Neue Methoden zur Genmanipulation: Einfach, schnell und nicht teuer
Mit CRISPR soll das Verändern eines Gens so einfach werden wie das Editieren eines Textes. Wie die Methode funktioniert und was das Problem ist.
Die Rede ist von CRISPR, einem neuen Verfahren, mit dem Manipulationen im Erbmaterial von Lebewesen vorgenommen werden können, so gezielt und präzise wie niemals zuvor. Selbst Eingriffe, gentherapeutische Verfahren etwa, die bisher aufgrund fehlender molekularbiologischer Werkzeuge praktisch nicht durchführbar waren, sollen mit der neuen Wunderwaffe CRISPR jetzt möglich werden. Sogar die Veränderung der menschlichen Keimbahn, also von Fortpflanzungszellen, wird jetzt möglich. Bisher wurde dies aus ethischen Gründen abgelehnt.
CRISPR – ausgesprochen: Crisper – ist ein Akronym und steht für Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats. Damit werden kurze RNA-Abschnitte bezeichnet, mit der zielgenau bestimmte Stellen im Genom aufgefunden werden können. RNA, also Ribonukleinsäure, ist chemisch ähnlich wie die DNA aufgebaut und auch ein Informationsträger.
Die Bausteine der RNA müssen wie Schlüssel und Schloss mit der Basenabfolge der DNA zusammenpassen, die verändert werden soll. Gekoppelt an dieses Ortungssystem ist eine Gen-Schere, ein Enzym namens Cas9, das genau an dieser Bindungsstelle die doppelsträngige DNA durchschneidet. Das in den Zellen vorhandene Repairsystem schweißt dann die zerschnittene DNA wieder zusammen.
Bei diesem Prozess können Veränderungen in der Basenabfolge der DNA vorgenommen werden. Es können Gensequenzen entfernt oder neue Gene hinzugefügt, einzelne Bausteine ausgetauscht oder herausgeschnitten werden. Die Möglichkeiten sind fast unbegrenzt.
Entdeckt wurde das CRISPR-System vor rund zehn Jahren. Forscher fanden heraus, dass Bakterien ein Abwehrsystem gegen Viren besitzen. Dringt ein Virus in ein Bakterium ein, bekommt das CRISPR-System die Erbinformation des Eindringlings als Zielkoordinate. CRISPR erkennt die DNA des Virus und die Gen-Schere vernichtet den Eindringling.
Die beiden Wissenschaftlerinnen Jennifer Doudna von der Universität in Berkeley und Emmanuelle Charpentier, derzeit Professorin am Berliner Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie, entwickelten dann vor vier Jahren das CRISPR-System zu einem vielseitigen Werkzeug für die Molekularbiologie.
Schon 3.000 Publikationen
Um einen beliebigen Genort ausfindig zu machen, muss nur der kurze RNA-Abschnitt von CRISPR mit den entsprechenden RNA-Bausteinen ausgestattet werden. Dies geschieht außerhalb der Zelle im Reagenzglas. Das CRISPR-System wird dann in die Zelle eingebracht, wo es die DNA umschreibt.
Im August 2012 veröffentlichten Doudna und Charpentier, damals noch als Wissenschaftlerin an der schwedischen Universität Umeå, sowie mehrere KollegInnen ihre bahnbrechenden Erkenntnisse im Wissenschaftsmagazin Science. Seitdem schnellte die Anzahl der Publikationen über CRISPR nach oben. Rund 3.000 Arbeiten sind mittlerweile veröffentlicht worden. Es gibt wohl kaum ein Gentech-Labor, in dem nicht das CRISPR-Verfahren eingesetzt wird.
Schneller, sehr viel billiger und sehr leicht handhabbar: Das sind nur einige der Vorteile, die CRISPR gegenüber den herkömmlichen Genmanipulationsverfahren hat. Für Charpentier ist das auch eine Demokratisierung der Forschung. Denn jeder Doktorand kann sie schnell erlernen und einsetzen.
Ein wichtiger Vorteil der Methode ist auch, dass mit CRISPR gleichzeitig eine größere Anzahl von Genabschnitten verändert werden kann. Auch müssen nicht noch zusätzliche Genabschnitte mit eingeführt werden.
Heimliche Manipulationen werden möglich
Eine Pflanze, die mit herkömmlichen gentechnischen Methoden widerstandsfähig gegen ein Herbizid gemacht wurde, besaß bisher neben dem Resistenzgen noch ein zusätzliches Regulator-Gen und auch Sequenzen, die für die Transformation notwendig sind. Deshalb enthielten diese transgenen Pflanzen oftmals Gensequenzen von drei oder mehr unterschiedlichen Organismen. Bei CRISPR ist das zumeist nicht notwendig.
In diesem Vorteil der neuen Methode steckt jedoch auch eine Gefahr: Werden nur einzelne Bausteine ausgetauscht, ist hinterher nicht mehr erkennbar, dass überhaupt eine gesteuerte Genveränderung durchgeführt worden ist. Die Veränderung ist von einer natürlich vorkommenden Genmutation nicht mehr zu unterscheiden. Zudem birgt der leichte und günstige Zugang zu CRISPR auch die Gefahr, dass in nicht kontrollierten oder gar geheimen Laboren unerwünschte Gentech-Organismen geschaffen und auf die Menschheit losgelassen werden.
Die Wissenschaftswelt spricht bei CRISPR tatsächlich nicht mehr von einer Genmanipulation oder gentechnischen Veränderung. Die neue Bezeichnung ist „Genom Editing“.
Damit wird die Vorstellung vermittelt, dass der Eingriff so einfach durchgeführt werden kann wie das Redigieren eines Textes am Computer. Mit der Gentechnik, die vor allem bei Pflanzen und Lebensmitteln auf große Akzeptanzprobleme stößt, soll das dann nichts mehr zu tun haben.
Hintertür für Gentechnik
Das hat Folgen: Das US-Biotechunternehmen Cibus hat mit einem Vorläuferverfahren von CRISPR, das auch als Genom Editing eingestuft wird, Rapspflanzen widerstandsfähig gegen das Herbizid Glyphosat gemacht. In mehreren EU-Staaten, unter anderem Schweden, sind Freilandversuche durchgeführt worden. Ein Genehmigungsverfahren musste die Methode nicht durchlaufen.
Auch in Deutschland sollte der Cibus-Raps angebaut werden. Das zuständige Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) gab schon sein Okay, da es sich nach ihrer Einschätzung nicht um gentechnisch veränderte Pflanzen handelt.
Gentech-Kritiker und Bio-Verbände befürchten, dass damit die Gentechnik durch die Hintertür kommt, denn derartige Produkte müssten auch nicht gekennzeichnet werden. Jetzt soll auf EU-Ebene entschieden werden, ob mit Genom Editing veränderte Pflanzen unter die Gentechnik-Regeln fallen sollen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier