piwik no script img

Linken-Vorsitzende über Europawahl„Ein Warnsignal an uns“

Katja Kipping analysiert das maue Abschneiden ihrer Partei. Sie strebt eine Urwahl für Rot-Rot-Grün an und wirbt für eine Neuausrichtung.

„Diese EU-Wahlen sind ein Warnsignal an uns“, sagt Katja Kipping Foto: dpa
Anna Lehmann
Interview von Anna Lehmann

taz: Frau Kipping, sind Sie grün vor Neid?

Katja Kipping: Es geht doch nichts über ein gutes Wortspiel. In der Tat muss man sagen: Diese EU-Wahlen sind ein Warnsignal an uns.

Für die Grünen ist es das beste, für die Linke das schlechteste bundesweite Wahlergebnis seit Parteigründung. Woran lag das?

Wenn unsere Funktion nicht klar ist, stagnieren oder verlieren wir. Bei der Bremer Landtagswahl haben wir ausgestrahlt, dass wir bereit sind, unser Programm auch in einer Landesregierung umzusetzen. Und konnten zulegen.

Regierungsparteien haben bei dieser Wahl aber verloren. Die Opposition konnte zulegen, außer eben die Linke, die 100.000 Wähler verlor. Lag es am Personal oder an den Themen?

Unsere Spitzenleute haben einen tollen Job gemacht.

Wirklich?

Ja. Diese Wahl war eine Klimawahl. Wir sind da eigentlich gut aufgestellt und machen immer wieder klar: Klima­schutz heißt auch Konzern­kritik. Aber das prägt eben noch nicht unser Image. Da müssen wir liefern.

Der Wahlkampf der Linken war so uninspiriert. Es fehlte auch ein klares Bekenntnis zur Seenotrettung oder zu unteilbarer Solidarität. War die Linke zu feige, weil man die Debatten der Vergangenheit fürchtete?

Nein. Wir haben das Thema Seenotrettung gesetzt und sogar einen eigenen Konvent dazu organisiert. Aber vielleicht ist unser Image noch zu sehr geprägt von den Auseinandersetzungen der Vergangenheit.

Sie meinen die von Sahra Wagenknecht angestoßenen Debatten zur Migrationspolitik. Soll Frau Wagenknecht jetzt schuld sein am miesen Wahlergebnis der Linken?

Es geht überhaupt nicht um Schuldfragen.

Im Interview: Katja Kipping

Katja Kipping, 41, führt die Linke seit 2012 mit Bernd Riexinger. Die Satzung empfiehlt eine maximal achtjährige Amtszeit.

Sondern?

Darum, wie wir uns für künftige Wahlen aufstellen. Ich werbe für eine Neuausrichtung. Wir müssen Klima und soziale Gerechtigkeit noch stärker zusammendenken. Ich habe im Parteivorstand heute einen Fahrplan und eine Demokratisierungsoffensive vorgeschlagen. Denn die Entscheidung, ob die Linke Teil einer Linksregierung werden soll, muss von unserer Partei in ihrer Breite und letztlich auch durch eine Urwahl beschlossen werden.

Der Außenpolitiker Stefan Liebich meint, das Wahlergebnis sei die Quittung für die machtpolitischen Auseinandersetzungen. Es sei Zeit für einen Neustart. Ziehen Sie persönliche Konsequenzen?

Ich finde, alle sollten in sich gehen. Ich konzentriere mich jetzt auf die Aufgabe, für neue linke Mehrheiten zu kämpfen, und zwar in meiner Funktion als Parteivorsitzende.

Sie möchten also nicht Wagenknechts Nachfolgerin werden?

Jetzt im Sommer kandidiere ich nicht für den Fraktionsvorsitz. Ich wünsche mir, dass sich die Fraktion auf eine Doppelspitze und ein Verfahren einigt, welche von allen Beteiligten breit getragen werden.

2020 wird auch die Parteispitze neu gewählt. Treten Sie an?

Ich habe noch viel in dieser Partei vor. In welcher Funktion auch immer.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Dabei böte der Niedergang der großen Parteien beste Bedingungen, sich zu profilieren. Stattdessen stagniert die LINKE von kommunal bis kontinental, vielerorts verliert sie. Das hat mit internen Auseinandersetzungen über die Aufstehen-Bewegung und über die Migrationspolitik zu tun, mit Differenzen in der Bewertung der EU, mit linken Konkurrenzkandidaturen, auch mit einer internationalen Krise der Linken in Zeiten einer rechtspopulistischen Offensive.

