Gen-Forschen an Embryos genehmigt: Der Tabubruch
Forscher in Großbritannien dürfen nun das Erbgut menschlicher Embryos verändern. Erst 2015 waren sich Biomediziner einig, das zu unterlassen.
Berlin taz | Die Nachricht kommt nicht überraschend, und dennoch stellt sie eine Zäsur dar in der ethischen und politischen Debatte über Genmanipulationen am Menschen: Großbritannien hat erstmals britischen Forschern erlaubt, gezielt das Erbgut menschlicher Embryos zu verändern.
Der Antrag von Dr. Kathy Niakan vom Francis Crick Institute ziele darauf ab, mehr über die Ursachen von Fehlgeburten und Unfruchtbarkeit herauszufinden – und sei genehmigt worden, teilte die zuständige Behörde am Montag in London mit.
Laut der Fachzeitschrift Nature ist es weltweit das erste Mal, dass eine nationale Aufsichtsbehörde grünes Licht für Genmanipulationen an einem menschlichen Embryo gibt. Ein erster Versuch, diese Methode anzuwenden, wurde Anfang 2015 schon einmal in China unternommen, scheiterte allerdings.
Es handele sich lediglich um Versuche zu Forschungszwecken, heißt es nun; die gentechnisch veränderten Zellen dürften keiner Frau in die Gebärmutter eingepflanzt werden. Die Entstehung menschlichen Lebens mit verändertem genetischen Code sei somit ausgeschlossen.
Es könnte den Durchbruch bedeuten
Das Francis Crick Institute hatte bereits im September 2015 mitgeteilt, dass es die Zusammenhänge darüber, welche Gene die erfolgreiche Entwicklung von Embryos steuern, erforschen wolle. Dies solle an Embryos bis zu sieben Tage nach der Befruchtung geschehen. Die Embryos selbst stammten von Paaren, die sich einer künstlichen Befruchtung unterzogen und die überzähligen Embryos gespendet hätten. Nach Abschluss des Experiments sollen sie zerstört werden.
Die Genehmigung ist insofern nur der Vollzug eines seit Monaten angekündigten, höchst umstrittenen Vorhabens – dem sogenannten Genome Editing. Die Zulassung betrifft die „Crispr/Cas9-Methode“. Sie erlaubt, kranke Gene in der DNA zu bestimmen, um sie gezielt auszuschalten. Crispr/Cas9 funktioniert, vereinfacht gesagt, wie eine Schere bakteriellen Ursprungs im Erbgut, mit der sich einzelne Abschnitte gezielt herausschneiden oder einfügen lassen. So kann man Gene geradezu spielerisch verändern. Zur Behandlung von Krankheiten wie HIV, Krebs, Diabetes oder Muskeldystrophie, so hoffen Mediziner, könnte das den Durchbruch bedeuten. Aber darf deswegen auch an Embryos geforscht werden?
Für die Wissenschaft kommt die Genehmigung einem Tabubruch gleich: Im Frühjahr 2015 erst hatten sich führende internationale Biomediziner und Genetiker auf ein freiwilliges Moratorium geeinigt: Weder an menschlichen Keimzellen noch an Embryos würden sie Crispr/Cas9 zu Forschungszwecken ausprobieren, solange die gesellschaftspolitische Debatte hierzu kein eindeutiges Resultat gebracht habe. Zu fundamental seien die möglichen Konsequenzen des Genome Editing, nicht nur für den einzelnen Menschen.
Denn die Veränderung des Erbguts bliebe nicht auf die Organe, das Immunsystem oder das Blut des Individuums beschränkt, sondern würde auch in die sogenannte Keimbahn eingreifen.
Unter der Keimbahn versteht man die Zellen, die die genetischen Informationen von einer Generation zur nächsten weitergeben. Eine Manipulation dieser Zellen ist unumkehrbar; sie ist nichts Geringeres als ein Eingriff in die Evolution.
Leser*innenkommentare
65572 (Profil gelöscht)
Gast
Manchmal würde man sich wünschen, daß die Wissenschaftsfunktionäre, die zitiert werden beim Namen genannt werden.
"Es handele sich lediglich um Versuche zu Forschungszwecken, heißt es nun; die gentechnisch veränderten Zellen dürften keiner Frau in die Gebärmutter eingepflanzt werden."
Selbstverständlich muß eine neue Methode erstmal etabliert werden, schon weil sich in diesem Stadium keine Frau darauf einlassen würde.
"Die Entstehung menschlichen Lebens mit verändertem genetischen Code sei somit ausgeschlossen."
Das ist wirklich beunruhigend, daß, falls die Methode eines Tages etabliert sein sollte, der genetische Code zur Disposition steht. Ungeahnte Möglichkeiten für die Lieferanten von - dann vermutlich patentierten - Nahrungsergänzungsmitteln tun sich auf.
