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Kommentar Merkels Vorsitz-VerzichtDie Kanzlerin, die nichts wollte

Jörg Wimalasena
Kommentar von Jörg Wimalasena

Merkel lässt ein erodierendes Europa und ein sozial gespaltenes Deutschland zurück. Jetzt müssen die vernachlässigten Konflikte auf den Tisch.

Don't look back in anger: Unter Merkel wurde soziale Ungerechtigkeit zu lange wegpragmatisiert Foto: ap

M an kann Angela Merkels Kanzlerschaft nicht als gescheitert betrachten. Denn zum Scheitern gehören Ziele. Und die hatte Angela Merkel eigentlich nie. Stets ging es nur darum, den Laden irgendwie am Laufen zu halten. Nicht einmal im Moment ihres Rücktritts ließ die CDU-Politikerin so etwas wie Ansporn erkennen, als ein Journalist sie fragte, was sie denn noch bis zum Ende ihrer Kanzlerschaft erreichen wolle. Mehr als ein gelangweiltes Lippenbekenntnis zum ohnehin ambitionslosen Koalitionsvertrag gab Merkel nicht. Damit ist klar, dass auch in der Endphase ihrer Regierungszeit nichts Revolutionäres mehr zu erwarten ist.

Das ist typisch für Angela Merkel. Stets fuhr die angezählte Bundeskanzlerin auf Sicht. Und die klaren Entscheidungen, die sie traf, waren häufig falsch. Beispiel Eurokrise: Während Merkel nach Ausbruch der Finanzkrise ab 2008 die deutschen Autobauer mit der Abwrackprämie über Wasser hielt, zwang sie dem Rest Europas während der nachfolgenden Eurokrise einen Sparkurs auf. Vor allem Griechenland wurde in den Ruin getrieben, das Land ist wegen der von Berlin vorangetriebenen Austeritätspolitik auf Generatio­nen zurückgeworfen. Merkel interessierte das nicht. Einen Schuldenschnitt lehnte sie stets ab und ließ den EU-Partner mit Verweis auf die gemeinsamen „Regeln“ in die Rezession abgleiten.

Während sich der Rest der Eurozone auch wegen des deutschen Lohndumpings und des hiesigen Exportfetischismus verschuldete, profitierte Berlin von Niedrigzinsen. Die schwarze Null finanzierte sich quasi von selbst. Anstatt die Demokratisierung und die soziale Ausgestaltung des Euroraums voranzutreiben, verstärkte Merkel die Ungleichgewichte, die ihren Teil zum Aufstieg des Rechtspopulismus auf dem Kontinent beigetragen haben.

Die ach so wichtigen Regeln spielten aber beim Dieselskandal nur eine untergeordnete Rolle. Die Unternehmen wurden geschont. Nicht nur, dass die Klimakanzlerin in Brüssel seit Jahren niedrigere CO2-Grenzwerte für Kraftfahrzeuge verhindert. Nun will sie auch noch Kommunen erschweren, Fahrverbote zu erlassen. Den Atomausstieg machte Merkel erst teilweise rückgängig, um dann nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima den erneuten Ausstieg zu verkünden.

Eher Pragmatismus als humanistisches Anliegen

Die immer vulgärer werdende Ungleichheit in Deutschland war Merkel eher egal. Die soziale Kahlschlagpolitik ihres Vorgängers Gerhard Schröder im Rahmen der Agenda 2010 lobte die Kanzlerin als „großartige Erfolgs­geschichte“. In ihrer Neujahrsansprache bejubelte Merkel noch die „soziale Marktwirtschaft“, obwohl die sich für Menschen im Niedriglohnsektor, Minijobber und Leiharbeiter eher asozial anfühlt.

