Michael Braun über den Haushaltsstreit zwischen Italien und EU: Die Apokalypse fällt aus
Wochenlang hielt der Haushaltsstreit zwischen Italien und der EU-Kommission ganz Europa in Atem. Apokalyptisch waren die Szenarien, sogar der Untergang des Euro wurde von diversen Experten an die Wand gemalt. Und schrill waren die Töne, Jean-Claude Juncker durfte sich von Italiens Vizepremier Matteo Salvini als Trunkenbold schmähen lassen, die italienische Regierung wiederum musste sich anhören, sie sei ein Trupp pflichtvergessener Hasardeure.
Doch plötzlich scheint es, als fiele die Apokalypse erst einmal aus. Man kann es auch anders sagen: Fast scheint es, als seien die Streitenden zur Besinnung gekommen. Schon im Ausgangspunkt wollte nicht recht einleuchten, wieso eine italienische Neuverschuldung von 2,4 Prozent des BIP im Jahr 2019 die Gemeinschaftswährung an den Rand des Kollapses bringen sollte. Gegenüber den von der EU-Kommission zugebilligten 1,6 Prozent ging es da um gerade einmal 13 Milliarden Euro.
Um 13 Milliarden, die nur aus einem Grund Sprengkraft entfalteten: Es ging beiden Kontrahenten ums „Prinzip“, und dieses Prinzip hat einen Namen: Defizitverfahren. Dieses Verfahren hätte den frontalen Zusammenstoß zwischen Italien und der Kommission symbolisiert, und es hätte in der Tat das Potenzial, vorneweg das Vertrauen der Finanzmärkte zu zerstören.
Italien konnte schon in den letzten Wochen die Schäden der Konfrontation besichtigen – in Form des wachsenden Zinsabstands zu Deutschland, der momentan bei 3 Prozent liegt. Mit solchen Zinsen müsste die Regierung aus Fünf Sternen und Lega fürs Jahr 2019 gut 6 Milliarden Euro zusätzliche Ausgaben kalkulieren – die gerade erstrittenen Handlungsspielräume wären sofort wieder weg. Es leuchtet andererseits nicht ein, was der Rest der EU von einem Italien haben soll, das in eine schwere Krise rutscht. Diese Einsicht scheint sich durchzusetzen. Mittlerweile geht das Gezerre nur noch um 0,2 bis 0,4 Prozent bei den Schulden. Das ist fast schon lächerlich – aber wenn es Europa hilft, sollte es recht sein.
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