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Machtwechsel in VenezuelaPräsident – oder nicht?

Juan Guaidó erklärt sich zum Interimspräsidenten in Venezuela – viele Staaten erkennen ihn als solchen an. Nicolás Maduro akzeptiert das nicht.

Die Anti-Maduro-Proteste in Caracas am 23.01.2019 Foto: ap

Buenos Aires taz | Venezuelas Opposition hat die Machtfrage gestellt. Am Mittwoch erklärte sich der Parlamentspräsident Juan Guaidó zum Übergangspräsidenten. „Ich schwöre, offiziell die nationale Exekutivgewalt als amtierender Präsident von Venezuela zu übernehmen“, sagte Guaidó in Caracas vor einer jubelnden Menschenmenge. Er kündigte an, die gesetzwidrige Machtübernahme von Staatspräsident Nicolás Maduro zu beenden, eine Übergangsregierung zu bilden, sowie freie Wahlen abhalten zu lassen.

Guaidós Schwur war der Höhepunkt der Demonstrationen gegen Nicolás Maduro, zu denen die Opposition aufgerufen hatte und bei denen landesweit Zehntausende auf die Straßen gingen. Bei den Protesten kamen mindestens 14 Menschen ums Leben, teilte die venezolanische Beobachtungsstelle für soziale Konflikte in (OVCS) mit. Der Menschenrechtsorganisation Foro Penal zufolge seien 218 Menschen festgenommen worden.

Die größte Demonstration fand in der Hauptstadt Caracas statt. Aus mehreren Richtungen waren die Protestierenden zur Plaza Juan Pablo II gezogen. Hier legte Guaidó am frühen Nachmittag den Schwur ab und überraschte damit offensichtlich die Regierung. Die Regierung hatte zwar ebenfalls ihre Anhängerschaft mobilisiert und auf der Straße versammelt, sie änderte aber kurz nach Guaidós Schwur die Demonstrationsroute. Statt wie vorgesehen zur Plaza O’Leary im Zentrum der Hauptstadt zu marschieren, wurden die Demonstrierenden zum Präsidentenpalast Miraflores zum ständigen Schutz des Gebäudes umgeleitet.

„Kommen auch Donner und Blitz, wir müssen für ganz Venezuela regieren“, rief Maduro vom sogenannten „Balkon des Volkes“. Minuten später erkannte US-Präsident Donald Trump Guaidós Interimspräsidentschaft an, zuvor hatte die USA Unterstützung zugesichert. Danach trafen im Minutentakt Stellungnahmen aus anderen Staaten ein: Brasilien, Paraguay, Kolumbien, Chile, Peru, Argentinien, Guatemala, Costa Rica, Panama und Ecuador erkannten Guaidó ebenfalls an.

Russlands Präsident Wladimir Putin reagierte nahezu ebenso schnell wie Trump und sicherte Maduro die volle Unterstützung zu, ebenso wie die Regierungen von Bolivien, Kuba, Nicaragua und der Türkei. Mexikos Regierung erklärte bereits, die Situation in Venezuela werde beobachtet, an den diplomatischen Beziehungen zu dem Land und zur bisherigen Regierung ändere sich aber zunächst nichts. China hüllt sich noch in Schweigen.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini forderte sofortige freie und glaubwürdige Wahlen. Deutschlands Außenminister Heiko Maas rief bei seinem Besuch in Washington alle Seiten zur Besonnenheit auf. EU-Ratspräsident Donald Tusk erklärte, dass er auf eine einheiliche Position der EU-Mitgliedstaaten zur „Unterstützung der demokratischen Kräfte“ in Venezuela setze.

Eine Frage der Anerkennung

Der 35-jährige Juan Guaidó war am 5. Januar zum Präsidenten der von der Opposition dominierten Nationalversammlung gewählt worden. Er gehört der Voluntad Popular an, einer der radikalsten Oppositionsparteien. In seiner Antrittsrede stellte er klar, dass das Parlament die einzige legitime gewählte Institution sei und eine zweite Amtszeit von Nicolás Maduro nicht anerkennen werde.

Maduro hatte dennoch am 10. Januar vor dem Obersten Gerichtshof den Amtseid abgelegt. Für die Nationalversammlung war das ein verfassungswidriger Vorgang, weshalb das offizielle Amt des Staatspräsidenten nicht besetzt ist. Interimspräsident Guaidó berief sich auf Artikel 233 der Verfassung, wonach bei einer „völligen Abwesenheit“ des Staatspräsidenten der Parlamentspräsident das Amt vorrübergehend übernehmen müsse.

Kaum hatte sich die US-Regierung hinter Guaidó gestellt, reagierte Nicolás Maduro mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen. „Die imperialistische US-Regierung will eine Marionettenregierung in Venezuela einsetzen. Ich habe entschieden, die diplomatischen und politischen Beziehungen zur imperialistischen Regierung der Vereinigten Staaten abzubrechen“, sagte er. Das US-Botschaftspersonal habe 72 Stunden Zeit um das Land zu verlassen, so Maduros Ultimatum.

