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Berliner GrüneLompscher aufs Dach gestiegen

Landesparteitag der Grünen fordert Solaranlage auf jedem Neubau in Berlin und kritisiert, dass das beim Schulneubau nicht passiert.

Mehr Solardächer: Auf Berlins Plattenbauten wie hier in Lichtenberg wäre ebenfalls viel Platz dafür Foto: dpa

Bausenatorin Katrin Lompscher von der Linkspartei ist nun auch beim zweiten Koalitionspartner in der Kritik. Nachdem die SPD ihr vorwirft, sie lasse zu wenig und zu langsam bauen, sehen die Grünen bei ihr eine Blockadehaltung für Solardächer beim milliardenschweren Schulneubau. Aus Sicht der Grünen soll möglichst auf jedes Berliner Dach eine Solaranlage, für Neubauten soll das gesetzlich vorgeschrieben sein. Einen solchen Antrag hat die Partei am Wochenende beschlossen.

Es ist ein Samstagvormittag ganz im Sinne der Grünen. Der Himmel über dem Tagungsort in Kreuzberg ist blau, und die Sonne strahlt wie bestellt für den Titel des Solar-Leitantrags des Parteivorstands: „Berliner Sonne – die Energie der Zukunft“. Man schwelgt zudem im wohligen Gefühl eines seit sechs Jahren nicht mehr erlebten Umfragehochs. 25 Prozent geben die jüngsten Zahlen des Meinungsforschungsinstituts Forsa den Berliner Grünen: Das sind 3 über dem Wert vom Vormonat und 10 mehr als die auf 15 Prozent abgesackte SPD.

Richtig erklären können das die Grünen bei einzelnen Nachfragen selber nicht, standen doch in den vergangenen Wochen eher die SPD mit ihrem Mietendeckel und die Linkspartei mit ihrer positiven Haltung zu Enteignung im Vordergrund. Zum Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“, das parallel ab diesem Samstagvormittag Unterschriften sammelt (siehe Seite 21), will sich die Partei erst später festlegen, möglicherweise auf einem Kleinen Parteitag Mitte Mai. Landeschefin Nina Stahr streift in ihrer Eingangsrede kurz das Thema: Man werde das Mietenproblem „nicht lösen, wenn wir nur die Deutsche Wohnen enteignen, wir brauchen ein großes Maßnahmenbündel“.

Selbstbestimmtes Leben für alle

Stahr hat für einen Moment Irritationen ausgelöst, als sie in ihren ersten Sätzen von ihrem Lieblingsfußballverein Eintracht Frankfurt erzählt hat und dass der trotz Halbzeitführung immer verliere, wenn sie zuschaue. Will sie etwa zurücktreten, damit das nicht auch der rot-rot-grünen Koalition passiert? Denn auf deren Halbzeitbilanz richtet sich Stahrs Fußballvergleich natürlich. Nein, will sie nicht – sie will bloß zum Ausdruck bringen, dass Spiele in der zweiten Hälfte entschieden würden und damit Kritik begegnen, dass in der ersten Hälfte der Regierungszeit manches liegen geblieben ist.

Grüne wollen Böllerverbot

Silvester Bei ihrem Landesparteitag haben sich die Grünen für ein Böllerverbot ausgesprochen. Da das eine bundesrechtliche Sache sei, soll der Senat eine Bundesratsinitiative dazu starten. Weil man den Berlinern nicht den Spaß am Feuerwerk nehmen wolle, fordern die Grünen „die Einrichtung von mehr professionellem Feuerwerk in der Silvesternacht“. Außerdem verlangen sie eine Kampagne, die über Risiken von Feuerwerkskörpern und rechtliche Grundlagen aufklärt. Als Begründung führt die Partei an, dass zu Silvester immer mehr Menschen in ihren Wohnungen bleiben oder sogar die Stadt verlassen würden, weil sie sich durch das rücksichtslose Böllern auf der Straße nicht mehr sicher fühlten. (sta)

In einem zweiten Leitantrag fordern die Grünen ein selbstbestimmtes Leben für alle und fassen das unter die Aussage Friedrichs des Großen, jeder solle nach seiner Fasson glücklich werden. „Die Frage ist, ob der Alte Fritz, wenn er gewusst hätte, dass die Grünen ihn zitieren, das überhaupt gesagt hätte“, witzelt Fraktionschefin Antje Kapek.

Solardächer gab es zu Zeiten des berühmtesten Preußenkönigs noch nicht, aber die wollen die Grünen nun per Gesetz vorschreiben, wenn ein Neubau entsteht. Bei bestehenden Häusern soll eine Solaranlage dann Pflicht sein, wenn es zu einem Umbau oder einer Sanierung kommt. Die Kosten dafür sollen die Eigentümer aber nicht an die Mieter weiterreichen dürfen.

