshalb mischt also eine Gewerkschaft mit? Verdi hat doch bereits genug mit dem Arbeitskampf gegen Amazon zu tun. Wollen die jetzt noch weiter in der Bedeutungslosigkeit versinken?

    Wäre ich Arbeitnehmer, bzw. wäre ich Mitglied von Verdi, ich würde austreten. Seit der Gründung von Verdi wird das immer weiter zum allgemeinpolitischen Gemischtwarenladen. Eine echte Interessensvertretung sieht anders aus. Hier verläuft der Untergang parallel zum Untergang der SPD.

    Wenigstens die IG Metall erkennt, dass sogenannten Klimaschutzziele Arbeitsplätze im Inland kosten werden.

    • @DiMa:

      "Eine Gewerkschaft ist...(...)" (Wikipedia)



      Mit Verlaub: Was im Interesse der MitgliederInnen der Gewerkschaften und deren Familien ist, das definieren diese schon selbst. Wikipedia ist da nicht ansatzweise aktuell, geschweige denn überhaupt kompetent dazu. Wäre ja noch schöner wenn wir uns die Bedeutung der Welt von denen erklären lassen würden.



      Und wenn Sie nicht dazu in der Lage sind zu erkennen dass gerade auch Krankenschwestern ein Interesse an einer verantwortungsvollen Klimapolitik haben, dann ist das eigentlich ziemlich egal - who cares?

      • @LittleRedRooster:

        Ja, Sie haben natürlich Recht; ich bitte um Entschuldigung. Also ein Blick ins Grundgesetz Art. 9 Abs. 3 GG: "Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden...". Ähnlich auch die Definition des DGB.

        Da steht nichts von Öko.

        Hier also ein Blick in die Satzung von Verdi:

        "Verdi vertritt und fördert die wirtschaftlichen und ökologischen, die sozialen, beruflichen und kulturellen Interessen ihrer Mitglieder im In-und Ausland." (Quelle Verdi).

        Wie gesagt, ein politischer Gemischtwarenladen. Ein kurzer Anruf bei meiner Schwägerin (Kitamitarbeiterin, Verdimitglied) hat ergeben, dass sie von Verdi nicht nach ihrer Meinung bezüglich etwaiger Klimaschutzmassnahmen befragt worden ist. Im Übrigen wurde sie noch nie über irgendwelche ökologischen Belange befragt und sie war ziemlich überrascht. Auch auf der Homepage von Verdi befindet sich dazu mal garnichts (Stand: jetzt gerade).

        Wenn also Verdi das Interesse der Mitglieder in dieser Frage nicht mal im Ansatz erkundet hat, wie kommt Herr Bsirske dann jetzt dazu, diese in dieser Frage vertreten zu wollen?

        • @DiMa:

          Interessant was für Vorstellungen Sie bezüglich der Willensbildung in demokratischen Organisationen haben. Für gewöhnlich läuft das immer und überall anders herum: Man meldet seine Meinung nach oben und wartet nicht auf Meinungsumfragen - aber egal, das wäre Text für einen Grundkurs politische Bildung. Den müssen Sie sich bitte schon selbst besorgen.



          Aber: Möglicherweise werde ich am Wochenende auch meinen örtlichen Gewerkschaftssektretär in der Kneipe treffen und ihn darauf hinweisen dass Ver.di offenbar vergessen hat, sich bei Ihnen Ihre ausdrückliche Erlaubnis für umweltpolitische Aktionen einzuholen. Ich werde ihn natürlich bitten dies umgehend nachzuholen und denke, dies wäre wohl ganz in Ihrem Sinne.



          Ich wünsche Ihnen auch weiterhin einen verträumten Tag.

          • @LittleRedRooster:

            Oh, bei mir braucht sich Ihr Gewerkschaftssekretär sicherlich nicht melden (da ich wie bereits erwähnt kein Mitglied bin).

            Nur leiten Sie ihm doch bitte rein interessenhalber meine zuvor gestellte Frage weiter, weshalb sich Verdi berufen fühlt, die Mitglieder verteten zu wollen ohne deren Meinung zu kennen. Das erinnert doch eher an den Vertreter ohne Vertretungsmacht. (Das wäre dann wohl Grundkurs Jura)

            Wie bereist gesagt, diese ökologische Schiene ist für die Mitglieder eher überraschend und es dürfte wohl nur einen sehr geringen Bruchteil von Mitgliedern geben, die dem Vorstand bzw. den Sekretären ihre Meinung in dieser Frage mitgeteilt haben.

            Übrigens Stand jetzt gerade immer noch nix ökologisches auf der Webseite.

            Beste Grüße and den Herren Sekretär.