All das erklärte Interimspräsident Guaidó mit einer seiner ersten Amtshandlungen für nichtig. Zustimmung kam prompt von US-Außenminister Mike Pompeo. Maduro habe gar nicht die rechtliche Befugnis, diplomatische Beziehungen zu den USA abzubrechen, und die US-amerikanischen Diplomaten würden in Venezuela bleiben, so Pompeo.

Das Diplomatengerangel gibt eine Vorahnung auf weiteres Konfliktpotential, wie etwa der Zugriff auf Venezuelas Staatsvermögen im Ausland. Stichwort Citgo, die US-Filiale der staatlichen Ölfirma PDVSA, die mit ihren Raffinerien und ihrem Tankstellennetz in den USA ein enorm wichtiger Devisenbringer für die Regierung in Caracas ist. Sollte Interimspräsident Guaidó anordnen, dass keine Dollars mehr in Maduros Staatskasse fließen sollen, müssten die US-Behörden Folge leisten.

Interimspräsident Guaidó kann zwar auf außenpolitische Unterstützung setzen, aber der innenpolitische Stützpfeiler von Nicolás Maduro scheint nicht zu wanken. Um das Militär auf seine Seite zu ziehen, kündigte Guaidó ein Amnestiegesetz an, das bereits am Wochenende von der Nationalversammlung beschlossen werden soll. Verteidigungsminister Vladimir Padrino sicherte Maduro jedoch erneut die absolute Loyalität der Armee zu. „Die Soldaten des Vaterlandes akzeptieren keinen Präsidenten, der von dunklen Mächten eingesetzt wird oder sich abseits des Rechts selbst einsetzt“, twitterte Padrino.

(mit afp, epd)

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12 Kommentare

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  • Pfanni, da bist Du einer Manipulation zum Opfer gefallen. Madura hat das Parlament nicht entmachtet, sondern das von der rechten Oppostion dominierte Parlament hat ein Entscheidung des Obersten Gerichtes (wie Verfassungsgericht) ignoriert und ist deswegen vom Obersten Gericht seiner Funktionen entledigt worden. Hier die Quelle: venezuelanalysis.com/news/11813

  • Bitte etwas genauer recherchieren. Diese seit der letzten Wahl von der Opposition dominierten Nationalversammlung ist vom Obersten Gerichtshof als illegitim und ihre Entscheidungen für nichtig erklärt worden. Der Grund: Der Oberste Gerichtshof (ähnlich wie Verfassungsgericht) hatte verlangt, dass drei Abgeordnete suspendiert werden, da ein Verfahren wegen Verdachts auf Stimmenkauf gegen sie lief. Die Nationalversammlung hat diese Abgeordneten trotzdem eingeschworen und damit die Entscheidung des verfassungsmäßig über ihr stehenden Gerichts ignoriert. Seit dem steht die Nationalversammlung und damit auch ihr Vertreter (Guado) außerhalb der verfassungsmäßigen Ordnung. Zum Nachlesen hier: venezuelanalysis.com/news/11813

  • Als ob es hier nur um Freiheit und Demokratie geht, wie naiv muss dann bitte sein!

    Maduro und sein Vorgänger Chavez sind die, die sich entschieden gegen die Ausplünderung der venezolanischen Erdölfelder durch amerikanische Unternehmen gewehrt haben. Das ist ein wesentlicher Grund, warum Maduro von interessierter Seite so angegangen wird.



    Das Gefasel von Demokratie und Freiheit sind die üblichen Floskeln, um das neokoloniale Vorgehen der USA zu verschleiern.

  • Tja, wenn man den Mineralölkonzernen der USA nicht gibt was sie wollen, dann wird ein Systemchange herbei geführt. Alles nicht neu! Die Unterstützerliste liest sich wie ein "Who is who" lupenreiner Demokraten und Autokraten.



    Leider hat Venezuela zu viel Öl auf seinem Staatsgebiet, dass den Amerikanern gehört.

  • Maduro bietet leider nur die Tragödie für seine Bevölkerung. Allen die ihn hier weiter beklatschen empfehle ich sich das Stück auch mal live anzusehen. Aber bitte den eigenen gefüllten Futtertrog mitbringen. Die Leute dort haben nichts mehr in den Regalen

  • Wer jetzt über einen Staatsstreich klagt, sollte bedenken, dass dem ein anderer Staatsstreich voranging: Als nämlich Maduro das frei gewählte Parlament entmachtete, weil dessen Zusammensetzung ihm nicht gefiel, und durch eine von ihm handverlesene, sog. „Verfassunggebende Versammlung“ ersetzte, die er über alle anderen Institutionen stellte.



