Staatsschutz ermittelt gegen Beamte: Nazi-Drohbrief aus Polizeikreisen?
Eine Drohung gegen die Anwältin Seda Başay-Yıldız soll von Frankfurter Polizisten stammen. Sie betrieben wohl auch einen rechtsextremen Chat.
Der mit „NSU 2.0“ unterzeichnete Brief war Anfang August per Fax verschickt worden. Er enthält den Namen des Kindes sowie die öffentlich nicht bekannte Privatadresse von Başay-Yıldız.
Wie die Frankfurter Neue Presse (FNP) nun berichtete, führen die Ermittlungen des Staatsschutzes in dem Fall ins Innere der Polizei; die Melderegister-Einträge der Anwältin wurden demnach ohne ersichtlichen Grund über einen Computer im Frankfurter ersten Revier abgerufen.
Schon am Montag hatte die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) von Ermittlungen gegen vier Polizisten und eine Polizistin des Reviers berichtet. Diese sollen über eine Whatsapp-Gruppe volksverhetzende Inhalte und verfassungsfeindliche Symbole verschickt haben. Die ErmittlerInnen seien „nur durch einen Zufall“ im Zuge eines anderen Verfahrens darauf gestoßen.
Hausdurchsuchungen bei den Beamten
Nun erhärtet sich der Verdacht, dass es dabei um den Drohbrief gegen Başay-Yıldız handeln könnte. Demnach habe es Hausdurchsuchungen bei Beamten gegeben, die zum Abfrage-Zeitpunkt Zugriff auf den betreffenden Rechner der ersten Wache hatten. Dabei sei die Chatgruppe entdeckt worden.
Das Frankfurter Polizeipräsidium verweist auf die Staatsanwaltschaft. Dort war am Sonntag niemand zu erreichen; zuletzt hatte die Behörde auf laufende Ermittlungen verwiesen.
Başay-Yıldız selbst sagte der FNP, zur Polizei sei sie vor allem deswegen gegangen, weil öffentlich unbekannte Informationen wie der Name ihrer Tochter sowie ihre Privatadresse in dem Drohbrief auftauchten. Die Anwältin vertrat neben der Familie Şimşek auch den mutmaßlichen Islamisten Sami A., der im Juli trotz eines Abschiestopps nach Tunesien abgeschoben wurde. Der FAZ sagte Başay-Yıldız, sie habe von der Spur in die Polizei hinein erst durch die Presse erfahren. „Ich hätte mir gewünscht, dass die Polizei mich vorher darüber informiert hätte.“
Die fünf Beamten sind vorläufig ihrer Dienstgeschäfte enthoben. Die Linksfraktion im Hessischen Landtag hatte bereits wegen der Chatgruppen eine Sondersitzung des Innenausschusses für kommenden Mittwoch beantragt; nun wird es dort auch um den Drohbrief gehen.
Der im Raum stehende Verdacht sei „erschütternd“, sagte Linken-Fraktionsvorsitzende Janine Wissler der taz. „Seit wann weiß Innenminister Peter Beuth davon – und warum hat er das Parlament nicht informiert?“ Zu klären sei außerdem, was Vorgesetzte und KollegInnen im ersten Revier gewusst hätten und ob tatsächlich nur diese fünf Personen involviert seien – oder ob das Netzwerk noch größer sei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Merz stellt Reform in Aussicht
Zarte Bewegung bei der Schuldenbremse
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“