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„English Rose“ von Connie ConstanceEine nicht-weiße Prinzessin

Sängerin Connie Constance hat ihre eigene Stimme gefunden. Mit der erzählt sie Geschichten, in denen andere sich wiederfinden können.

Ist meistens lässig, in Vieos aber gerne auch mal pompös gestylt: Sängerin Connie Constance Foto: primary talent international

Wenn sich Soulsound gegenwärtig den Vorwurf gefallen lassen muss, zu weichgespült zu klingen, bildet die Musik von Connie Constance eine Antithese. Die Britin pfeift auf Konventionen. Mit ihrem Debütalbum „English Rose“ läuft sie Sturm gegen die Verflachung eines Genres. Sie versucht etwas Neues zu kreieren. Als Kritikerin tut man sich zunächst schwer damit, ihrem ungewöhnlichen Sound einen Begriff zu verpassen.

Die 23-Jährige kombiniert R&B mit flimmernden Synthieflächen, feinsinnigen Beats und Indie-Rock-Elementen. Sie folgt dabei ausschließlich ihrer eigenen Vorstellung. Beim sphärischen „Blooming in Solitude“ landet sie mit ihren Vocals knapp neben dem Sprechgesang des Rap.

Die Zeiten, in denen sie US-R&B-Hits imitierte, sind aber passé: „Irgendwann habe ich angefangen, nah an meiner Sprechhöhe zu singen. So fand ich meine eigene Stimme.“ Abgeguckt hat sich die Tochter einer britischen Mutter und eines jamaikanisch-nigeranischen Vaters diese Technik bei Bands wie The Smiths und The Jam: „Ihre Songs hörte mein Stiefvater.“

Vor allem der Klassiker „English Rose“ von The Jam hat Connie Constance, die eigentlich Constance Power heißt, inspiriert. Sie hat dieses Stück nicht nur als filigrane Pianoballade gecovert, sondern ihr Album danach benannt. Aus gutem Grund. Für die Künstlerin gibt es weit mehr Rosen als nur, wie einst bei The Jam, Prinzessin Diana: „In einer multikulturellen Gesellschaft muss eine englische Rose nicht zwingend hellhäutig sein.“

Das Album

Connie Constance: „English Rose“, AMF Records/Caroline International/Universal

Als Kind fühlte sich Connie Constance oft als Außenseiterin. Sie wuchs in einem Vorort von Watford, nordwestlich von London, auf. Als einzige Dunkelhäutige – in ihrer Familie waren alle weiß. Zu ihrem schwarzen Vater hatte sie keinen Kontakt. Das stürzte sie in eine Identitätskrise. Bis sie als Teenagerin endlich ihre afrikanische Verwandtschaft kennenlernte: „Fortan habe ich akzeptiert, dass ich zwei verschiedene Welten in mir vereine.“

Diese Erfahrungen haben sie auch als Künstlerin geprägt. Für das Video zu ihrem Song „Fast Cars“-Clip holte Connie Constance ihre afrobritischen FreundInnen vor die Kamera. Zu tiefen Bässen und Beats – die Snare setzt Akzente – tummeln sie sich in einem Schlossgarten, gekleidet in Roben im Marie-Antoinette-Stil.

So aufgedonnert ist die zierliche Sängerin normalerweise nicht. Beim Interview trägt sie einen neongelben Hoodie zur beigefarbenen Latzhose. Doch beim Videodreh war es ihr Ziel, mit den royalen Outfits ein Zeichen setzen: „Auch wer nicht weiß ist, kann eine Prinzessin sein.“

Darüber, was es heute heißt, britisch zu sein, philosophiert Connie Constance oft. Zum Beispiel in der Nummer „Bloody British me“. Zu stürmischen Gitarrenriffs zählt sie Klischees auf, die sich nicht gerade nett anhören. In ihren Augen sind die Briten vor allem eins – notorische Nörgler: „Die Leute regen sich permanent über den Brexit oder ihr zu geringes Gehalt auf. Eigentlich tun sie aber kaum etwas dagegen, um ihre missliche Lage zu ändern.“ Tappt sie bisweilen nicht selber in diese Falle? Sie zuckt mit den Schultern: „Ich bemühe mich zumindest, glaubwürdige Geschichten zu erzählen, in denen sich Jugendliche vielleicht wiederfinden können.“

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1 Kommentar

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  • Zitat: „Als Kritikerin tut man sich zunächst schwer damit, ihrem ungewöhnlichen Sound einen Begriff zu verpassen.“

    Na und? Kritiker sind keine Cowboys. Und Sounds sind keine Kühe. Kritiker müssen sich also nicht unbedingt dafür bezahlen lassen, Sounds einen Stempel aufzudrücken. Sie können auch respektieren, dass da jemand etwas Eigenes, Neues kreiert hat. Etwas, für das es noch keinen Markennamen gibt. Natürlich nur, wenn sie nicht selber einen Stempel auf dem Hintern tragen.

    Apropos: Warum sich eine Frau, die den vielversprechenden Namen Constance Power besitzt, Connie Constance nennen (lassen) muss, hätte mich mal interessiert. Ich hoffe, die Power-Frau hat sich nicht (schlecht) beraten lassen von einem Management, das sich vor zu viel Frauen-Power fürchtet. Und sei es auch nur, weil Black Power nicht unbedingt jedermanns Sache ist und man ein Publikum, das freiwillig bezahlen soll, eher nicht überfordern darf. Eine englische Rose ohne Stacheln hat ja womöglich viel mehr Fans als eine mit.

    Auch wer nicht weiß ist, kann eine Prinzessin sein, so viel steht fest. Er/sie muss aber nicht unbedingt eine sein wollen. Die Leute, die uninformiert genug sind zu glauben, schwarze Prinzessinnen wären etwas völlig Neues, Unerhörtes, kann eine Frau auch einfach ignorieren. Im Übrigen bezweifle ich, dass sich „die Jugend“ heute noch massenhaft „wiederfinden“ möchte in Schlossgärten, gekleidet im Marie-Antoinette-Stil. Es dürfte nicht sonderlich attraktiv wirken, geköpft zu werden von Revoluzzern. Glaubwürdig? Nun ja. Vielleicht, wenn man die Story Marie-Antoinettes komplett erzählt...

    Ach ja, eins noch: Dass „die Briten“ vor allem notorische Nörgler sind, darf getrost bezweifelt werden. Das notorische Nörgeln, schließlich, gilt bereits als Alleinstellungsmerkmal „der Deutschen“. Und wenn ich das nicht ganz doll missverstanden habe, tun auch „die Deutschen“ kaum etwas, um ihre angeblich missliche Lage zu ändern. Außer permanent neue, nie da gewesene Musik hören, meine ich.