Der energiepolitische Sprecher der Abgeordnetenhausfraktion, Stefan Taschner, ärgert sich am Rednerpult über Bausenatorin Lompscher: Deren Verwaltung habe er beim Bau der ersten neuen Gebäude im 5,5-Milliarden-Schulbauprogramm gleich nach den Solardächern gefragt. Die Antwort: Nein, die würde es nicht geben – das sei nicht wirtschaftlich. Das ist für Taschner nicht hinnehmbar – man sei sich doch in der Koalition einig gewesen, welches Energiepotenzial in Neubauten stecke. „Schauen Sie sich noch mal Ihre Zahlen an“, spricht Taschner am Mikro die gar nicht anwesende Lompscher direkt an, „setzen Sie sich mit den Experten vom Stadtwerk zusammen und setzen Sie Solardächer auf jede neue Schule!“

Die Schüler machen es selber

Unterstützung dafür gib es von Lompschers Regierungskollegin Ramona Pop, der Wirtschaftssenatorin, die kurz darauf spricht. „Wenn die Senatorin das nicht will: Die Schülerinnen und Schüler machen das selber“, sagt Pop. Die sollten ihre Schulleitungen fragen, warum es noch keine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach gebe.

Für uns Grüne ist jeden Tag ‚Fridays for Future‘

Stefan Tascher, energiepolitischer Sprecher der Grünen

Kurz zuvor hatte ein Vertreterin der Schüler-Klima-Initiative „Fridays for Future“ die Grünen gedrängt, mehr für den Klimaschutz zu tun: „Ihr müsst einfach mal in die Pötte kommen und eure Anträge durchbringen.“ Das sei gar nicht so schwer, sagt die 15-jährige Schülerin – „ich schwänze auch jeden Freitag die Schule, und das ist auch nicht so schwer.“ Scheinbar habe die Partei „es immer noch nicht gecheckt“. Die Grünen hätten Klimaschutz in ihr Wahlprogramm geschrieben, „also will ich, dass ihr es auch durchsetzt“.

Das hat etwas von falschem Ansprechpartner, weil die Grünen innerhalb der rot-rot-grünen Koalition bei Klima- und Umweltschutz die treibende Kraft sind. Und irritiert auch, weil die Rednerin binnen wenigen Minuten geschätzt ein Dutzend Mal „keine Ahnung“ sagt. Applaus gibt es trotzdem, und Energie-Experte Tascher versichert: „Für uns Grüne ist jeden Tag ‚Fridays for Future‘.“

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16 Kommentare

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  • Ich find´s immer wieder lustig, wenn Regierungsparteien Forderungen aufstellen, die sie als Regierungspartei schon längst hätten realisieren können.



    und scheinbar sind die Mieten in Berlin immer noch zu billig, wenn man nach Wegen sucht, das Bauen weiter zu verteuern.

  • Damit Rot-Rot-Grün in Berlin auch weiterhin nach 2021 Fortbestand hat…

    Persönliche Kritik, wie immer wieder gegen Frau Lompscher gerichtet, ist kontraproduktiv und stellt zusätzlich die Regierungsfähigkeit der 3er Koalition in Frage.

    Dabei ist Berlin für viele andere Bundesländer richtungsweisend.

    Es muss auch eine Signalwirkung haben, damit Rot-Rot-Grün auf der Bundesebene möglich wird! Dafür muss man gemeinsame Lösungen auf den Weg bringen, die für die Wende in der Politik bundesweit sorgen könnten! Scheinlösungen und Scheinkritik sind ganz fehl am Platz!

  • Solaranlagen auf Schulen wären höchst profitabel.



    So etwas macht eine Linke Senatorin nicht.

    Die Linke verkauft lieber Wohnungen billig an privat und enteignet sie dann teurer zurück

    • @meerwind7:

      Sonnenenergie kann nicht lange gespeichert werden. Solaranlagen wären ein sehr teures Spielzeug für Mieterinnen und Mieter und eventuell zusätzlich über die EEG Umlage. Dazu gibt es gesetzliche Regelungen.

      Gut das Frau Lompscher aufgepasst hat!

  • Aus Sicht von Mieterinnen und Mieter!

    Solaranlage auf jedem Neubau in Berlin würde das Mietpreisniveau in der Hauptstadt zusätzlich und signifikant erhöhen.

    • @Stefan Mustermann:

      Blödsinn.

