piwik no script img

Abrüstung von AtomwaffenDie Nato stellt sich hinter Trump

Der Westen wirft Russland einen Bruch gegen den INF-Atomwaffenvertrag vor. Damit ist der Streit mit Putin in vollem Gange.

Nicht mehr nur die USA werfen Russland Vetragsbruch vor – die 27 anderen Nato-Staaten schließen sich an Foto: reuters

GENF taz | Der Streit zwischen Russland und dem Westen über die Zukunft des 1987 zwischen den USA und der damaligen Sowjetunion geschlossenen Vertrages zum Verbot von Mittelstreckenraketen (INF) ist am Mittwoch voll entbrannt. Mit scharfen Worten reagierte die Regierung in Moskau auf den erstmals gemeinsam von der Nato erhobenen Vorwurf, Russland habe vertragswidrig neue Mittelstreckenraketen entwickelt.

Diese Feststellung der Nato-Außenministertagung in Brüssel wurde noch verschärft durch das Ultimatum der USA, das INF-Abkommen im Falle eines fortgesetzten Vertragsbruchs der russischen Seite nach Ablauf einer Frist von 60 Tagen zu kündigen und selber neue Raketen zu entwickeln.

Der russische Präsident Wladimir Putin warf den USA vor, keine Beweise für einen Vertragsbruch Moskaus vorgelegt zu haben. Er unterstellte der US-Regierung, schon lange den eigenen Ausstieg aus dem INF-Abkommen geplant zu haben. Die Vorwürfe an die Adresse Moskaus seien nur ein Vorwand. Wörtlich erklärte Putin: „Die Entscheidung der USA zur Entwicklung neuer Mittelstreckenraketen wurde vor langer Zeit getroffen, nur insgeheim. Sie dachten, dass wir es nicht bemerken werden. Aber im Pentagon-Budget ist bereits eingeplant, dass diese Raketen entwickelt werden.“

Tatsächlich hatte der US-Kongress auf Antrag der Trump-Regierung für das Haushaltsjahr 2018 eine erste Tranche von 500 Millionen US-Dollar für die Entwicklung einer neuen Mittelstreckenrakete bewilligt.

Maas spricht von bündnisinternem Kompromiss

Russlands Generalstabschef Waleri Gerassimow drohte Staaten, die im Fall einer US-Aufrüstung neue US-Mittelstreckenraketen bei sich stationieren. „Nicht das Territorium der USA, sondern das der Länder, die die Stationierung amerikanischer Kurz- und Mittelstreckenraketen zulassen, wird bei einer Antwort Russlands zum Objekt der Zerstörung werden“, erklärte Gerassimow am Mittwoch in Moskau vor ausländischen Militärdiplomaten.

Am Dienstag hatten die Außenminister der 28 Nato-Staaten Moskau in einer gemeinsamen Erklärung vorgeworfen, mit der Entwicklung und Landstationierung des Raketensystems SSC-8 gegen den INF-Vertrag zu verstoßen. Moskau müsse „unverzüglich“ zu den Bestimmungen des Abkommens zurückkehren. Zur Erfüllung dieser Forderung setzte US-Außenminister Mike Pompeo der Regierung Putin eine Frist von 60 Tagen.

Der deutsche Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) bezeichnete dieses Vorgehen anschließend als einen bündnisinternen Kompromiss, ohne den die Trump-Regierung den INF-Vertrag schon jetzt, wie Ende Oktober angedroht, gekündigt hätte. Russland werde stattdessen Zeit eingeräumt, die Abrüstung der Raketensysteme durchzuführen.

Der grüne Bundestagsabgeordnete Jürgen Trittin bemängelte das als „zu wenig“. „Angebote zur Abrüstung – etwa ein Verzicht auf die Raketenabwehr oder ein Ende der Atomwaffen im pfälzischen Büchel – wurden nicht einmal in Erwägung gezogen“, erklärte er. Maas habe sich von seinem US-Amtskollegen Pompeo „wie ein Schuljunge in die Reihe stellen lassen“.

Der FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff sagte: „Die kommenden zwei Monate müssen die Nato-Partner intensiv nutzen, um Russland mit Nachdruck zur Einhaltung des Vertrags zu bewegen.“ Deutschland müsse dabei eine Führungsrolle einnehmen. Als möglichen Weg nannte Lambsdorff eine von Bundesaußenminister Maas bereits angekündigte Initiative für globale Rüstungskontrolle. „Jetzt hat er Gelegenheit, seinen Worten Taten folgen zu lassen“, sagte der FDP-Politiker.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Der Vertrag ist eh überholt mit Ländern wie China, Indien, Pakistan und Nord Korea die alle Mittelstreckenraketen haben, entweder globale Verträge oder bleiben lassen.

  • Ungeachtet der Tatsache, daß Russland wohl tatsächlich gegen den INF Vertrag verstößt; das Amerika aussteigen will hat einen anderen, strategischen Grund: China. China kann ungehemmt Mittelstreckenraketen entwickeln, da nicht an den INF gebunden. Und gerade gegen atomare Mittelstreckenraketen können die Amis im Fall der Fälle, der hoffentlich nie eintreten mag, ihre Flugzeugträgerflotten nicht verteidigen. Dies gilt auch für z.B. Nordkorea und Iran, und viele andere Länder, von denen 1987 noch nicht abzusehen war, daß sie einst "nukleare Ambitionen" entwickeln könnten.

