Linken-Vorsitzende über Europawahl: „Ein Warnsignal an uns“
Katja Kipping analysiert das maue Abschneiden ihrer Partei. Sie strebt eine Urwahl für Rot-Rot-Grün an und wirbt für eine Neuausrichtung.
taz: Frau Kipping, sind Sie grün vor Neid?
Katja Kipping: Es geht doch nichts über ein gutes Wortspiel. In der Tat muss man sagen: Diese EU-Wahlen sind ein Warnsignal an uns.
Für die Grünen ist es das beste, für die Linke das schlechteste bundesweite Wahlergebnis seit Parteigründung. Woran lag das?
Wenn unsere Funktion nicht klar ist, stagnieren oder verlieren wir. Bei der Bremer Landtagswahl haben wir ausgestrahlt, dass wir bereit sind, unser Programm auch in einer Landesregierung umzusetzen. Und konnten zulegen.
Regierungsparteien haben bei dieser Wahl aber verloren. Die Opposition konnte zulegen, außer eben die Linke, die 100.000 Wähler verlor. Lag es am Personal oder an den Themen?
Unsere Spitzenleute haben einen tollen Job gemacht.
Wirklich?
Ja. Diese Wahl war eine Klimawahl. Wir sind da eigentlich gut aufgestellt und machen immer wieder klar: Klimaschutz heißt auch Konzernkritik. Aber das prägt eben noch nicht unser Image. Da müssen wir liefern.
Der Wahlkampf der Linken war so uninspiriert. Es fehlte auch ein klares Bekenntnis zur Seenotrettung oder zu unteilbarer Solidarität. War die Linke zu feige, weil man die Debatten der Vergangenheit fürchtete?
Nein. Wir haben das Thema Seenotrettung gesetzt und sogar einen eigenen Konvent dazu organisiert. Aber vielleicht ist unser Image noch zu sehr geprägt von den Auseinandersetzungen der Vergangenheit.
Sie meinen die von Sahra Wagenknecht angestoßenen Debatten zur Migrationspolitik. Soll Frau Wagenknecht jetzt schuld sein am miesen Wahlergebnis der Linken?
Es geht überhaupt nicht um Schuldfragen.
Katja Kipping, 41, führt die Linke seit 2012 mit Bernd Riexinger. Die Satzung empfiehlt eine maximal achtjährige Amtszeit.
Sondern?
Darum, wie wir uns für künftige Wahlen aufstellen. Ich werbe für eine Neuausrichtung. Wir müssen Klima und soziale Gerechtigkeit noch stärker zusammendenken. Ich habe im Parteivorstand heute einen Fahrplan und eine Demokratisierungsoffensive vorgeschlagen. Denn die Entscheidung, ob die Linke Teil einer Linksregierung werden soll, muss von unserer Partei in ihrer Breite und letztlich auch durch eine Urwahl beschlossen werden.
Der Außenpolitiker Stefan Liebich meint, das Wahlergebnis sei die Quittung für die machtpolitischen Auseinandersetzungen. Es sei Zeit für einen Neustart. Ziehen Sie persönliche Konsequenzen?
Ich finde, alle sollten in sich gehen. Ich konzentriere mich jetzt auf die Aufgabe, für neue linke Mehrheiten zu kämpfen, und zwar in meiner Funktion als Parteivorsitzende.
Sie möchten also nicht Wagenknechts Nachfolgerin werden?
Jetzt im Sommer kandidiere ich nicht für den Fraktionsvorsitz. Ich wünsche mir, dass sich die Fraktion auf eine Doppelspitze und ein Verfahren einigt, welche von allen Beteiligten breit getragen werden.
2020 wird auch die Parteispitze neu gewählt. Treten Sie an?
Ich habe noch viel in dieser Partei vor. In welcher Funktion auch immer.
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