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Anti-Kohle-Aktivistin verurteiltDrei Wochen Arrest für „Eule“

In der Berufung wird die Hambacher-Forst-Aktivistin „Eule“ zu drei Wochen Dauerarrest verurteilt. Das ist weniger als die ursprüngliche Haftstrafe.

Wurde als letzte aus den Bäumen geholt: Die Aktivistin „Eule“ Foto: dpa

Berlin taz | Die Hambacher-Forst-Aktivistin „Eule“ muss doch nicht ins Gefängnis. In zweiter Instanz verurteilte das Landgericht Köln die 19-Jährige am Dienstag zu drei Wochen Dauerarrest. Durch eine vorangegangene Untersuchungshaft gilt diese aber bereits als abgesessen. Damit fällt das Urteil gegenüber der ersten Instanz vor dem Amtsgericht Kerpen milder aus.

Die letzte Baumhausbesetzerin im Hambacher Wald wurde am 26. September aus dem Protestcamp der Anti-Braunkohle-Aktivisten getragen. Als eine Gruppe Beamter „Eule“ aus ihrer Hängematte vom Gelände schaffen wollte, trat sie einer Polizistin beinahe ins Gesicht. „Wenn sie getroffen hätte, wäre auf jeden Fall etwas kaputtgegangen“, begründete die 24-jährige Beamtin ihre Anklage. In erster Instanz verhängte das Amtsgericht Kerpen eine neunmonatige Haftstrafe, ausdrücklich ohne Bewährung. Es solle ein Signal für den Rechtsstaat gesendet werden, begründete der Richter das Urteil. „Eule“ habe bewusst versucht, Beamte zu verletzen, zudem sei „kein rechtschaffener Lebenswandel zu erwarten“.

Dagegen hatte die Verteidigung Berufung eingelegt. Rechtsanwalt Christian Mertens argumentierte unter anderem, es gebe kaum Bild- oder Videomaterial, das die Aussage der Polizistin stützt. Die mutmaßliche versuchte Körperverletzung ließe sich nur schwer rekonstruieren, zu dem Zeitpunkt sei „Eule“ von fünf Beamten auf dem Boden festgehalten worden. Zusätzlich habe es keine Ankündigung der PolizistInnen gegeben, die einen Eingriff oder eine Räumung vorbereitet hätte.

Vor dem Landgericht Köln hatte die Verteidigung auf Freispruch plädiert, die Staatsanwaltschaft forderte ein Jahr Gefängnis. Das Gericht urteilte nun nach dem Jugendstrafrecht deutlich milder als das Amtsgericht Kerpen. „Eule“ wurde wegen tätlichen Angriffs auf Polizeibeamte, versuchter gefährlicher Körperverletzung sowie Widerstands schuldig gesprochen. Das Gericht verhängte drei Wochen Dauer­arrest und 40 Stunden soziale Arbeit. Der Arrest wird „Eule“ aber erspart, da sie sechs ­Monate in Untersuchungshaft verbrachte. Grund dafür war ihre lange ungeklärte Identität. Den Behörden war sie zunächst nur als „UP 8 aus Aachen“ vermerkt, „UP“ für „Unbekannte Person“. Erst zu Prozessbeginn vor dem Landgericht Köln konnten ihre Personalien mithilfe einer Melderegisterabfrage ermittelt werden.

In einem ähnlichen Prozess fiel im letzten Jahr das Urteil gegen die Aktivistin „UP 3“ in zweiter Instanz ebenfalls milder aus. Die Verurteilung eines jungen, nicht vorbestraften Menschen sei außergewöhnlich, sagte damals der Vorsitzende Richter der Berufungskammer, Thomas Beenken.

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8 Kommentare

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  • Super, dass sie raus kann! Kriegt sie wenigstens Schadensersatz aufgrund der über die 3 Wochen und 40 Stunden hinaus gehende Einkastung? Damit ziele ich auf den vorherrschenden Justizrahmen ab, möchte aber weder sagen, dass die Verurteilung legitim wäre noch das Knastzeit in Geld umgemünst werden könnte.

  • sorry, aber der artikel ist nicht nur ein bisschen ungenau.



    die letzte besetzer*in wurde mitnichten am 26. geräumt. es kamen nun wirklich noch ne menge danach, zumal die räumung noch fast eine woche weiter ging...



    auch müssen die menschen auf den tripods in der regel als ERSTE geräumt werden, um an die baumhäuser zu kommen, die sie schützen.

    ich hoffe, der bericht verhandlung und urteil beinhaltet weniger fehler :-/

  • www.nzz.ch/panoram...stellen-ld.1485045



    "Der Deutsche Richterbund sprach sich am Montag dafür aus, die Weisungsbefugnis der Justizminister an Staatsanwälte abzuschaffen."



    Das hat mich umgehauen, dass ein nur gewählter, nicht juristisch ausgebildeter Minister (vom Bund oder vom Land) sozusagen die Gewaltenteilung so "michnich – dichnich" aufheben|aushebeln kann!!



    😡 🤢 😡 🤢 😡 Hammer!



    Das ist dann politisch motivierte Gesinnungsjustiz! 😡 🤢 😡 🤢 😡 Rechtsstaat? Echt jetzt?! Siehe "Justizverwaltung und Gewaltenteilung" unter:



    de.wikipedia.org/wiki/Justizministerium



    Ich bin immer noch völlig platt.







    Glückwunsch an "Eule", dass es einigermaßen "glimpflich" ausgegangen ist… 💐 🌷 🌹 🌻 🌼 🌸 🌺

    • @Frau Kirschgrün:

      Wie man auch zur Weisungsbefugnis stehen mag (die halte ich auch nicht für sinnvoll), es ist doch ein bisschen zu weit hergeholt, von der Aushebelung der Gewaltenteilung zu sprechen.

      Der Minister ist ebenso wie der Staatsanwalt Teil der Exekutive. Am Ende entscheidet die Judikative, also der Richter, und dem gegenüber ist der Justizminister nicht weisungsbefugt.

      Ob ein Urteil dann politisch motiviert ist oder nicht, ist natürlich eine andere Frage, nur hat das erstmal nichts mit der Weisungsbefugnis zu tun.

  • Jawie - Sich jegen Polizei-gewalt & -willkür wehren ?.. Nö - Dat jehn nüscht !..

    Wat - Sind schon Journalistenkollegen bei den Polizeieinsätzen jestorben da ?.. Achpfffhhh Naund !..

    hambacherforst.org...VHDNI6XcAE24vB.jpg

    • @Mr. XY:

      Zur deutschen "Justiz" gibt es ein interessantes Urteil des Europäischen Gerichtshofes. Als Reaktion schlägt der Deutsche Richterbund (!) vor, wir sollten mal überlegen, für die deutsche Justiz europäische Mindeststandards ein zu führen. (Quelle: www.nzz.ch/panoram...tellen-ld.1485045)

      • @Peter_:

        Unter diesem Link ist der Artikel nicht zu finden

        • @MC:

          Link anklicken, dann in Browserzeile die letzte Klammer der Adresse entfernen – und: funzt.