Als großer Erfolg Merkels wird bis hin ins linke Lager die Flüchtlingspolitik gelobt. Die Aufnahme Hunderttausender Flüchtlinge im Herbst 2015 gilt als großer humanitärer Akt. Die Aktion dürfte allerdings eher Teil ihres typischen Pragmatismus gewesen sein als Ausdruck eines humanistischen Anliegens. Es war, wie Merkel sagen würde, „alternativlos“. Noch wenige Monate zuvor hatte die Kanzlerin einem geflüchteten Kind aus dem Libanon erklärt, man könne nicht alle aufnehmen. Dass viele Migranten unbedingt nach Deutschland wollen, dürfte übrigens auch daran liegen, dass die Bundesrepublik durch die Interessenpolitik Merkels eine der wenigen verbliebenen Wohlstandsinseln in der EU ist.

Merkel ist die Kanzlerin jener, die glauben, die Welt sei im Großen und Ganzen in Ordnung und man müsse nur an ein paar Schräubchen drehen und schon sei das Paradies auf Erden erreicht

Bleibt die Frage, warum die Kanzlerin in weiten Teilen des Bürgertums – links wie rechts – so beliebt ist. Vom flüchtlingsfreundlichen Linksmerkelia­ner bis zum Millionär, der sich freut, dass er unter der aktuellen Regierung kaum mehr Steuern wird zahlen müssen: Alle lieben die Kanzlerin.

Merkels Popularität ist Ausdruck einer müden Konsensgesellschaft. Die unteren 30 Prozent des Landes hat man ohnehin abgeschrieben. Auf politische Verteilungskämpfe hat jenseits von emanzipatorischen Anerkennungsfragen auch keiner mehr Lust. Merkel ist die Kanzlerin jener, die glauben, die Welt sei im Großen und Ganzen in Ordnung und man müsse nur an ein paar Schräubchen drehen und schon sei das Paradies auf Erden erreicht.

Reiche müssen sich endlich am Gemeinwohl beteiligen

Die Realität sieht anders aus. Merkel lässt ein erodierendes Europa und ein sozial gespaltenes Deutschland zurück. Eigentlich muss man für ihren Rücktritt dankbar sein. Mit dem Abgang der Konsenskanzlerin könnten nun endlich all die gesellschaftlichen Konflikte diskutiert werden, die unter der Großen Gesellschaftlichen Koalition unter den Tisch gekehrt wurden.

Man könnte darüber reden, wie eine Eurozone so gestaltet werden kann, dass nicht hauptsächlich Deutschland von ihr profitiert. Wie wir einen Sozialstaat wiederherstellen können, der diesen Namen verdient. Und wie man Reiche in Deutschland und Unternehmen in Europa dazu zwingen kann, sich angemessen an der Finanzierung des Gemeinwohls zu beteiligen. Die Zeit des faulen Konsenses ist vorbei.

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Jörg Wimalasena
Redakteur Inland
bis Januar 2022
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31 Kommentare

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  • Eine durchaus scharfsinnige Analyse. Nur: Welche unserer politischen Parteien wird das ernsthaft vorantreiben?

    Die CDU/CSU, die sich von einer offensichtlich zu liberal empfundenen Merkel abgrenzen will, könnte weiter nach rechts rücken. Eine Union unter März oder Spahn wird weniger populäre Politik (= Politik für das Volk) machen, sondern eher den Weg zum „Raubtierkapitalismus“ (H. S.) zementieren.



    Die SPD hat längst ihre reale Ortung verloren. Verbissen hält sie an der Agenda von ROT-GRÜN fest – ohne zu realisieren, dass gerade diese Zerschlagung des deutschen Sozialstaates ein wesentlicher Faktor für das Abrutschen der Partei ist. Ob aus Dummheit oder Machtgeilheit: Gibt es hier keine programmatische wie personelle Kehrtwendung im SPD-Vorstand, wird Nahles als die Sterbebegleitung einer einstmals stolzen Volkspartei in die Parteigeschichte eingehen.



    Auch die Grünen entfernen sich immer weiter von ihren früheren Idealen. Das Engagement für eine soziale Verbesserung der Mehrheitsgesellschaft weicht zunehmend „abgehobenen“ Kampagnen ohne viel Bodenhaftung (Veggi-Day, #MeToo oder Genderdebatten). Zudem befürworten sie globale deutsche Militäreinsätze und trommeln mit gegen eine vermeintliche russische Bedrohung. Mit ihnen ist eine Veränderung nicht zu erwarten – zumindest nicht zum Guten hin.