Horn
Dinge, die man hierbei nicht vergessen sollte: Es ist nach wie vor verboten, genetisch modifiziertes menschliches Leben zu züchten und großzuziehen. Das wissen auch Wissenschaftler und sie sind sich auch darüber im klaren, dass ein solcher Schritt viel zu drastisch und gefährlich wäre. Weswegen man die Embryonen auch nach spätestens 14 Tagen zerstören muss...
Ich persönlich halte eine Ansammlung von weniger als 1000 menschlichen Zellen generell nicht als menschliches Leben.
Man darf auch nicht vergessen: Experimente an menschlichen Embryonen gibt es schon eine ganze Weile und zwar mit den überschüssigen Embryonen aus der künstlichen Befruchtung (es werden dort immer mehrere Embryonen gezüchtet). Die Alternative hieße, die Embryonen unmodifiziert zu töten. Ob die Modifizierung hier tatsächlich das ethische Problem darstellt - ich weiß es nicht (zumal Niakans Embryonen sich aufgrund des Befruchtungsprozesses ebenfalls niemals in einen Menschen entwickeln könnten, selbst wenn sie in eine Mutter eingepflanzt werden würden).
Die einzige Neuerung hier: Man experimentiert nun auch mit der DNS und versucht daraus neue Erkenntnisse zu gewinnen.
Mit Auszeichnungen und Anerkennung hat das m. E. wenig zu tun. Menschliche Neugier in Form von Grundlagenforschung ist etwas natürliches, was sich über kurz oder lang nicht verhindern lässt.
Alexander Reich
Es war doch nur eine Frage der Zeit, bis sich ein Forscher-Team eine offizielle Genehmigung für dieses Verfahren einholt. Ob das einem Tabubruch gleichkommt lassen wir mal dahin gestellt. Auf jeden Fall geht es in eine Richtung, die zukünftig noch viel Sprengstoff in sich birgt. Was Monsanto seit Jahren im Nutzpflanzenbereich macht, kann und wird m.E. auch bald im menschlichen Genom zur Alltäglichkeit verkommen. Welchen Nutzen wir als Menschheit davon haben, lässt sich wohl nur sehr schwer abschätzen.
Ansgar Reb
Jetzt sind Wirtschaftssanktionen gegen Großbritannien erforderlich. Experimente mit dem menschlichen Leben, das geht nicht.
Grefe Hans-Ulrich
Ja, ich stelle ganz klar und deutlich die Frage: Ist Forschung und Wissentschaft nur noch " Abschaum" nur noch das Erringen nach Auszeichnungen und Anerkennung? Oder gibt es noch was anderes........????????
Und das Bewilligen von Forschungsgeldern ?????
Hans-Ulrich Grefe
Trollator
Also ich würde mich sehr darüber freuen, wenn es durch diese Forschung Durchbrüche bei der Therapierung von Krebs gemacht würden. Derzeitige Therapieformen sind im Vergleich teilweise recht barbarisch und zudem in vielen Fällen aussichtslos.
Ich kann auch nichts Verwerfliches daran finden, an mit bloßem Auge kaum zu sehenden menschlichen Zellhaufen zu forschen, insbesondere, wenn diese schließlich vernichtet werden. Wer hier "menschliches Leben" sieht, braucht eine bessere Brille.
Sehr traurig, dass diese Art von Forschung in Deutschland nicht möglich ist. Wegen des starken religiösen Einflusses auf die Politik, wird sich das wohl leider auch nicht so schnell ändern.
Grefe Hans-Ulrich
Ja,
dann würde ich mal sagen....: dat war es.
Bei dieser Einstellung....fürchterlich.
Kann ich nur sagen. " Denn sie wissen nicht was sie tun!!! "
Hans-Ulrich Grefe
adagiobarber
Alles schon vor über 10 Jahren vorausschauend angekündigt worden :
Ron Baker: Sex im 21.Jahrhundert
wxyz
Die Entwicklung ist vorhersehbar.
Gegenwärtig sind herbizidresistente Nutzpflanzen bereits weltweit verbreitet. Wenn die Genpanscherei in absehbarer Zeit auf menschliche Embryonen überschwappt, dann ist es ebenfalls nur eine Frage der Zeit, bis es weltweit "Nutzmenschen" gibt, die resistent gegen Umweltgifte oder gegen Mobbing am Arbeitsplatz sind, und bald darauf haben wir wohl auch weitere "Nutzmenschen", die genetisch bestimmt stets die Partei wählen, die gewählt werden soll.
Und was ist mit denjenigen, die erfolgreich einer solchen Manipulation entgehen? Auch klar, die sterben dann aus!
Grefe Hans-Ulrich
Zur Forschung ? Hier sind Idioten am Werk !!!
Hans-Ulrich Grefe
Grefe Hans-Ulrich
Unter Forschung und Wissenschaft gibt es immer Leute, die wollen auf Grund von Anerkennungsproblemen Tabus brechen und somit ihren psychischen Defekt, den sie bestimmt haben, kompensieren. Auch die Leute, die sowas zulassen, gehören in Therapie.
Hans-Ulrich Grefe