    Weder der USA noch den NATO Verbündeten bringen Mittelstreckenraketen irgendwelche strategischen Vorteile. Also ist es nur verständlich, daß sie den INF aufkündigen und an dessen Stelle ein Abkommen setzen wollen, daß Mittelstreckenraketen generell verbietet. Im Sinne der Abrüstung eine gute Sache, aber die Frage ist nur: Wie überzeugt man Russland und China, die einzigen auf die es wirklich ankommt und für die Mittelstreckenraketen eine enorme strategische Bedeutung haben davon? Und was ist man bereit als Gegenleistung anzubieten?

    Wirklich schwierig, aber mann kann nur die Daumen drücken, daß es eine Einigung gibt. Wenn nicht droht ein neues Wettrüsten, und dies ist keine Plattitüde sondern traurige Realität.

  • "Nicht mehr nur die USA werfen Russland Vetragsbruch vor – die 27 anderen Nato-Staaten schließen sich an" - was für ein Unsinn! Jede/r weiss, daß die USA die NATO dominieren. also ist Trumps Meinung Gesetz in der NATO. Russland ist immer noch der Feind, ja sogar der Lebensinhalt der NATO. Wer soll denn all' den Rüstungskrempel kaufen, wenn keiner mehr an einen Feind glauben würde...



    Und, natürlich, Verstösse gegen irgendwelche Verträge kommen IMMER vom Feind, und NIEMALS von einem selber, das kann ja per definitionem schon gar nicht sein! WIR SIND IMMER DIE GUTEN !!



    P.S.: gelegentlich heisst es noch irgendwo, daß die 'taz' ein linkes Projekt sei... war vielleicht mal so, aber heute ist sie ein recht strammes NATO-Blatt, halt milieugerecht aufbereitet für Grüne :-(

    • @dodolino:

      Von welchem Standpunkt ist denn die Taz ein "recht strammes NATO-Blatt" links der Roten Fahne?

      • @Sven Günther:

        Wenn ich Ihre Frage richtig verorte, dann müsste ich ja von ultra-ultra-links stehen...



        Fakt ist aber, daß man bei 'links' immer eine gehörige Portion Skepsis gegenüber NATO-Verlautbarungen haben sollte. Es fehlen, beispielsweise, ja noch die Beweise für die Anschuldigungen des Vertragsbruchs. Oder wird sowas von Rechtsstaatlern, wie wir es sein wollen, nicht mehr erwartet?

        • @dodolino:

          "Hier wird ein wichtiger Punkt nicht genannt.

          Die Nato weiß nicht genau, ob die 9M729 wirklich die 2.600 km Reichweite hat, die die Amerikaner benennen.

          Die USA beschuldigen die Russen schon seit 2014, den INF zu verletzen.

          www.state.gov/t/av...pt/2014/230047.htm

          Die Amerikaner teilen aber wohl ihre Erkenntnisse nicht mit den Europäern. Schön konnte man das in der Nato Erklärung vom 15.12.17 sehen.

          "The United States is in compliance with its obligations under the INF Treaty and committed to strictly implementing it. Allies have identified a Russian missile system that raises serious concerns; NATO urges Russia to address these concerns in a substantial and transparent way, and actively engage in a technical dialogue with the United States."

          Nicht die Nato hat dieses Erkenntnisse, sondern nur ein Alliierter, nehmen wir mal weiter an, dass das nicht Litauen ist. Wird hier auch eindeutig gefordert, die Russen sollen mit den USA reden.

          Also besteht hier ein Vorwurf, den wir selbst nicht überprüfen können und über den Ausgang der Gespräche erfahren wir, was uns der große Bruder sagen möchte.

          Dafür halte ich die Formulierung, die wir da mittragen, für ziemlich forsch."

          Mein Kommentar gestern dazu.

          • @Sven Günther:

            Wo hat denn die Taz die Nato Position gestützt?

  • Info.- Empfehlung

    der Freitag. Das Meinungsmedium | Ausgabe 47/2008: Das Ende des amerikanischen Jahrhunderts. Von Max Boot. »Machtfaktoren: Militär und wirtschaftliche Stärke. Ein Vertreter seiner Administration hat die dem zugrunde liegende Weltsicht so beschrieben: „Sein Traum ist eine starke Armee, die unsere Heimat beschützt. Wir würden uns gern einmauern, nach Belieben zuschlagen und sofort wieder auf unsere Verteidigungsposition zurückziehen.“«



    www.freitag.de/aut...schen-jahrhunderts

    Siehe auch hier Info.- Kommentar:

    Der Imperialismus der Vereinigten Staaten

    Die heutigen weltweiten Nuklearwaffensysteme und „die halbe Welt in einem Zustand der Geistesabwesenheit“ (Max Boot). – ''Der abstürzende US-amerikanische Seeadler will die ganze Welt mit in den Abgrund reißen.'' (Regimekritiker_Dracula)

    Aspekte zum Imperialismus im Nuklearzeitalter,



    vor dem letzten Weltkrieg im 21. Jahrhundert (?)

    ''{…} Es gibt keine Verbrechen, zu denen die Imperialisten nicht bereit wären, um ihre Herrschaft über die Völker der Welt aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen.''

  • Putin führt doch wie immer alle an der Nase herum. Die Urlauber in der Ostukraine, die Krim, die Morde an seinen Kritikern, Giftgaseinsätze in England, Seeblockaden, etc etc....