    Und die Linke? Sie zerreibt sich in Kämpfen zwischen den Flügeln, statt ihr Potential zu nutzen. In ihren Führungsspitzen irrlichtert sie irgendwo zwischen AUFSTEHEN und UNTEILBAR. Da ist es für die neoliberalen Kreise im Einklang mit den Mainstream-Medien (auch der taz) bislang recht einfach gewesen, die Linke als politisches Schmuddelkind zu denunzieren und sie bei Wahlen in nahezu bedeutungslosen Grenzen halten.



    All die schönen, guten und durchaus notwendigen Veränderungen: Wer soll sie also durchsetzen? Dazu schweigt der taz-Kommentar leider vollkommen…

  • DerSiegeszug der Konsens - Kanzlerin hat einen einfachen Grund: mangelndesUnterscheidungsvermögen. Früher, und ich meine damit eine Generation davor war klar, wo der Klassenfeind ist. Das hatte damit zutun, dass die erste Nachkriegsgeneration sich gegen die autoritären Strukturen in Staat und Gesellschaft behaupten musste und Ihr Bewusstsein aus diesen Kämpfen in Familien, Schulen, Universitäten, also ideologische Apparate, entwickelte.



    Die Werkzeugkiste jener Generation bestand aus gesellschaftskritischen Schriften von Marx, Fanon, Galeano, um nur die wichtigsten zu nennen.



    Merkel ist eine Sichtfahrerin im Nebel der gelebten Augenblicks. Jederzeit bereit, wenn es die Umstände verlangen, ihre Überzeugung zu ändern. Sie profitiert dabei von der allgemeinen Verunsicherung, die kein Naturereignis ist, sondern Auswirkungen eines neoliberalen Masterplans, der bis in die 1980 Jahre zurückreicht. Es geht dabei vor allem darum, die Rolle des Staates zu schwächen, ihn auf die Funktion eines Dienstleisters für die Interessen der Banken, Konzerne und sonstigen Märkten zu reduzieren.



    Eine Strategie dabei ist das Kalkül der Angst. Bekanntlich erzeugt ja Angst ein Verlust der Orientierung und des Unterscheidungsvermögens, die Kritik bleibt also auf der Strecke.



    Dazu haben die neoliberalen Eliten sich Folterwerkzeuge wie die Agenda 2010 für die Repression der einheimischen Bevölkerung ausgedacht, und für die „alternativlose“ EU-Politik unter der Führung Deutschlands, die Strangulierung per finanzpolitische Maßnahmen von aufmüpfigen Staaten wie Griechenland.



    Ein breiter Widerstand war nicht zu erwarten, weil inzwischen die nachfolgende Generation



    durch die Folgen von Agendapolitik, neoliberaler Propaganda „Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied“ in 1000 Varianten das Bewusstsein für Klasse, Solidarität und Opferbereitschaft gar nicht mehr entwickeln konnte.



    Und die Kanzlerin weiß sich sehr gut dieser unsichtbaren Mechanismen der Machtzu bedienen

  • Jedes Wort ein Treffer. Endlich mal eine wahrhaftige und realistische Betrachtung des Desasters, das Merkel angerichtet hat und zurücklässt, zwischen all den unerträglichen Elogen (leider “natürlich” auch in der taz) auf die große Klimakanzlerin/die Retterin Europas/die humane Flüchtlingskanzlerin. Dummerweise wird Merkel gleich im taz-Artikel nebenan wieder mehrfach gewürdigt, sie hätte die CDU “sozialdemokratisiert” – sicher: mit Lohnsenkungen und Sozialabbau, mit Unternehmensteuersenkungen und Milliardensubventionen für Dieselbetrüger, mit Austeritätsterror in der EU und maximaler Flüchtlingsabwehr. Warum wollen so wenige Leute die Realität sehen? Quelle Nachdenkseiten

  • Jeder Satz ein Treffer! Chapeau!!!