            • @DiMa:

              "(...) weshalb sich Verdi berufen fühlt, die Mitglieder verteten zu wollen ohne deren Meinung zu kennen." (DIMA)



              Bitte sehr, bitte gleich! - mach ich doch gerne. Der Mann ist sowieso für jeden guten Witz recht dankbar.



              Und Sie können sich am Wochenende dann ja mal etwas genauer mit der Satzung von Ver.di auseinander setzen: mit den inneren Strukturen und demokratischen Ebenen der Meinungsbildung. Danach verwechseln Sie möglicherweise eine Gewerkschaft nicht mehr mit einem Call-Center.



              Wünsche ein schönes und lehrreiches Wochenende.

              • @LittleRedRooster:

                Für eine kleine Satzung brauch ich zum Glück nicht das Wochenende.

                Die Frage der Beteiligung, Mitwirkung und Unterstützung von Fridays for Future gehört ist wohl als "Festlegung von gewerkschaftspolitischen Grundpositionen" zu qualifizieren. Zuständig ist hierfür gemäß § 41 Nr. 5a) der Satzung der Gewerkschaftsrat. Demgemäß müsste es irgendwo einen entsprechenden Beschluss geben.

                Wie bereits vermutet, ist Herr Bsirkse nach den gewerkschaftsinternen Regularien nicht befugt, einfach so darüber zu entscheiden bzw. eine solche Entscheidung bekannt zu geben.

                Und wenn der Sekretär gerne über Witze lacht, hier hab ich einen, den Sie gerne priorisiert übermitteln dürfen.

                "Verdi liegt im Arbeitrskampf mit Amazon."

                Den Witz kennt er wahrscheinlich bereits, nur ich lache jedesmal und seit vielen Jahren sehr herzhaft darüber.

                Mit besten Grüßen an den Herrn Sekretär.

  • Fridays for Future sollte im daran denken, dass die Gewerkschaften eine Interessenvertretung sind. Die werden mehr Bremser den Anschieber sein.

    • @APO Pluto:

      Na, dass nenn' ich mal 'nen sachdienlichen Rat vom Rand der Galaxis - von gaaanz weit draußen. Ohmeiohmeiohmei...

    • @APO Pluto:

      Richtig, Gewerkschaften sind Interessenvertreter. Aber welcher Arbeiter sollte ein Interesse daran haben, sich und seine Lieben umzubringen mit seiner Arbeit?

      Auch, wenn und die Bosse uns gerne was anderes erzählen: Wir Menschen arbeiten um zu (über-)leben, nicht für den Profit wildfremder Leute. Und ob man verhungert oder erstickt, bleibt sich fast gleich. Nur, dass man Essen immer noch leichter selbst herstellen kann in einer halbwegs intakten Umwelt, als Sauerstoff und Trinkwasser.

  • Na also! So könnte das nun was werden - und so wird das auch!: Die Gewerkschaft Ver.di steigt also ein - und die IG Metall muß sich das noch ein bisserl überlegen und sortieren. Das ist bei denen nichts aufregend Neues, das sind die 'stahlharten' Jungs, die brauchten immer noch ein Weilchen länger für'n Ölwechsel und Abschmieren der Gelenke. Mal sehn...



    Und, aufgepaßt?: Jetzt ist auch der Ton plötzlich realistischer geworden. Nun ist von der "Demo" die Rede und nicht mehr vom "Generalstreik", wie noch in der Sonntags-Ausgabe der taz. Das alte Spiel: Wer genug in der Hose hat, der braucht auch nicht auf dicke Hose zu machen, der macht halt mal - wenn er mal was macht... Mal sehn!...



    Hat sich also nun die fast hysterisch anmutende Debatte im taz-Forum vom Sonntag gelohnt? Da sind ja Angstphantasien von "Wasserwerfern, Polizeiknüppeln und Straßenschlachten wie beim G20-Gipfel in Hamburg" herauf beschworen worden... Ach Du meine Güte!!! Das war Realsatire vom Feinsten. Für sowas muß man sonst Eintritt bezahlen.



    Alsdann: Hat nun noch jemand Angst davor dass die Ver.di wütend marodierende Krankenschwestern oder wildgewordene Kanalarbeiter auf die Bahn schickt? Glaubt jemand an von Berufsfeuerwehrlern angezündete Barrikaden?



    [...]



    Ich denke, mit etwas weniger Aufgeregtheit und deutlich mehr Sinn für die Realitäten kriegen wir einen Aktionstag hin an den sich die Republik auch noch nach vielen Jahren erinnern wird - und zwar im positiven Sinne.



    Jaja, die Welt wird untergehn - aber noch nicht am 20.9.19. Das "große Abräumen" wird vorerst noch vertagt. Das sagt Euch heute der Kaffeesatz eines Teetrinkers.

    [...] Beitrag gekürzt. Bitte beachten Sie die Netiquette. Vielen Dank! Die Moderation