Freie Mitarbeiter bei ARD und ZDF: Ein Dreiklassensystem

Eine Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung zeigt, dass freie Mitarbeiter*innen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk in vielen Bereichen benachteiligt sind.

Ein Mann hält eine Fernsehkamera mit ARD-Mikro in der Hand

Die Studie gibt denen, die vielerorts nicht in Personal- oder Frauenvertretungen auftauchen, eine Stimme Foto: dpa

Berlin taz | Zu Beginn sitzen zwei Schauspieler*innen auf der Bühne und erzählen: Davon, dass Kranksein nicht drin sei; von der Unsicherheit, ob und wann der nächste Auftrag kommt; dass es keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gäbe und kein 13. Gehalt; von Scheinselbstständigkeit und von Altersarmut.

Am Freitagabend hat die Rosa-Luxemburg-Stiftung ihre von der Bundestagsfraktion der Linken in Auftrag gegebene Studie „Beschäftigte zweiter Klasse? Gute Arbeit auch für Freie“ vorgestellt. Der szenische Einstieg ist zusammensetzt aus Zitaten aus dieser Studie, an der insgesamt 1.898 freie Mitarbeiter*innen von ARD, ZDF, Deutschlandradio und Deutscher Welle teilgenommen haben.

Zentrale Ergebnisse: 94 Prozent der Befragten fühlen sich gegenüber Festangestellten benachteiligt. 66 Prozent bekommen laut eigener Aussage für die gleiche Arbeit weniger Geld als Festangestellte. 70 Prozent der Befragten wären lieber festangestellt.

Bei den Öffentlich-Rechtlichen herrscht ein Dreiklassensystem, das auf einem Flickenteppich aus unterschiedlichen Arbeitsregelungen beruht: Es gibt rund 25.500 Festangestellte (1. Klasse), hinzu kommen laut Studie 19.151 arbeitnehmerähnliche Freie (2. Klasse) und eine nicht zu ermittelnde Anzahl an Freien (3. Klasse).

Von Welle zu Welle unterschiedlich

Welche Rechte wiederum diese arbeitnehmerähnlichen Freien haben, ist von Rundfunkanstalt zu Rundfunkanstalt unterschiedlich. Einige bekommen Lohn im Krankheitsabfall ab dem ersten Ausfalltag, andere nicht. Einige haben einen härteren, andere einen weicheren Kündigungsschutz, hier dürfen Freie in den Personalrat, dort nicht.

Dieser Flickenteppich zeigt sich auch bei der Diskussion nach der Vorstellung der wichtigsten Studienergebnisse: Da sitzt der stellvertretende Personalchef des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB), Nicolas Bielefeld („kann nur für den RBB sprechen“), neben dem Intendanten von Radio Bremen (RB), Jan Metzger („kann nur für Radio Bremen sprechen“). Dazwischen die RBB-Freienvertreterin Dagmar Bednarek, die davon erzählt, dass die Einsatzzeiten und Entlohnung der Freien von Welle zu Welle unterschiedlich seien.

94 Prozent der Befragten fühlen sich gegenüber Festangestellten benachteiligt

Es mangele schlicht an Geld, sagt RB-Intendant Metzger: Die ARD bekomme von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs quasi Vorgaben, Stellen abzubauen, und sei deshalb an manchen Stellen sogar gezwungen, Arbeit statt wie einst von Festangestellten nun von Honorarkräften durchführen zu lassen.

Und überhaupt, dass sich um Freie nicht gekümmert würde, sei „einfach nicht wahr“, sagt Metzger, der auch gleich mal zur Grundsatzkritik an der Studie ausholt: Erstens sei sie nicht repräsentativ, da womöglich nur die Freien teilgenommen hätten, die besonders gut organisiert und/oder besonders unzufrieden seien, und zweitens sei die dritte Gruppe – die wirklich freien Freien – viel zu heterogen, um sie in einer Gruppe zusammenzufassen.

„Wertschätzung, Gleichberechtigung, Augenhöhe“

Mit beidem hat er wohl nicht ganz unrecht: Die Selbstselektion ist bei derartigen Studien tatsächlich ein (schwer lösbares) Problem. Und dass die Gruppe der freien Mitarbeiter*innen von gut bezahlten Moderator*innen oder Schauspieler*innen bis hin zu Kabelträger*innen reicht und damit tatsächlich sehr divers ist, ist ebenfalls korrekt.

Dennoch stellt das die Studie nicht infrage. Denn sie ist ein Anfang der Vermessung der freien Arbeit bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Sie kann helfen bei zukünftigen Verhandlungen, sie bietet einen Überblickt darüber, wer was wo als fester Freier bekommt, sie gibt denen, die vielerorts nicht in Personal- oder Frauenvertretungen auftauchen, eine Stimme.

Orlando Figes: „Die Europäer“. Aus dem Englischen von Bernd Rullkötter. Hanser Berlin, Berlin 2020. 640 Seiten, 34 Euro

Und darum scheint es auch Studienleiter Jörg Langer zu gehen: „Wertschätzung, Gleichberechtigung, Augenhöhe“, das seien die entscheidenden Stichworte, sagt er. „Es geht darum, aus der 80er-Jahre-Unternehmenskultur ins neue Jahrtausend zu kommen.“ Das koste kein Geld.

Beim szenischen Einstieg fällt auch ein Satz, der über die eigenen Medien hinausblickt: Wer von der Printkrise lese, habe das Gefühl, bei den Öffentlich-Rechtlichen auf der Insel der Glückseligen zu leben. Trotz freier Mitarbeit. Trotz womöglicher Schlechterstellung als die Festangestellten. Irgendeinem geht es immer noch schlechter als mir. Ist das tröstlich oder traurig?

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.