  • 8G
    84935 (Profil gelöscht)

    Scharfsinnige Analyse, danke!



    Die Alternativen "rechtslastiger Dampfplauderer" und "marktradikaler Fetischist" erfüllen mich nicht mit Hoffnung...

  • Gut, dass nach dem Jubelartikel von gestern - auf der Titelseite (!) - heute dieser Artikel folgt. Aber: Diskutiert Ihr tazler eigentlich nicht mehr miteinander, bevor Ihr auf Seite 1 Eure Jubelperser dichten lasst?

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Müller-Schöll Nikolaus:

      Treffende Anmerkung.

      Das Miteinander-Reden kommt großflächig aus der Mode. Ob in der GroKo, der taz-Redaktion - oder im wirklichen Leben. Kommod wird stattdessen das Reden über.

      • 7G
        74450 (Profil gelöscht)
        @76530 (Profil gelöscht):

        "Das Miteinander-Reden kommt großflächig aus der Mode."

        Wir reden hier doch jeden Tag miteinander. Gerne auch kontrovers und polemisch, am Ende aber schon gemeinsam.

        Es ist doch gute Taz-Tradition, dass unterschiedliche Meinungen in dieser Zeitung Platz haben. Keine Frage ist schwarz-weiß. Deshalb können hier Würdigung und Kritik durchaus nebeneinander stehen.

        • 7G
          76530 (Profil gelöscht)
          @74450 (Profil gelöscht):

          Sie haben Recht - und auch nicht.

          Das, was Sie als Beispiel für Ihren Widerspruch anführen, ist für mich auch ein Beleg für das schiere Gegenteil.

          Ich weiß es sehr zu schätzen, dass ich in meiner sozialen Isolierung die Möglichkeiten von Foren wie diesem nutzen kann. Keine Frage.

          Aber für mich ist und bleibt diese Kommunikation Ersatz. Ersatz für das Eigentliche: die fehlenden realen Begegnungen und Kontakte. Und das hat - heftig - mit Politik zu tun.

          Was das Thema Berichterstattung über Merkel angeht, stimme ich Ihnen im Kern zu. Es muss keine einheitliche taz-Haltung geben. Aber die inhaltsferne Lobhudelei der letzten Tage ging mir gewaltig auf den .... sagen wir: Zeiger.

          Vor allem habe ich bis heute kein Argument entdecken können, die eine Spaltung zwischen Merkel als Person und Funktion rechtfertigen würde. In der öffentlichen Debatte ist Merkel Funktion (Bundeskanzlerin) - und nur das.

          Für mich bedeutet dies: wenn ich mich als Linker ernst nehme, kann ich mich nicht mit Hinweisen auf das - angeblich oder tatsächlich - drohende Übel der personellen Alternativen in Trauergesängen über Merkels Abgang erschöpfen.

          Wie wir sehen, ist sie noch da - und dabei sehr lebendig.

          • 7G
            76530 (Profil gelöscht)
            @76530 (Profil gelöscht):

            Als Ergänzung:

            ... ist Merkel Funktion (Bundekanzlerin und CDU-Vorsitzende) ...

  • Wird es nach Angela Merkel noch mehr Korruption / Lobbyismus geben?



    Wird der deutsche Staat nach Angela Merkel noch einmal, wie bei CumEx und CumCum, um mehrere Milliarden Euro Steuergeld beraubt werden; weil Friedrich Merz (Blackrock-Aufsichtsratsvorsitzender) CDU-Vorsitzender werden möchte?



    Werden nach Angela Merkel die Klimaschutz-Ziele vollständig & endgültig beerdigt und nicht mehr weiter verfolgt?

    Diese Angst treibt viele Linke um. Aber Angst ist ein schlechter Ratgeber. Deshalb würde ich zuversichtlich in die Zukunft blicken.

