Folgen des hohen CO2-Preises: Kohlestrom immer weniger gefragt
So langsam tut sich was: Deutschland verstromt weniger Kohle. Dafür haben Gaskraftwerke wieder eine Chance – und die Erneuerbaren sowieso.
Sowohl die Stein- als auch die Braunkohlekraftwerke erzeugten von März bis Mai so wenig Strom wie nie zuvor in einem Monat im gesamten bisherigen Jahrzehnt. So wurde zeitweise mehr Strom aus Erneuerbaren erzeugt als aus fossilen Quellen.
Im März hatten sie bei den Kraftwerken der öffentlichen Stromversorgung einen Anteil von 54,7 Prozent. Im Gesamtjahr liegt er bisher bei 47 Prozent.
Der Absturz der Kohle hat mehrere Gründe. So legte der Windstrom im bisherigen Jahresverlauf gegenüber dem Vorjahr um fast 19 Prozent zu – wegen der guten Windverhältnisse, aber auch weil weitere Anlagen entstanden.
Die Exportbilanz ist nicht mehr so einseitig
Auch im europäischen Stromhandel haben sich die Relationen verschoben: Deutschlands Kohlekraftwerke haben in den letzten Wochen immer weniger Strom für die Nachbarländer produziert. Im Mai kam Deutschland erstmals seit 2014 wieder auf eine weitgehend ausgeglichene Bilanz beim Stromexport.
Die Entwicklung ist durchaus markant, denn zuletzt hatte Deutschland stets enorme Exportüberschüsse erzielt; in manchen Monaten gingen Strommengen ins Ausland, die etwa der Erzeugung aller deutschen Atomkraftwerke oder auch der Steinkohlekraftwerke entsprachen. So flossen allein im Januar noch sieben Milliarden Kilowattstunden aus Deutschland ins Ausland. In den ersten vier Monaten belief sich der Saldo auf 20 Milliarden.
Plötzlich aber scheint das Ausland kein Interesse mehr am deutschen Kohlestrom zu haben. Einer der Gründe ist der gestiegene CO2-Preis im Emissionshandel. Zwischen 24 und 27 Euro pro Tonne wurden in den letzten Wochen fällig, im Frühjahr 2018 lag der Preis noch bei der Hälfte. Da Kohlekraftwerke pro Kilowattstunde deutlich mehr CO2 erzeugen als Gaskraftwerke, verschiebt ein steigender Preis die Relationen zugunsten des Erdgases. Die Entwicklung bestätigt, was Ökonomen in der Vergangenheit immer wieder betont hatten: Bei Preisen zwischen 20 und 30 Euro pro Tonne CO2 setzt eine erste spürbare Verlagerung von Kohle zu Gas ein.
CO2-Emissionen der Stromwirtschaft
Das zeigt sich nun speziell an der Grenze zu den Niederlanden, die über große Kapazitäten an Gaskraftwerken verfügen. In manchen Monaten der letzten Jahre bezogen die Niederlande mehr als zwei Milliarden Kilowattstunden aus Deutschland, weil der deutsche Kohlestrom günstiger war als der eigene Strom aus Erdgas. Das wendet sich nun, im Mai blieb nur noch ein geringer Stromexportüberschuss in die Niederlande.
Neben dem CO2-Preis tragen auch die Gaspreise zu der Entwicklung bei. Am Spotmarkt ist Erdgas in den letzten Wochen spürbar billiger geworden, weil die Speicher nach dem milden Winter erheblich voller sind als sonst zum Beginn des Sommers. Im Frühjahr erzeugten deutsche Gaskraftwerke daher deutlich mehr Strom als im Vorjahreszeitraum, in diesem Jahr liegt das Erdgas bislang 10 Prozent im Plus. Die CO2-Emissionen der deutschen Stromwirtschaft waren damit bis Ende Mai 16 Prozent niedriger als im gleichen Zeitraum 2018.
Zwei Dinge zeigt diese Entwicklung: erstens die Wirksamkeit der CO2-Bepreisung, die den Markt bereits bei sehr bescheidenen Tonnage-Preisen in Richtung klimafreundlicherer Brennstoffe verschiebt.
Und zweitens könnte die jüngste Entwicklung helfen, die Debatte über Stromexporte zu versachlichen. Denn sie zeigt: Wenn ein Land Strom importiert, heißt das noch lange nicht, dass es den Strom nicht selbst erzeugen kann. Wenn es exportiert, heißt es genauso wenig, dass es den Strom nicht selbst verbrauchen kann. Import- und Exportmengen sind vor allem durch die Strombörsen getrieben. Und die hängen eben an vielen Faktoren.
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