    Wie lang ist es her, dass Maduros Vorgänger Chávez die ganze Welt nach Venezuela einlud, um sich dort den „Aufbau des Sozialismus des 21. Jh“ anzusehen? Mögen nur alle kommen! Sie werden feststellen, dass dieser eher noch schlimmer ist, als der Sozialismus des 20. Jh..



    Dass D. Trump nichts Eiligeres zu tun hatte, als sich demonstrativ hinter Guaidó zu stellen, kann sich nur kontraproduktiv auswirken. Nun kann sich Maduro, zu Recht oder Unrecht, darauf berufen – und tut das auch – dass die Situation im Lande nicht der eigenen Misswirtschaft geschuldet sei, sondern der Einwirkung ausländischer Finsterlinge (=USA)!

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Pfanni:

      Früher gab es ausschließlich Schwarz-Weiß-Fernsehen, heute Farb-TV.

      In der Instant-Argumentation scheint wieder Retro, also schwarz-weiß angesagt.

      Ich liebe die Differenzierung: der (richtige) Hinweis auf eigenes Versagen der Venezolaner ist kein Argument dafür, dass die Yankees Peacekeeper wären. Sie sind weit davon entfernt.

      Mal einen Blick in südamerikanische Geschichtsbücher werfen. Beispiel: Chile 1973, Intervention gegen eine frei gewählte Regierung.

      Weitere Fragen??? Nur Mut!!!

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @76530 (Profil gelöscht):

        Und noch diesen hinterher:

        Ein Blick in wikipedia, sozialistischer oder kommunistischer Umtriebe gänzlich unverdächtig, gibt erste Anhaltspunkte zur Blutspur, die die USA seit 1800 in Mittel- und Südamerika hinter sich herziehen.

        Freiheit und Menschenrechte vom Allerfeinsten!

  • Es läuft so ab, wie auch in Brasilien und anderen lateinamerikanischen Staaten. Mit dem ausbleiben von Sozialleistungen wechselt die Klientel ihre politische Farbe. Das liegt so ganz im Interesse der Oligarchien und ausländischen Konzerne.

    Was allzu oft versäumt wurde, von einst progressiven Parteien und Regierungen, eine tiefgreifende Bildungsoffensive und berufliche Qualifizierung der unteren sozialen Schichten. Zugleich müssen die über den Rohstoffhandel erworbenen materiellen Mittel für die Infrastruktur und wirtschaftliche Entwicklung, – unter korruptionsfreier Aufsicht und Kontrolle –, zum Einsatz kommen.

    Über meine deutsch-brasilianischen Verwandten musste ich erfahren: Wohnungen die von der linken bürgerlichen Regierung billig an Slumbewohner vergeben wurden, wurden von diesen teuer verhökert und sie zogen zurück in ihren Slum. // Als es mit den sozialen Leistungen nicht mehr so funktionierte, da entschieden sich nicht Wenige auf die politische Agenda und Karte der Rechten zu setzen.

    PS: So läuft es aber auch in der Regel in Europa - und bald in Deutschland - ab.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Nichts Neues von der Propagandafront. Solange sich nur die Richtigen an der Macht befinden, stören die Methoden der Machtausübung unsere selbsternannten Wächter der eigenen Freiheit bis zum Hindukkush und nach Caracas nicht. Wehe es ist umgekehrt.

    Von den Yankees kennen wir solche Scheinheiligkeiten. Jetzt zunehmend mehr auch aus der Alten Welt. Die Gene verbinden halt.

    Lissbett, mein Eimer!

  • Achja, die EU sagt und fordert... auf welcher Grundlage eigentlich? Die EU war von der venezolanischen Regierung eingeladen worden, Wahlbeobachter zu schicken. Hat die EU aber abgelehnt. Ja, es gab im Vorfeld Repression gegen Oppositionelle - die Oppositionsführer, die eine Weile verhaftet waren, sind allerdings schon Monate vor der Wahl wieder entlassen worden. Und entschieden sich zum Wahlboykott.

    Wenn man sich nun anschaut, wer genau da Schlange steht, um Maduro die Legitimität abzusprechen - ganz ehrlich, wie kann man da nicht auf die Idee kommen, dass es hier primär um geostrategische Interessen auf dem amerikanischen Doppelkontinent geht?

    Venezuela ist sicher nicht das, was man als "lupenreine Demokratie" bezeichnen würde. Nicht nach bürgerlichen, auch nicht nach anderen Maßstäben. Das trifft auf mindestens zwei Drittel der Staaten der Erde zu, darunter auch viele liebgewonnene Bündnispartner innerhalb der NATO, innerhalb der EU und darüber hinaus. Komischerweise wird da nicht so ein Bohei drum gemacht.

  • Die üblichen Frontlinien. Hoffen wir mal, dass es nicht im üblichen Blutbad endet...