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US-Sicherheitsberater Bolton in Ankara„Bolton macht einen schweren Fehler“

Erdoğan lässt ein Treffen mit dem US-Sicherheitsberater platzen. Zuvor hatten die USA der Türkei Bedingungen für ihren Abzug aus Syrien gestellt.

Er könne Boltons Botschaft aus Israel nicht schlucken, sagte der Präsident vor der AKP-Fraktion Foto: dpa

Ankara taz | Der Besuch von US-Präsident Trumps Sicherheitsberater John Bolton am Dienstag in Ankara endete in einem Eklat. Nachdem Bolton in Israel öffentlich gesagt hatte, die US-Armee werde nicht aus Syrien abziehen, solange die Türkei nicht die Sicherheit der syrisch-kurdischen YPG-Milizen im Nordosten Syriens garantiere, ließ der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan ein Treffen mit Bolton platzen.

Während dieser lediglich von Erdoğans Sprecher İbrahim Kalın empfangen wurde, sagte Erdoğan im Parlament: „John Bolton macht einen schweren Fehler. Es ist unmöglich, Boltons Botschaft aus Israel zu schlucken oder zu akzeptieren“. Vor seiner AKP-Fraktion sagte Erdoğan weiter: „Wir werden sehr bald zur Tat schreiten, um die Terrorgruppen (gemeint ist die YPG) in Syrien zu neutralisieren. Unsere militärischen Vorbereitungen sind nahezu abgeschlossen. Die, die am Terrorkorridor (entlang der türkischen Grenze) beteiligt sind, werden die notwendige Strafe erhalten.“

Dieser öffentliche Affront gegenüber Trumps wichtigstem Mann zeigt den Zorn in Ankara über die Entwicklung in der Syrien-Politik Washingtons. Nachdem Trump persönlich Erdoğan kurz vor Weihnachten in einem Telefonat zugesagt hatte, die US-Soldaten aus Syrien kurzfristig abzuziehen und der türkischen Armee dann gegenüber der YPG freie Hand zu lassen, wird diese Ankündigung nun Schritt für Schritt zurückgenommen.

Wir werden sehr bald zur Tat schreiten

Recep Tayyip Erdoğan

Nachdem Trump für seine einsame Entscheidung zum Rückzug auch von Senatoren aus seiner eigenen Partei scharf kritisiert worden war, ließ er zunächst durchblicken, der Rückzug könne auch länger dauern, womöglich ein Jahr statt einen Monat, wie zunächst angekündigt. Dann präzisierten sein Außenminister Mike Pompeo und sein Sicherheitsberater John Bolton, dass ein Abzug nur infrage komme, wenn die Türkei die YPG nicht angreiffe.

Laut New York Times soll Bolton in Israel hinter verschlossenen Türen sogar angedeutet haben, dass ein US-Kontingent auch dauerhaft in Syrien stationiert bleiben könnte. Das ist nun das genaue Gegenteil von dem, worauf die Türkei gegenüber den USA nun schon seit Jahren drängt. Für die Türkei sind die Kämpfer der YPG als syrischer Ableger der türkisch-kurdischen „Terrororganisation“ PKK nichts anderes als „Terroristen“. Aus türkischer Sicht, das gilt nicht nur für die Regierung, ist es ein Unding, dass ihr Nato-Verbündeter USA sich ausgerechnet mit der YPG zusammengetan hat, um den IS zu bekämpfen.

Pompeo tourt derweil durch arabische Länder

Erdogan gibt sich deshalb fest entschlossen, zur Not auch im Alleingang zum dritten Mal in Syrien einzumarschieren. „Wir bekämpfen nicht die Kurden“, sagte Kalın zu Bolton, „sondern die Terrororganisation YPG“. Mit den Kurden habe die Türkei kein Problem. Ähnlich hatte Erdoğan bereits in einem Artikel für die New York Times am Wochenende argumentiert.

Gleichzeitig mit Boltons Besuch in Israel und der Türkei reist US-Außenminister Pompeo durch acht arabische Länder, um dort dem Eindruck entgegenzuwirken, die USA würden sich aus dem Nahen Osten insgesamt verabschieden. In Saudi-Arabien ging es dabei auch um den aus US-Sicht schädlichen Konflikt, den die Saudis mit Katar angezettelt haben. Katar bildet nun eine Achse mit der Türkei und Iran, was die Iran-Politik der USA schwächt.

Eine ähnliche Botschaft wollte Pompeo auch in Ägypten loswerden. Geplant war für Donnerstag eine große Rede Pompeos an der Universität von Kairo, wo genau vor 10 Jahren schon Präsident Barack Oba­ma wenige Monate nach seinem Amtsantritt seine Nahostpolitik verkündet hatte. Thema: „Amerika als Macht des Guten“.

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10 Kommentare

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  • Den USA bleibt gar nichts anderes übrig. Denn die Einbindung unzufriedener Gruppen und Milieus in gewaltsamen Auseinandersetzungen bedeutet eine Reduktion eigener Soldaten am Konfliktort. Wenn die USA jetzt die Kurden hängen lassen, brauchen sie woanders gar nicht mehr um Unterstützung zu werben. Erdogan wird mit seinem Ansinnen daher nicht durchkommen. Womöglich setzen die USA die Türkei jedoch finanziell unter Druck.

