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Männerbünde ohne EinsichtFrauen wollen rein

Männer unter sich: Das linksliberale Bremen hält an Traditionen wie der Eiswette fest. Geht das nicht subtiler, Patriarchat?

Dürfen in Bremen nicht zur Eiswette: grüne Frauen vor dem Congress Centrum, dem Austragungsort des Männerrituals Foto: Kevin Drasl

Hamburg taz | Was sagt es über die Lage der Frau, dass es heute immer noch reine Männerzirkel gibt, die es beispielsweise fertig bringen, die Stellvertretende Bremer Regierungschefin auszuschließen?

Gerade hat die Nachricht, dass Bremens Bürgermeisterin Karoline Linnert (Grüne) als Frau beim traditionellen „Eiswettfest“ unerwünscht ist, für Empörung gesorgt. Der Herrenklub wolle den „Gendergaga“ nicht mitmachen, erklärte Eiswettpräsident Patrick Wendisch. Und seine Wortwahl ist, das muss man ihm lassen, wirklich aufschlussreich.

Natürlich könnte man besonnen sein und einen Anachronisten wie Wendisch einfach labern lassen. Doch das verkennt, dass in diesen Runden echte Politik gemacht, Geschäfte angebahnt und Seilschaften geknüpft werden. Männer unter sich – wie noch viel zu oft in weiten Teilen der Führungsetagen.

Interessant ist aber auch die Abarbeitung an einem noch recht frischen Begriff: In der Weise, wie der Eiswettpräsident über „Gender“ spricht, verdichtet sich exemplarisch das ganze – und leider wieder akuter werdende – Kampffeld: Solche Typen benutzen den Begriff als Motor für einen Backlash.

Aufklärung trifft Holzköpfigkeit

Hier trifft Aufklärung auf Holzköpfigkeit. Dabei ist der Genderbegriff elementar. Das englische Wort steht für das soziale Geschlecht – im Unterschied zum biologischen Geschlecht (englisch: „sex“), für eine bestimmte Denktradition in der Geisteswissenschaft und unterstreicht oberflächlich die mittlerweile eigentlich triviale Erkenntnis, dass unser Verständnis von Körper, Geschlecht und Sexualität mehr gesellschaftlich konstruiert als biologisch vorbestimmt ist.

Der Kampf gegen das Fach „Genderstudies“ an den Universitäten und, noch grundlegender, gegen „Gender-Mainstreaming“ als Strategie für mehr Geschlechtergerechtigkeit, wird international von der Neuen Rechten und in Deutschland besonders von der AfD massiv geführt. In Ungarn trägt das schon Früchte: Regierungschef Orbán ließ die Geschlechterforschung im Oktober 2018 aus den Universitäten verbannen. Die Anti-Gender-Bewegung, so beschrieb es die ungarische Professorin Andrea Pető im Interview mit der taz, sei dabei nicht nur Ableger eines jahrhundertealten Antifeminismus, sondern ein grundlegend neues Phänomen: ein Angriff auf den Liberalismus und damit indirekt auf die Demokratie.“

Viel schlimmer als die Instrumentalisierung des Begriffs ist deshalb die Tatsache, dass nicht nur Typen wie Regierungschef Orbán im weit nach rechts gerückten Ungarn, sondern auch Männer wie der Eiswettpräsident im liberalen Bremen mit ihrer Praxis durchkommen – ohne sich komplett zu disqualifizieren. Hat die Reproduktion der männlichen Herrschaft heute nicht subtiler zu sein, um überhaupt noch zu bestehen?

Traurige Wahrheit

Die traurige Wahrheit ist, dass es mit der Emanzipation nicht so weit her ist wie gehofft. In der Debatte darum, wer über den Körper der Frau zu entscheiden hat, finden am heutigen Samstag bundesweit Demonstrationen statt, darunter auch in vielen norddeutschen Städten, um allein dafür zu protestieren, dass es ÄrztInnen erlaubt sein soll, über Schwangerschaftsabbrüche nur zu informieren.