    • 8G
      84935 (Profil gelöscht)
      @There is no planet B:

      Sie meinem wohl "zuversichtlich Wegsehen"?



      Wenn man die politische Performance von Herrn Spahn bisher verfolgt hat, gibt es auch mit geschlossenen Augen keinen Grund für Zuversicht!

  • Schön & Danke

    Wie hier sach&fachkundig mal -



    Jörg Wimalasena - ahnungslos-verquasten taziSchaumschlägern wie Georg Löwisch et al. - die ohnehin dünne Flädlesuppe trockenlegt.

    kurz - More from this.



    &



    Dank im Voraus. Gellewelle.

    • @Lowandorder:

      & Däh - Der Zisch - Mailtütenfrisch -;)

      “Old Smoky + Angie

      Überschätzte Paare der Weltgeschichte







      (Ohne Plan kein Scheitern.)“

      Old Smokey - is schonn klar -



      Mäht de Schmickler. Schonn.



      & Ja wie*¿* -



      Dat FDJ-Winkelement*¿*…… Ok Ok.



      Liggers - Aschklaaa - de Priol. Newahr.



      Normal.

  • Gute Zusammenfassung.

  • Dieser lucide Artikel lässt fast vermuten, dass Merkel auch als Kanzlerin zurücktritt. Dem ist aber nicht so. Sie lässt weder "ein erodierendes Europa und ein sozial gespaltenes Deutschland zurück", sondern wird noch mindestens ein Jahr weiterregieren wie gehabt.

    In seiner umfassenden Kritik an der Kanzlerin fehlt ja eigentlich nur noch die explizite Aussage, dass Merkel ihre seit 2002 in der CDU eingeschlagene neoliberale Grundeinstellung bis heute konsequent durchgezogen hat und dabei natürlich Schröders Agenda 2010 dankbar mitgenommen und weiterentwickelt hat.

    Was jedermann dem damals abservierten marktradikalen Merz zugetraut hätte, hat Merkel dank SPD in GroKo 1-3 und mit der FDP stillschweigend und ohne nennenswerten Widerstand von links durchgesetzt : oben massive Steuerermäßigungen, Vergünstigungen und Privatisierungen für Wirtschaft und Gutverdiener, unten Ausweitung von Niedriglohnsektor, Leiharbeit und perspektivlosen kurzen Arbeitsverträgen.

    Dass dazu diese Merkel-Regierung von Christen und Sozialdemokraten bis heute blind bleibt für die asoziale Ausbeutung osteuropäischer Arbeitssklaven durch Konzerne und deren zweifelhafte Subunternehmer, ist einer der stillen Skandale unserer Gesellschaft : jedemann weiß oder ahnt es, aber niemand stellt die menschenunwürdigen Zustände ab..

    Dass diese - von sozialrechtlichen Errungenschaften ausgeschlossenen - "Fremdarbeiter" in überteuerten Massenunterkünften durch ihre Billigstarbeit in manchen Branchen einen großen Anteil am



    relativen deutschen Wohlstand haben, will natürlich keiner wahr haben.



    Bei dem "deutschen Lohndumping und hiesigen Exportfetischismus", die der Autor festgestellt hat, dürfen diese unsichtbaren Menschen nicht vergessen werden.

    .

  • Jörg Wimalasenas Kommentar ist im Großen und Ganzen zuzustimmen, blendet man die diversen Seiteneffekte aus dem CDU-Laden einfach mal komplett aus und konzentriet sich nur auf die Person Angela Merkels.



    „Stets ging es nur darum, den Laden irgendwie am Laufen zu halten.“



    Ja, völlig richtig, aber nach allem, was man von diesem CDU-Laden so weiß, dürfte genau dieses „am Laufen halten“ ohne Merkel bald auch nicht mehr recht funktionieren. Aus diesem Grunde wird man Merkels Ausstiegsankündigung bis auf Weiteres auch nur als das behandeln können, was es ist - eine bloße Absichtserklärung.

  • Ist-Zustand durch Frau Merkel verursacht gut zusammengefasst.

