Kolumne Geht's noch?: Dann doch lieber ins Büro
Die SPD will ein Recht auf mobiles Arbeiten und Homeoffice durchsetzen. Klingt toll. Doch das Zuhausebleiben verleitet.
E s klingt so schön romantisch: Einen Arbeitstag in der Woche nicht frühmorgens aus dem Haus müssen und ins Büro rennen. Sich stattdessen gleich nach dem Frühstück an den Schreibtisch setzen, noch im Schlafanzug, und ungestört arbeiten. Zwischendurch die Waschmaschine anmachen und anderen Privatkram erledigen. Das verspricht das Homeoffice.
Die SPD will, dass alle in den Genuss des häuslichen Arbeitens kommen. Laut eines Strategiepapiers will die Partei das „Recht auf mobiles Arbeiten und Homeoffice gesetzlich verankern“. Das berichteten die Zeitungen der Funke Mediengruppe am Donnerstag. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen so „von den digitalen Vorteilen profitieren können.“ Bis zu 40 Prozent der Beschäftigten in Deutschland könnten theoretisch per Internet von zu Hause aus arbeiten, schätzt die SPD. Aber nur 12 Prozent bekämen bislang ihren Wunsch nach flexibler Arbeit vom Arbeitgeber erfüllt.
Doch eine kürzlich vom Wirtschaftsministerium vorgelegte Studie zeigt die problematische Seite des Zuhausearbeitens: Nur 44 Prozent der Befragten mit einem Bürojob bekamen von ihrem Arbeitgeber ein Laptop gestellt, nur 25 Prozent ein Smartphone und 14 Prozent Kollaborationstools zum gemeinsam Arbeiten. Wer im Homeoffice bleiben will, muss meist die eigenen Geräte nutzen. Die dienstlichen E-Mails erscheinen dann direkt neben den WhatsApp-Nachrichten der Eltern und Kinder. Man sollte sich das also gut überlegen: Ein „Recht auf Homeoffice“ kann nur funktionieren, wenn damit ein Recht auf ein Diensthandy verbunden ist.
Noch schlimmer: Der Vorteil des Homeoffice ist zugleich sein größter Nachteil. Wer nebenbei Privates erledigen kann, muss Berufliches verschieben. Zwischendurch in der Wohnung staubsaugen, zum Geburtstagskaffee bei Oma gehen oder die Kinder von der Kita abholen können ist toll. Man kann das eigene Leben besser mit dem Beruf vereinbaren.
Aber das minimiert ja nicht die Arbeitsbelastung. Eher führt es dazu, dass man vor dem Schlafengehen noch einmal die Dienstmails liest. Und wer will schon die Nachricht des Chefs mit ins Bett nehmen? So verschwinden die Ruhephasen, das Arbeiten wird entgrenzt. Homeoffice heißt schlimmstenfalls, pausenlos verfügbar sein und nie abschalten können. Wenn die Wohnung zum Büro wird, dann wartet der Schreibtisch nur darauf, dass man arbeitet.
Dann doch lieber morgens ins Büro pendeln und abends nichts tun.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
ifo-Studie zu Kriminalitätsfaktoren
Migration allein macht niemanden kriminell
Bundesregierung und Trump
Transatlantische Freundschaft ade