  • Thema: „Amerika als Macht des Guten“.

    Daran werden sich die Araber mit Grausen erinnern. Es folgten große Leichenberge...

    Wenn es nicht um Menschen ginge, könnte man sich fast amüsieren, welche Haken amerikanische Regierungen in den Trümmern ihrer Nahostpolitik schlagen.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Verstehe nicht, was Sie gegen eine Schutzfunktion der US-Armee für die YPG-Kurden in Nordsyrien und gegen Erdogan einzuwenden haben. Oder geht es Ihnen vor allem darum, Ihren plumpen Antiamerikanismus auf Kosten der Kurden darstellen zu wollen?

      • @Rinaldo:

        Sehr gut geschrieben Rinaldo.



        Was es sich mit dem Antiamerikanismus in Deutschland auf sich hat, hatte jüngst James Kirchick sehr gut beschrieben:



        -Unwahrheiten über das Amerikanische Leben-



        www.faz.net/aktuel...eben-15973571.html

        • @Günter:

          "Was es sich mit dem Antiamerikanismus in Deutschland auf sich hat..."

          Noch Einer, der es nicht gern hat, wenn über den Mist gesprochen wird, den amerikanische Regierungen so bauen.

          Ich mag vieles an den USA. Aber es gibt eben auch vieles, was ich zum Brechen finde. Ist in D und anderen Ländern auch so.

      • @Rinaldo:

        Die Kurden sind ein schönes Beispiel für amerikanische Realpolitik (das hinter den Phrasen). Ausnutzen und wegwerfen. Es war doch von Anfang an klar, für wen sich die amerikanische Regierung entscheidet, wenn sie zwischen einer linken Miliz und einem NATO Partner in erstklassiger strategischer Lage wählen müssen.

        Es ist überhaupt sehr interessant, wer plötzlich alles für die YPG ist. Hauptsächlich Leute, die sonst gern vor der "linken Gefahr" warnen. Es wäre gut, wenn diese Heuchelei aufhören würde. Die Kurden haben in den Führungsetagen des Westens keine Lobby. Das ist schon seit Jahrzehnten so. Eine andere amerikanische Regierung hätte für den Verrat eine Ausrede gesucht. Im Kern hätte sich aber nichts geändert.

        Das können Sie "Antiamerikanismus" nennen. (Darf man Trump kritisieren?) Ich nenne es Realismus.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Fragen Sie doch mal die YPG, ob die die US-Armee als Alliierten in Syrien haben will oder nicht. Aber das interessiert Sie nicht, Hauptsache Ihre Schubladen werden bedient...., auf Kosten der Kurden.

          • @Rinaldo:

            Lesen Sie doch einfach noch mal diesen Satz:

            "Es war doch von Anfang an klar, für wen sich die amerikanische Regierung entscheidet, wenn sie zwischen einer linken Miliz und einem NATO Partner in erstklassiger strategischer Lage wählen müssen."

            Genau vor dieser Wahl wurden die USA von Erdogan gestellt. Da spielt es doch keine Rolle, was die YPG will.

            PS: Ich war schon auf Seiten der Kurden, als die Mauer noch stand. Ich gebe mich nur keinen Illusionen hin. Hören Sie also auf, mir Kurdenfeindlichkeit zu unterstellen. Besonders nicht, wenn man bedenkt, dass sie Waffen mit denen türkische Regierungen seit Jahrzehnten Kurden massakrieren, von NATO Staaten geliefert wurden.

            • @warum_denkt_keiner_nach?:

              "Da spielt es doch keine Rolle, was die YPG will"...bei soviel Arroganz, erübrigt sich eine Diskussion...Widersprüche zwischen Nato-Partnern werden von Ihnen geleugnet, Ihr Weltbild ist schwarz-weiss, was nicht gerade dialektsiches Denken zeigt. Zu russischen Waffen für Erdogan (Abwehrsysteme), sowie Putins Kollaboration mit Erdogan in Afrin sagen Sie nichts. Sie machen sich die Welt, wie Sie Ihnen gefällt.

              • @Rinaldo:

                "...Widersprüche zwischen Nato-Partnern werden von Ihnen geleugnet..."

                Wirklich? Ich habe die Widersprüche benannt. Und die logische Lösung aus Sicht der NATO mit dazu.

                " Zu russischen Waffen für Erdogan (Abwehrsysteme), sowie Putins Kollaboration mit Erdogan in Afrin sagen Sie nichts."

                Wozu? Es geht hier um die Interaktion zwischen zwei NATO Staaten. Und ihre Auswirkungen auf die Kurden.

                "...bei soviel Arroganz, erübrigt sich eine Diskussion..."

                Mich interessiert, was die YPG will. Die Akteure in unseren Partnerstaaten aber nicht. Wenn ich das ausspreche, bin ich arrogant? Seltsam.

                "Ihr Weltbild ist schwarz-weiss"

                Das trifft wohl eher für Sie zu. Schließlich schlagen Sie Haken, um zu verschleiern, dass NATO Saaten sich wieder einmal unmöglich gegenüber den Kurden benehmen.

                PS: Erdogan beschießt die Kurden nicht mit russischen Flugabwehrraketen, sondern mit deutschen Panzerkanonen. Wollen Sie das vergessen, weil es nicht ins Weltbild passt?