Auch sozial und ökonomisch lässt sich festhalten: Selbst in einem entwickelten Industriestaat wie der Bundesrepublik liegen Frauen heute im Durchschnitt noch deutlich unter der Bezahlung von Männern und sind in Führungspositionen unterrepräsentiert.

Ermüdende Diskussion

An dieser Stelle landet die Diskussion meist bei der Quote. Dabei ist die Debatte wahnsinnig ermüdend. Für mich als Frau sogar ein echtes Ärgernis. Doch sollte es uns davon abhalten, für Gleichberechtigung zu streiten? Schon Simone de Beauvoir konstatierte 1949,in ihrem Buch „Das andere Geschlecht“ zu dieser Frage: „Ich habe lange gezögert, ein Buch über die Frau zu schreiben. Das Thema ist ärgerlich, besonders für die Frauen; außerdem ist es nicht neu. Im Streit um den Feminismus ist schon viel Tinte geflossen, zurzeit ist er fast beendet“.

Es sollte de Beauvoir nicht abhalten und auch uns nicht. Dafür sitzt die männliche Herrschaft sowohl strukturell als auch personell immer noch zu fest im Sattel.

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13 Kommentare

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  • 1.



    "Das linksliberale Bremen hält an Traditionen wie der Eiswette fest." - Eine Veranstaltung der Stadt oder des Landes Bremen isses ja nun nicht. Da hätte (die ausgeladene) Vizebürgermeisterin Linnert schon ein Wörtchen mitzureden gehabt. Der Seitenhieb gegen das "linksliberale Bremen" ist ein Seitenhieb auch gegen Frau Linnert.

    2.



    Man sollte dem Typen mit seinem "Gendergaga"-Gequatsche dankbar sein. Er sollte auch dem letzten Verteildiger solcher Männerbünde klargemacht haben, was diese in ihrer Mehrheit von Frauen halten. Es geht ihnen nicht nur um ein * in der Schrift; sie wollen Frauen nicht teilhaben lassen bei ihren Spielchen und Schunkelleien.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Geht das noch subtiler, Patriarchat?" Dieser Satz erübrigt das Lesen des Artikels. Danke dafür.

  • "Männer heben ein Recht auf "Kaffeekränzchen"."



    Auf Kaffeekränzschen schon, aber es ist nunmal fragwürdig, wenn diese "Veranstaltungen" dazu benutzt werden – und das werden sie immer, auch und besonders der Kirchenbesuch – Machtverhältnisse und Seilschaften zu zementieren. In diesem niveauvollen Rahmen (steigt das Wasser oder fällt es (??!) ) – brauchen die Herren auch keine "Leaks" befürchten und können unverhohlen auch noch das Kind im Manne ausleben. Ob das jetzt Eiswette heißt oder Stammtisch – es dient zum "Draußenhalten" der Frauen. Da die Männer nun mal die Macht haben, ist es an den Männern zugänglicher zu werden. Wenn sie es nicht einmal schaffen, das Bürgermeisteramt (bzw. die Stellvertrtung davon) mit Einladung zu ehren, dann ist dieses Verhalten als definitv frauenfeindlich zu bewerten. Ganz einfach.



    Jungs, der Ball liegt seit gut hundert Jahren in eurem Feld.

    • @Frau Kirschgrün:

      Um so lustiger finde ich solches -

      “Wie wollen da rein!“ - “Jo mei - Why?

      Chorps - Burschenschaften - das ganze Pack - Freimaurer - usw usf - ...bitte selbst ergänzen - & da rein???



      Ehrlich mal. Geht’s noch?

      Als - Fuck off & politische Entblößungsstratgie - ala - Eiswette = mal “Provo mit Ovo“ -;) Ok Ok.

      Aber - als Emanzipationsstrategie w/m Ginge doch wohl anders - oder*¿*

      unterm— erinner noch gut —damals -



      Friedensbewegung & Däh! - Frauengruppen - “Männer - No way!“



      Uppsala. Dachte ich - 'wäre meinen Tanten meiner Mutter et al. - den emanzipierten Damen der 20er nicht eingefallen‘. Nö. Aber ok. Mal sehn.



