Linke Hoffnungsträgerin in Hessen: Kämpferisch und redegewandt
Mit mehr als 6 Prozent zieht die Linkspartei erneut in den Hessischen Landtag ein. Das verdankt sie nicht zuletzt Spitzenkandidatin Janine Wissler.
Das ist verständlich. Denn bislang war der Landtagseinzug stets eine Zitterpartie gewesen: 2008 reichte es mit 5,1 Prozent nur hauchdünn, auf 5,4 Prozent kam die Linkspartei 2009, 2013 wurde es mit 5,2 Prozent noch einmal sehr knapp. Da ist das Ergebnis jetzt geradezu luxuriös. „Wir haben unser wichtigstes Wahlziel erreicht“, sagte Wissler am Wahlabend in Wiesbaden. Dafür hat sie bis zum Schluss gekämpft.
Zwei Tage zuvor absolviert Wissler ihren letzten großen Wahlkampfauftritt. Energisch erklimmt sie an diesem kühlen Freitagabend die Bühne auf dem Wiesbadener Mauritiusplatz. Auf dem Redepult, das sie gerade so überragt, liegen Sprechzettel, doch die bleiben achtlos liegen. Wissler kennt ihren Text.
Wortreich klagt die Vorzeigelinke über die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, über den Vorrang des Profits vor den Menschen im Kapitalismus. Dabei zerteilt sie mit Handkantenschlägen die Luft, mal rechts, mal links vom Pult. Der Applaus ist groß. Zum Wahlkampfabschluss ist auch Gregor Gysi nach Wiesbaden gekommen. „Sie hat den Mumm, sich mit den Mächtigen anzulegen“, schwärmt er.
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Endlich mal wieder im Landtag
Ob in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen oder Bayern: Bei den letzten vier Landtagswahlen hat die Linkspartei ausnahmslos den Parlamentseinzug verpasst. Dass es in Hessen weniger trostlos aussieht, daran hat Wissler einen gehörigen Anteil.
In anderen westdeutschen Landesverbänden der Linkspartei ist das Personal meist entweder unbekannt oder zerstritten. In Hessen sieht das anders aus, was nicht zuletzt als Verdienst Wisslers gilt. Seit dem erstmaligen Einzug der Linkspartei vor zehn Jahren gehört sie dem Parlament an. Nachdem ihr friedensbewegter Co-Vorsitzender Willi van Ooyen, mit dem sie gut zusammengearbeitet hatte, vor eineinhalb Jahren in Rente ging, ist die kämpferische und redegewandte Diplom-Politologin unbestritten die Nummer eins in der Linksfraktion.
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In der zu Ende gehenden Legislaturperiode sprach keinE AbgeordneteR im Landtag so häufig wie die 37-jährige Frankfurterin. Stolze 387-mal trat sie ans Mikrofon. Zum Vergleich: Der CDU-Fraktionschef brachte es auf 150 Redebeiträge. Als „Star der Linken ohne Starallüren“ bezeichnete sie die FAZ anerkennend und attestierte ihr, sie sei eine „frische, aufgeweckte, schlagfertige Frau“, die Charme ausstrahle.
Zweimal, 2008 und 2013, hat Wissler in quälenden Sondierungen mit SPD und Grünen die Möglichkeiten für einen Politikwechsel in Hessen ausgelotet. Jedes Mal gab es eine rechnerische Mehrheit für ein Mitte-links-Bündnis. Doch 2008 scheiterte SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti an den GenossInnen, 2013 scheuten sowohl Grüne als auch die SPD das Wagnis. Für Wissler vergebene Chancen.
Jetzt reicht es selbst rechnerisch nicht mehr. Große Hoffnungen, dass es diesmal etwas werden könnte, hatte Wissler ohnehin nicht. „Die Grünen haben ihr Programm in die Tonne gekloppt, um für die CDU anschlussfähig zu werden“, konstatierte sie bitter.
Dass CDU und FDP im Endspurt des Wahlkampfs wieder vor sozialistischen Experimenten warnten, bringt Wissler allerdings in Rage. Es empört sie zutiefst, wenn Linke und AfD in einem Atemzug als „extremistisch“ abgetan werden. „Sozialisten haben zusammen mit Sozialdemokraten, Liberalen und Christen in den KZs der Nazis gelitten“, sagt Wissler mit ernster Stimme. „Die Gefahr geht nicht vom Sozialismus aus, sondern vom Faschismus.“
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