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Radprofi zeigt sich wegen Doping selbst anUnerträgliches Geheimnis

Im Zuge der Ermittlungen bei der Ski-WM macht der Radsportler Georg Preidler eine Selbstanzeige. Er spricht von einem „internationalen Erdbeben“.

Jubelpose auf der Ziellinie: Radrennfahrer Georg Preidler Foto: Grzegorz Momot/PAP/dpa

Gern hat man in den vergangenen Jahren von der neuen Generation im Radsport geschwärmt, die so kluge Lehren aus den Fehlern ihrer Vorgänger gezogen habe. Positive Dopingproben wurden immer seltener vermeldet. Es gab einzelne spektakuläre Fälle, wie der positive Dopingtest beim mehrfachen Tour-de-France-Sieger Chris Froome, der bei der Spanien-Rundfahrt 2017 reichlich vom Asthmamittel Salbutamol zu sich nahm. Aber die Kultur des Betrugs schien zumindest ihren kollektiven Charakter verloren zu haben.

Im Zuge der Dopingrazzia bei der Ski-WM in Seefeld, die vergangenen Mittwoch zur Festnahme von sieben Verdächtigen führte, sind jedoch mittlerweile auch zwei Straßenradprofis als Doper überführt worden. In der Erfurter Arztpraxis, die einem kriminellen Netzwerk offenbar als Basis­standort für Eigenblutdoping diente, sind mehr als 40 Blutbeutel entdeckt worden, von denen wohl einige dem Radsport zugerechnet werden können.

Am Wochenende berichtete bereits die österreichische Kronen Zeitung von der Festnahme des Tiroler Radprofis Stefan Denifl. In der Montagsausgabe folgte dann ein Interview mit seinem Kollegen und Landsmann Georg Preidler, der sich selbst angezeigt hatte. Er sagte: „Ich hab ein Doping-Geständnis abgelegt. Ich hab mir Blut abnehmen lassen, es aber nie rückgeführt. Aber alleine der Gedanke und die betrügerische Absicht sind schon ein Delikt.“

Preidler berichtete, wie ihn der Druck der Dopingermittlungen in den vergangen Tagen gepeinigt hat: „Ich habe nicht mehr geschlafen, nicht mehr gegessen. Ich weiß nicht, ob ich überführt worden wäre. Ich weiß nicht, wie und ob dieser Doping-Arzt alles verschlüsselt hat. Aber ich konnte mit diesem Geheimnis nicht mehr leben.“ Den Versuch zu betrügen will Preidler nicht aktiv vorangetrieben haben. Der Kronen Zeitung erzählte er: „Diese Leute kommen auf einen zu, suchen dich aus. Alle meine Erfolge, etwa beim Giro, waren sauber. Ich war ohne Doping gut, habe nie etwas getrickst. Das macht einen interessant.“

Er beschreibt ein System des Betrugs, das womöglich weit über das Erfurter Netzwerk hinaus noch einige Dopingfälle zutage fördern könnte. Preidler behauptete, er wüsste nicht von anderen Athleten, räumte jedoch ein: „Ich kann mir aber vorstellen, dass es ein internationales Erdbeben geben wird.“

Angst und Verschwörungstheorien im Spitzensport

Die Angst, von dem Skandal erfasst zu werden, betrifft auch andere Sportarten. Es gibt bereits Spekulationen, auch bei der am Donnerstag in Östersund/Schweden beginnenden Biathlon-WM könnten die Ermittler der Operation „Aderlass“ in Seefeld zuschlagen.

Nach der Doping-Razzia bei der Nordischen Ski-WM wartet nun die Staatsanwaltschaft München auf die Auslieferung des Vaters des Erfurters Sportmediziners Mark S. und einer mutmaßlichen Helferin. „Beide wollen wir in München haben“, sagte Pressesprecherin Anne Leiding am Montag. Das Auslieferungsersuchen soll möglichst zügig umgesetzt werden.

Peter Schröcksnadel, der Präsident des Österreichischen Skiverbands (ÖSV), hat die kleine Störung von Seefeld bereits vergessen. Seine Bilanz der Ski-WM in Seefeld fiel rundum rosig aus: „Das Ziel, den Sport zu fördern und für den Sport Geld zu verdienen, haben wir erreicht. Wir haben einen sehr guten Job gemacht. Die WM war super.“

Die aufgedeckten Dopingfälle kamen ihm eh nicht geheuer vor. Er sagte in einem Interview mit dem Österreichischen Rundfunk (ORF): „Man muss nachdenken, ob es nicht eine Gruppe gibt, die uns schaden will.“ Einen derartigen Hang zur Verschwörungstheorie und Wagenburgmentalität können sich Radsportfunktionäre in jedem Falle schon lange nicht mehr leisten. (mit dpa)

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