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Geplantes „Strukturstärkungsgesetz“Geldregen für Kohlereviere

Tausende Ersatzjobs und 40 Milliarden Euro. Das verspricht die Bundesregierung, um den Ausstieg aus der Braunkohle bis 2038 abzufedern.

Durch die Flutung des ehemaligen Braunkohletagesbaus Cottbus-Nord soll der „Ostsee“ entstehen Foto: dpa

Berlin taz | Tausende neuer Jobs sollen als Ersatz für die Braunkohleindustrie entstehen. Darauf haben sich Bund und Länder in Eckpunkten für ein „Strukturstärkungsgesetz“ geeinigt. „Ziel der Bundesregierung ist der Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen in strukturschwachen und vom Strukturwandel betroffenen Regionen im Umfang von 5.000 Arbeitsplätzen innerhalb von zehn Jahren“, heißt es in dem Papier, das der taz vorliegt.

Das geplante Gesetz ist Teil des avisierten Ausstiegs aus der Förderung und Verstromung von Braun- und Steinkohle. Der Bund verspricht, bis zum Enddatum 2038 rund 40 Milliarden Euro aufzubringen, damit die drei Braunkohleregionen Lausitz, mitteldeutsches und rheinisches Revier nicht verarmen.

Die Eckpunkte, über die noch verhandelt wird, soll das Bundeskabinett vor der Sommerpause beschließen. Bis Jahresende 2019 soll ein weiteres Gesetz folgen, das den Zeitplan für die Stilllegung der Tagebaue und Kraftwerke enthält.

Das alles ist umstritten und kompliziert. In die Eckpunkte hat Bayern jetzt beispielsweise hineinverhandelt, dass die Bundesregierung die Voraussetzungen für den Bau neuer Gaskraftwerke in Süddeutschland verbessert. Sonst werde der Strom knapp, fürchtet die Landesregierung in München.

„Wann das umgesetzt wird, steht in den Sternen“

Grünen-Energiepolitiker Oliver Krischer dauert das alles zu lange: „Ein Gesetz zum Strukturwandel in den Revieren sollte bis Ende April vorliegen, stattdessen gibt es im Mai erste Eckpunkte. Wann das wirklich umgesetzt wird, steht in den Sternen.“

Das Geld – bis 2038 jährlich etwa 2 Milliarden – soll zu 43 Prozent in die brandenburgische und sächsische Lausitz fließen. Diese Region ist besonders abhängig von der Braunkohle. Rund 8.000 gut bezahlte Beschäftigte holen dort noch den braunen Brennstoff aus der Erde und halten die Kraftwerke am Laufen. 37 Prozent der Mittel gehen an das rheinische Revier und 20 Prozent an die Gegend bei Helmstedt. Die Bundesförderung sollen die betroffenen Länder mit etwa zehn Prozent eigenen Geldes aufstocken.

Die Eckpunkte enthalten umfangreiche Listen möglicher Investitionen. So geht es darum, in Cottbus und der Lausitz zusätzliche Arbeitsplätze in Forschung und Verwaltung zu schaffen. Hier sollen neue Fraunhofer-Institute und Einrichtungen der Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) entstehen. Geplant ist auch ein „Lausitzer Zentrum für Künstliche Intelligenz“. In Nordrhein-Westfalen wird unter anderem der Wissenschaftsstandort Jülich ausgebaut. Die Region soll sich künftig mit dem Thema Mobilitität hervortun.

Hinzu kommen zahlreiche Verkehrsprojekte für den Ausbau von Straßen und Schienen. Vieles, was die Bürgermeister und Landesregierungen schon immer wünschten, wird möglich. Leipzig kann sich auf eine neue „Veranstaltungs- und Wettkampfstätte für internationale Großereignisse“ freuen. Modernste Netze der Datenkommunikation werden ebenfalls versprochen.

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10 Kommentare

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  • Eine Entschaedigung fuer die Eigentuemer der BKWs und KKWs ist nicht noetig da die meisten ohnehin geschlossen werden (etwa 600 Anlagen):

    bizz-energy.com/ko..._eu#comment-113970

    www.l-iz.de/Toppos...noch-dicker-259408

  • Also bei 8000 Arbeitsplätzen und 40 Mrd. € komm ich auf 5 Millionen pro Person. Ich denke damit währe die Zukunft der Kohlekumpel auch ohne Strukturwandel gesichert.

    • @Jesus:

      Die 8000 Arbeitsplätze in Brandenburg/Lausitz entsprechen aber nur 43% der insgesamt betroffenen Stellen für die 40 Mrd. vorgesehen sind. Insgesamt wären es demnach in allen Revieren ca. 18.600 Arbeitsplätze.

