Rechtsextremismus in der Bundeswehr: Hitlergrüße aus dem KSK

Das Verteidigungministerium räumt rechtsextreme Vorfälle in der Elitetruppe ein, aber keine Rechtsextremen.

zwei soldaten bei einer übung

Bundeswehrsoldaten des Kommandos Spezialkräfte erhalten eine besondere Ausbildung Foto: dpa

Berlin taz | Das Kommando Spezialkräfte ist eine besonders sensible Einheit innerhalb der Bundeswehr. Seine Soldaten erhalten eine spezielle Ausbildung, die Einsätze sind geheim, es ist öffentlich nicht einmal bekannt, wie viele KSK-Soldaten es überhaupt gibt. Deshalb hat auch der Militärische Abschirmdienst, der Geheimdienst der Bundeswehr, diese Einheit besonders im Blick, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken hervorgeht, die der taz vorliegt.

Das KSK erfahre „im Vergleich zu anderen Einheiten und Verbänden eine intensivere Betreuung durch den MAD“. Die Bundesregierung gibt auch zu: Trotzdem kam es in den vergangenen Jahren mehrfach zu mutmaßlich rechtsextremen Vorfällen in genau jenem Kommando, das zuletzt auch wegen Verstrickungen in das so genannte „Hannibal“-Netzwerk in den Fokus geraten ist.

In der Antwort skizziert die Bundesregierung, wie der MAD das KSK beobachtet. Es wurde ein Regionalermittler eingesetzt, der explizit für das KSK zuständig ist, ein eigenes Regionalbüro wird betrieben, Präventionsarbeit geleistet. Auch die Führungskräfte des KSK würden regelmäßig für Extremismus sensibilisiert – insbesondere für Rechtsextremismus.

Und trotzdem gibt es Kommandoführer wie Oberstleutnant Pascal D. Auf seiner Abschiedsfeier lief rechtsextreme Musik, zur Belustigung warfen die Gäste mit Schweineköpfen, Pascal D. zeigte mehrfach den Hitlergruß. Während der MAD immer noch prüft, was daran möglicherweise problematisch war, hat die Justiz schon ein Urteil gefällt. Pascal D. muss wegen des „Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ 40 Tagessätze Geldstrafe zahlen. Gegen einen weiteren Soldaten läuft noch ein Ermittlungsverfahren.

Seit 2012 vermeintlich keine „erkannten Extremisten“

Trotzdem gibt der MAD an, seit 2012 keinen KSK-Soldaten als „erkannten Extremisten“ eingestuft zu haben. Lediglich fünf „Verdachtspersonen mit Erkenntnissen“ seien festgestellt worden.

Vergangene Woche erklärten MAD und Bundesverfassungsschutz im Verteidigungsausschuss des Bundestages mit Hilfe welcher Kriterien sie Rechtsextremisten in der Bundeswehr erkennen. Sie legten eine Farbskala vor, die von grün bis rot reichte. Pascal D., den Oberstleutnant, der Hitlergrüße zeigte, sei bei gelb einsortiert gewesen, berichten Sitzungsteilnehmer.

Neben politischer Gesinnung suchen die Nachrichtendienste immer auch nach Hinweisen, ob eine Verdachtsperson die freiheitliche demokratische Grundordnung beseitigen will. Und auch, ob ein Zusammenschluss mit anderen erkennbar ist. Gerd Hoofe, Staatssekretär im Verteidigungsministerium, soll sich laut Teilnehmern an der Ausschusssitzung dafür stark gemacht haben, künftig auch extreme Meinungsäußerungen nicht mehr zuzulassen und im Zweifel juristische Präzedenzfälle zu schaffen. Das wäre eine neue Strategie.