    Vor allem aber: Der Linkspartei ist es über ihre treue Anhängerschaft hinaus nicht gelungen, das Gefühl zu vermitteln, dass sie einen relevanten Beitrag zur Lösung dringender Zukunftsfragen leisten kann. Vom Status einer linken Volkspartei im Osten Deutschlands hat sie sich stellenweise weit entfernt, sie steht eher am Rande der politischen Auseinandersetzungen. Die gesellschaftliche Frontlinie verläuft derzeit für viele Menschen zwischen Grünen und AfD. Da ist es ein sehr weiter Weg hin zu jenen neuen linken Mehrheiten, um die LINKE-Chefin Katja Kipping jetzt kämpfen will.

    Quelle : www.neues-deutschl...wahl-am-rande.html

    • @Mr. Fawkes:

      Parallel zur Europawahl fand in Hamburg diesmal auch wieder die Wahl zur Bezirksversammlung statt. Da, wo die Linke ganz praktisch vor Ort in den Bezirken vertreten und aktiv ist, hat sie auch diesmal zulegen können. In manchen Bezirken ist die Linke sogar drittstärkste Kraft und es gibt zahlreiche Direktmandate. Von einer Stagnation kann deshalb - zumindest auf kommunaler Ebene - keine Rede sein.

      www.wahlen-hamburg...t=1&typ=3&stimme=1

  • Frau Lehman wäre nicht die alte Wagenknecht-Basherin, wenn sie nicht versucht hätte, die miesen Ergebnisse für Die Linke Sahra Wagenknecht an die Backe zu schmieren. Schön für Katja Kipping. Die kann jetzt ungestört mit ihrem Parteibürokraten Riexinger dafür sorgen, dass auch die Linke thematisch dem Mainstream folgt und dabei langsam aber sicher abstürzt.

    Wir brauchen dringend eine wirklich linke Partei und keine halbgrüne Hipsterbewegung. Genau wie die SPD hat nun auch Die Linke keine SpitzenvertreterInnen mehr, die linke Themen repräsentieren.

  • Die Verluste der Linkspartei bei der Europawahl sind sicher auch darauf zurückzuführen, dass Sahra Wagenknecht sich nach endlosen unsachlichen und unproduktiven inner- und ausserparteilichen Anwürfen gegen ihre Person schließlich zurückgezogen hat. Das hat es der Konkurrenz allzu leicht und der Linkspartei unnötig schwer gemacht.

    • @Rainer B.:

      Genau aus diesem Grund habe ich diesmal von der Wahl der Linken abgesehen.

  • Energiewende, Klimarettung --> Konzernkritik!



    Die Linke hat soweit ich das im Wahlprogramm verstanden habe dazu gesagt:



    Energieversorgung in öffentliche und genossenschaftliche Hand.



    Europaweiter Kohle- und Atomausstieg



    Gegen Stromsperren für einkommensschwache Haushalte



    Investition in Erneuerbare



    Regionalisierung.

    Ich habe da nur gegähnt und einem Greta-Bild zugeprostet.

    Übrigens: Energiekonzerne haben mit die höchsten Gehaltsniveaus aller deutschen Wirtschaftszweige. Wäre gespannt was da deren Mitarbeiter sagen ,wenn es da zu "Handlungen" der Linken kommt, beim Thema Vergenossenschaftlichung, Atomausstieg und Kohlestopp.



    Solange sich die Linke nicht endlich zu den einzelnen Themen sortiert...naja, die Grünen sagen danke; sind mir eh sypmathischer.

  • „Wir müssen Klima und soziale Gerechtigkeit noch stärker zusammendenken.“

    Genau da ist das Problem: man will alles gleichzeitig, also Umweltschutz ohne dass breite Kreise für Mobilität, Junk Food oder Elektrizität mehr bezahlen müssen, bei gleichzeitiger Öffnung aller Grenzen für jeden und dem Verbot von Indianerkostümen für Kinder an Fasching. Polemik off ;-)

    Im Ernst: seid doch so ehrlich, dass es in der Politik Zielkonflikte gibt und man das Fell des Bären nicht waschen kann ohne ihn nass zu machen. Dann klappts auch wieder mit den Wählern.