      Auch wenn mir überstudiert solches nicht recht einleuchtete.



      But. What makes them tick^¿^



      Solche Läden aufwerten? - wg angeblich “umkrempeln“ - Was immer genau sein soll. Oder nur genderneutral undemokratisch fortstricken - hm^¿^



      Ruhrpöttlerisch “Aussem Scheishaus!



      Kannste halt kein Wohnzimmer machen! Wollnichwoll!“



      & Däh!



      “Naja - bei euch - heißt das Seilschaften.



      Wir nennen das Netzwerke!“ meinte später spöttisch meine durchaus netzwerkende kluge Kollegin.

      Also - Worum geht’s genau*¿*



      Sprache - ist sehr verräterisch! Schonn.

      • @Lowandorder:

        ..…ps - nochens -

        Uns lebenserfahrenen Ol*03 - habe ich einst gern in die Hand versprochen - solchen Selbstbedienungsorgs - einschl.



        Lions & Co. nicht beizutreten.



        &



        Was ich besuchshalber auf Verbindungshäusern mitbekommen habe - unterschied sich keinen Deut von den spöttisch-sarkastischen Bemerkungen van uns Mouder - die als umworbene Sektdame derart ihre Beobachtungen kundtat.

        kurz - Closed shops - & darum geht's!



        Egal wie die firmieren - wollen durch die Bank - geschmeidig bis illegal besser entre nous an die Pfründe.



        & Echt mal -



        Darein wollen? - Nej tak.

        Nö. Wieviel Rad-ab - ist das dann!

        • @Lowandorder:

          Könnte ja auch um's Prinzip gehen, um diese "Bünde" ins menschliche zu wenden … ? ;-)

  • Für mich gehört zur Gleichberechtigung auch das Akzeptieren des Lebensstils und der zeitweisen Zurückgezogenheit des anderen Geschlechtes. Diese Art der feministischen Übergriffigkeit nervt mich enorm. Warum streiken sie nicht gleich vor einem Mönchskloster, wäre doch viel interessanter und noch weniger. Auch



    Männer heben ein Recht auf "Kaffeekränzchen".

  • 9G
    93779 (Profil gelöscht)

    Man sollte auch Stammtische verbieten! Dort werden auch keine Frauen akzeptiert. Viele davon sind zudem sehr konservativ. Da muss der Staat ran!

  • Vielleicht ärgert die Leute auch nur der gnadenlos übertriebene Aktionismus der Leute, die sich als Meinungsmacher zu dem Thema aufspielen.

    Vielleicht ist die sog. Gleichberechtigung schon auf dem Weg zur Vormachtstellung?

  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Kann man so einen Männerclub nicht einfach mal aushalten? Ich verstehe die Aufregung nicht.

  • Die gesellschaftliche Interpretation des Artikels kann ich nur zustimmen. Das offizielle Bremer Repräsentanten überhaupt an solchen Veranstaltungen teilnehmen wollen/dürfen ist aus meiner Sicht unverständlich. Eine klare Absage und den Entzug jeglicher Unterstützung aus de öffentlichen Hand wäre die Lösung.



    Gleichzeitig halte ich auch die Entwicklung zu Frauenclubs (will da nicht eine Kette nach Europa expandieren?) für bedenklich. Persönlich favorisiere ich paritätisch gemischte Institutionen, die Wert auf eine respektvolle Etikette legen...

    • @Andi S:

      "Persönlich favorisiere ich paritätisch gemischte Institutionen, die Wert auf eine respektvolle Etikette legen..."

      Ja, ich auch. Scheinen aber nichts sehr viele Menschen zu favorisieren, sonst wären solche Institutionen häufiger auffindbar.

  • Warum nicht einfach eine rein weibliche Eiswette ins Leben rufen und die Männer ihr Ding machen lassen? Und/oder parallel dazu eine gemischte Eiswette?