    • @Jesus:

      Das Problem jeder Struktur sind nicht nur die Arbeitsplätze selber und die daran liegenden Investitionen (3-4-fache Verdienst),



      sondern auch 1. die notwendige Infrastruktur mitsamt 2. Bildungsperspektive/Wirtschaftsperspektive.

      Bei 2 bin ich äußerst skeptisch, ob es langfristig positive Entwicklungen dahingehend gibt, wenn die Infrastrukturanbindung immer noch so beschissen in den Osten bleibt.



      (heißt nicht in die Großstädte, sondern Bahn und Autobahn, ohne die keine Firma da hin will)

  • Erst mal nix gibt es in Irland.



    Die Ministerien muessen schauen wie sie zu Recht kommen:

    www.irishtimes.com...ate-plan-1.3896164

    Im Unterschied zu D hat Irland den Klimanotstand anerkannt:

    www.tagesschau.de/...ma-irland-101.html

  • Wenn eine neue Subvention fuer Gaskraftwerke (fossiles Erdgas?) hinzukommt und dir Betreiber womoeglich Bestandsgarantien bis zu den geplanten Aussteigesterminen erhalten, dann sollte man das ganze Ausstiegsgesetz gemaess Kohlekommission lieber abblasen und auf die Wirkung des Emissionshandels hoffen und auf eine CO2-Besteuerung hinwirken.

  • Die ganzen Zahlen machen doch weder vorne noch hinten Sinn.



    Die BRD wird die gesetzten und notwendigen Klimaschutzziele komplett verfehlen. Für eine Begrenzung (nicht Vermeidung) des Klimawandels wäre es notwendig die Emissionen in weniger als 10 Jahren massiv(!) zu reduzieren und beschlossen wird in Ausstieg in 20 Jahren. Offenbar ist es nicht möglich der Industrie zuzumuten wozu Politik da ist und zu akzeptieren dass Investitionsschutz kein Argument gegen jedwede demokratisch legitimierte, politische Einflussnahme sein kann. Man sollte doch meinen, dass ein Zeitraum von vielleicht fünf Jahren ausreichend sein müsste um den betroffenen Kohlekumpels eine berufliche Neuorientierung, gern auch mit öffentlicher Förderung, zu ermöglichen und gleichzeitig die Braunkohleverstromung durch Maßnahmen wie adäquater Emissionsbepreisung und Förderung ökologischer Alternativen ökonomisch so unattraktiv zu machen, dass der Ausstieg durch die Konzerne dann auch "freiwillig" vollzogen wird.



    Aber so entsprechen etwa die 43% die nach Brandenburg/Lausitz fließen mehr als 2 Mio. € für jeden betroffenen Arbeitsplatz und mehr als 100.000€ je Kopf und Jahr! Selbst wenn die damit teuer erkaufte Strukturförderung, anders als bei so vielen wirkungslos verpufften Aufbau-Ost-Förderprojekten, greifen sollte ist es doch mehr als unwahrscheinlich, dass einer nennenswerten Zahl der Kohlearbeiter*innen der Schritt ins AI-Research am Fraunhofer-Institut gelingen wird.

    • @Ingo Bernable:

      600 Stinker muessen binnen 2 Jahren schliessen, Deutschland kann sehr wohl die Klimaschutzziele ohne Kosten erreichen:

      bizz-energy.com/ko..._eu#comment-113970

      Gibt es kein Lex Diesel in Sachen Kohle (EU-widrige Erhoehung der Grenzwerte) dann ist fuer die Schliessung der BKWs und KKWs keine Entschaedigungszahlung noetig.



      Schade das die Presse im allg und die Taz insbesonders das Thema nicht publik macht.

  • 0G
    05654 (Profil gelöscht)

    40 Mrd. um eine ´sterbende Industrie´weiter am Laufen zu halten die an Mensch & Natur NUR Defizite produziert ?.. & Wird ein Cent für Umschulungen der Kumpels & Belegschaft ausgegeben damit sie eine besserbezahlte Arbeit finden - Nö ne ?!.. Ist meiner Meinung nach komplett durch den Schornstein gejagtes Geld !.. Steuerzahler hats ja ...

  • 40 Mrd. erscheint angesichts der Ergebnisse der Kohlekommission noch recht knapp bemessen. Das darf wohl eher als Ausgangspunkt für Verhandlungen gesehen werden. So billig wird der Hambacher Forst nicht zu haben sein.