Anlass für die Befragung der Nachrichtendienste im Ausschuss waren taz-Recherchen darüber, dass mehrere KSK-Soldaten ein konspiratives Netzwerk gegründet hatten, in dem auch der mutmaßliche Rechtsterrorist und Bundeswehrsoldat Franco A. Mitglied war. Ebenso als Teil des Netzwerks wurden zwei Beschuldigte aus Norddeutschland identifiziert, die geplant haben sollen, an einem nicht näher definierten „Tag X“ Personen aus dem so genannten linken Spektrum festzusetzen und zu liquidieren – die Nordkreuz-Gruppe.

Prepper-Chatgruppen für den Tag X

Zentrale Figur dieses Netzwerkes ist André S., der auch unter dem Pseudonym Hannibal auftritt. Auch er war Soldat des KSK und ist erst im vergangenen Frühjahr aus der Einheit ausgeschieden. Er hatte sogenannte Prepper-Chatgruppen administriert, in denen es um die Vorbereitung auf den Tag X ging. Er gründete auch einen Verein, Uniter e.V., in dem sich aktive und ehemalige Spezialkräfte aus Polizei, Bundeswehr und der privaten Sicherheitswirtschaft vernetzen – und auch militärische Kampftrainings abhalten. Die Regierung teilt nun mit: S. ist immer noch im Dienst der Bundeswehr. Er sei nun wieder – wie vor seiner KSK-Zeit – als Fallschirmjäger eingesetzt, hieß es im Verteidigungsausschuss.

Im Schreiben der Bundesregierung heißt es, dass gegen André S. Ermittlungen geführt würden wegen des Verstoßes gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz. Die Vorwürfe gegen ihn rechtfertigten es, disziplinarrechtliche Schritte einzuleiten.

André S. ist einer von mindestens drei KSK-Soldaten, die mit Franco A. in einer Chatgruppe kommuniziert haben. Diese drei wurden vom BKA befragt und ihre Wohnungen durchsucht, um mehr über die Verbindung von Franco A. und den Chatgruppen herauszufinden. Bereits zuvor stand André S. im Kontakt mit dem MAD – als Auskunftsperson. Vor den Durchsuchungen wurde er angeblich von seinem MAD-Ansprechpartner gewarnt.

Durchsuchungen bei Bundeswehrangehörigen

Nach taz-Recherchen haben bei mehr Bundeswehrangehörigen Durchsuchungen in diesem Komplex stattgefunden. Etwa bei einem früheren KSK-Mitglied, das Mitglied in mehreren der fraglichen Chatgruppen war. Der Mann hatte André S. zuvor auch dabei geholfen, den Verein Uniter zu gründen. Nach seinem Ausscheiden aus dem KSK studierte er an der Bundeswehr-Universität. Er traf auf die Soldaten Franco A. und Maximilian T., der kurz nach diesem festgenommen wurde. Franco A. war bei mehreren Treffen des Vereins Uniter und der süddeutschen Chatgruppe dabei – mindestens ein Mal auch bei André S. zu Hause.

FDP, Linke und Grüne hatten Ende vergangenen Jahres eine gemeinsame Sondersitzung von Innenausschuss und Verteidigungsausschuss gefordert, um die Verbindungen dieses Netzwerkes in staatliche Strukturen aufzuklären. Sogar von einem Untersuchungsausschuss war die Rede. Die Regierungskoalition lehnte den Vorschlag jedoch ab.

Tobias Pflüger, Verteidigungspolitiker der Linksfraktion, auf den die Kleine Anfrage zurück geht, kritisiert die Kriterien für die Einstufung von Extremisten als zu lasch. „Nicht einmal ,Sieg Heil' rufende Neonazis erfüllen diese Kriterien. Da verwundert es nicht, dass die Bundesregierung die Existenz eines Netzwerks gewaltbereiter Rechtsextremisten in der Bundeswehr weiterhin leugnet.“

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Illustration: taz/Infotext-Berlin (Montage)

Hannibals Schattennetzwerk

Hintergründe zum Prozess gegen Franco A.

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