Genmanipulierte Neugeborene in China?: „So gesund wie jedes andere Baby“
Ein chinesischer Forscher wollte mithilfe der Genschere CRISPR/Cas9 Kinder resistent gegen HIV machen. Der Deutsche Ethikrat zeigt sich entsetzt.
Ziel des chinesischen Wissenschaftlers sei es nicht, eine erbliche Krankheit zu heilen oder zu verhindern, sondern die Babys resistent gegen das Aids-Virus HIV zu machen. Ob es den Eingriff tatsächlich gegeben hat, ist bislang nicht bestätigt. Dafür bedarf es einer unabhängigen wissenschaftlichen Veröffentlichung. Der chinesische Wissenschaftler hat den Eingriff lediglich in einem Register für klinische Tests eintragen lassen.
Genmanipulation bei menschlichen Embryos gilt unter den meisten Wissenschaftlern als verpönt und ist in fast allen Ländern verboten. Die Risiken von Missbildungen gelten als äußerst hoch. Auch ethisch gibt es große Bedenken. Befürchtet wird, dass Forscher den „perfekten“ Menschen kreieren könnten.
Auch in China ist Genmanipulation bei menschlichen Embryos offiziell verboten. Doch anders als etwa in westlichen Ländern gibt es de facto keine Kontrolle. Unter Genforschern weltweit hat sich bereits herumgesprochen, dass in China vergleichsweise ungezügelt in diesem Bereich geforscht werden kann. Einige Tabus haben Wissenschaftler in China auch schon gebrochen. 2015 etwa wagten es chinesische Wissenschaftler erstmals, in das Erbgut frisch befruchteter menschlicher Embryos einzugreifen. Angeblich hätten die Wissenschaftler aber absichtlich fehlgebildete Embryos verwendet.
Der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Peter Dabrock, zeigte sich entsetzt über das jüngste Experiment, das er als „Menschenversuche“ bezeichnete. „Sollte es sich bewahrheiten, dass ein mithilfe von CRISPR genmanipuliertes Baby erzeugt worden ist, wäre dies für die Wissenschaft ein Super-GAU.“ Und auch die Erfinderin des CRISPR/Cas9, Jennifer Doudna, verurteilte das Vorgehen des chinesischen Wissenschaftlers als unverantwortlich, ebenso wie die Shenzhener Universität, an der He forscht und die jedes Wissen über seine Experimente zurückwies.
Führende Wissenschaftler in dem Bereich fordern bereits seit einiger Zeit, dass sich die Politik so schnell wie möglich auf globaler Ebene des Themas annimmt. „Angesichts der in China zu Tage getretenen Ansinnen muss man darüber nachdenken, eine Überwachungsbehörde analog zur Internationalen Atomenergie-Organisation zu schaffen“, fordert auch Dabrock. Schließlich handele es sich dabei um „gravierende Eingriffe in die biologische Grundlage des Menschen“. Sie beträfen nicht nur einen Einzelnen, sondern potenziell alle seine Nachkommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier des FInanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
VW in der Krise
Schlicht nicht wettbewerbsfähig
Kritik an Antisemitismus-Resolution
So kann man Antisemitismus nicht bekämpfen
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Mögliche Neuwahlen in Deutschland
Nur Trump kann noch helfen
Kränkelnde Wirtschaft
Gegen die Stagnation gibt es schlechte und gute Therapien