      Die Mietpreise richten sich nach Angebot und Nachfrage und haben mit den realen Kosten der Vermieter nichts mehr zu tun.



      Schon eher mit der Zahlungsfähigkeit der verzweifelten Bewohner.

      Übrigens kann man mit Solarstrom durchaus Geld verdienen und das ist um so leichter, wenn die notwendigen Ressourcen bereits im Rohbau vorgesehen werden.

      • @Sonntagssegler:

        Es geht u.a. um Investitionskosten, die auf Mieterinnen und Mieter letztendlich umgelegt werden. Dann gibt es bei Solaranlagen im Vergleich zu herkömlichen Anlagen ein großes Problem, das zur weiteren Verteuerung der Wohnungen führen wird. Im Winter z.B. gibt es viel weniger Sonne.

        • @Stefan Mustermann:

          Beispiel für die Kooperation landeseigener Unternehmen für den Berliner Klimaschutz: Die Stadtwerke finanzieren und bauen, wir pachten und entlasten so, durch den selbst erzeugten und verbrauchten Solarstrom, kostengünstig die Stromnetze.



          berlinerstadtwerke...hr-charlottenburg/

    • @Stefan Mustermann:

      Das klingt ja ganz wie Christian Lindner: "Ökostrom. Ogott, das ist teuer!".

      Fahren Sie vielleicht auch Porsche?

      Tatsache ist: wenn man die auf uns zukommenden Kosten mit einpreist (Wasserspiegel, Dürre, Flucht...), dann ist das wahrscheinlich das grösste Schnäppchen, das wir machen können.

      Und wenn Solaranlagen, dann sicher viel besser als irgendwelche Ackerflächen "da draussen" zuzuknallen.

      Wir müssen *jetzt* anfangen, verdammtnochmal. Wir sind schon spät dran. Was habt Ihr denn alle nicht kapiert?

      Und ja: das Gezerre, wer die Kosten trägt.

      Die MieterInnen alleine können's nicht sein.

      Die VermieterInnen vermutlich auch nicht (obwohl die in Berlin in den letzten zehn Jahren einen unmoralisch hohen Reibach gemacht haben, mit Steigerungen um 4 bis 5 prozent über die Inflation!).

      Das betrifft uns halt alle.

      • @tomás zerolo:

        Sie sprechen Flucht an.

        Vor allem wegen der menschlichen Haltung in Bezug auf Flucht befindet sich die Partei Bündnis 90/Die Grünen hoch in Umfragen. Denn sie wird mindestens einer Analyse zur Folge als ein Gegenpohl zu AfD und CSU seitens der Bevölkerung wahrgenommen.

      • @tomás zerolo:

        "Wir sind schon spät dran. Was habt Ihr denn alle nicht kapiert?"

        Die Ziele der Bundesregierung in Bezug auf die Energiewende sind nicht realistisch. Ja, Energiewende ist sehr wichtig. Da muss man aber bei den wichtigsten Ursachen ansetzen.

        Welche 2 Länder tragen die höchste Schuld für den Klimawandel und ein Land davon will da an klimapolitischen Vereinbarungen nicht festhalten?!

        Es ist vollkommen fehl am Platz, Frau Lompscher zu kritisieren.

        • @Stefan Mustermann:

          Ich kann ja nur Vermutungen darüber anstellen, welche zwei Länder Sie meinen:

          Aha. Wir fangen erst an, wenn der Letzte dieser Nachzügler auch angefangen hat.

          Finde den Fehler.

  • Zitat: Landeschefin Nina Stahr streift in ihrer Eingangsrede kurz das Thema: Man werde das Mietenproblem „nicht lösen, wenn wir nur die Deutsche Wohnen enteignen, wir brauchen ein großes Maßnahmenbündel“.

    Erstens wird das bevorstehende Gesetz nicht nur Deutsche Wohnen betreffen, sondern Unternehmen ab einer bestimmten Größe (z.B. nach Anzahl der Wohnungen). Somit wäre die Enteignung von Deutsche Wohnen &Co(!) eine wichtige Teillösung bzw. ein wichtiger erster (!) Schritt. Und es wird eine hemmende Wirkung haben für Unternehmen, die bei Wohnungskäufen bestimmte Schemen verwenden bzw. Gesetzeslücken ausnutzen, um der Steuerzahlung bei bestimmten Steuern zu entgehen und trotz der Regelung zum Vorzugskauf von Bezirken doch selbst vorzüglich zu weitere Wohnungen zu erwerben.

    • @Stefan Mustermann:

      Klarer Whataboutism oder falscher Artikel.



      Können Sie sich aussuchen.