    "Man könnte darüber reden, wie eine Eurozone so gestaltet werden kann, dass nicht hauptsächlich Deutschland von ihr profitiert. Wie wir einen Sozialstaat wiederherstellen können, der diesen Namen verdient. Und wie man Reiche in Deutschland und Unternehmen in Europa dazu zwingen kann, sich angemessen an der Finanzierung des Gemeinwohls zu beteiligen. Die Zeit des faulen Konsenses ist vorbei."

    Schön wär's.

    Leider befürchte ich, dass der richtige Knall erst noch kommt.



    Keiner wird so auf geräuschloses "Durchlavieren" bedacht sein wie es Frau Merkel war - da wird m. E. mit noch härteren Bandagen gekämpft werden und die Ungerechtigkeiten, Sozialabbau und die Klimazerstörung werden wachsen, fürchte ich.

    Totalitäre Herrschaft des Geldes erwartet uns nach Frau Merkel. Hoffentlich täusche ich mich grandios.

  • 9G
    91867 (Profil gelöscht)

    Ich persönlich resümiere A.M.'s Kanzlerschaft in einem Satz: Machterhalt als Selbstzweck.

    • @91867 (Profil gelöscht):

      Exakt und das ist darüber hinaus auch noch der einzigste Zweck der CDU an sich.

  • Das *beste* Kommentar dazu - geschrieben von jemanden dessen Augen auf und Hirn an sind. Der rest. Mehr oder weniger Panegyriken.

  • "Merkel ist die Kanzlerin jener, die glauben, die Welt sei im Großen und Ganzen in Ordnung "

    So in der Richtung. Ich würde es aber in folgender Variante sehen: Merkel ist die Kanzlerin derjenigen, die glauben, dass es die eine Menschheit gibt mit denselben universellen Werten, die durch gutes Regieren gleichmäßig für alle Menschen umgesetzt werden. Die Buntheit und die Widersprüche der Welt werden entweder nicht wahrgenommen oder bösen Kräften zugeordnet. Außerdem ist Merkel die Kanzlerin derjenigen, die sich (und ihre Gruppe) für stark genug für jedes Problem halten. Dieser Optimismus ist schön, sollte aber auch mit genügend Realität unterlegt sein.

    • @Markus Michaelis:

      "Merkel ist die Kanzlerin derjenigen, die glauben, dass es die eine Menschheit gibt mit denselben universellen Werten, die durch gutes Regieren gleichmäßig für alle Menschen umgesetzt werden."

      Das soll aber angesichts der immer größeren Schieflage unserer Gesellschaft unter ihrer Herrschaft ein Witz sein. Oder?

  • Mit der taz habe ich die letzten Jahre ja eher weniger übereingestimmt, aber dieser Artikel ist ein Lichtblick (natürlich nicht der einzige). Schaue ich auf die Artikel in den Zeitungen der letzten 2 Tage, scheint mir Merkels Rücktritt schon Früchte zu tragen, weil wichtige Diskussionen wieder (besser) möglich werden.

  • 9G
    98589 (Profil gelöscht)

    Sehr guter Kommentar, danke!

    An Merkels Humanität hege ich allerdings große Zweifel. Sie liess die Flüchtlinge ins Land, da sie ihrem geliebten Obama nachfolgen wollte, als Friedensnobelpreisträgerin.

    Das hat nicht funktioniert. Als sie dies erkannte ,hat sie auf diese Anforderung reagiert wie immer, mit Nichtstun.



    Die Folgen sehen wir mit dem aufkommen der braunen Dumpfbacken.

  • Irgendwie hat die taz eine falsche Vorstellungen von Leiharbeit. Ich bin seit fast 2 Jahren als Leiharbeiter beschäftigt. Brutto 4500. solange man was gutes gelernt hat...

    • @Bernd Nicht:

      Und wenn Sie 10 000 Euro schreiben würden, ändert es nichts daran, dass ca. 40% in Deutschland weniger als 2000 Euro brutto im Monat bekommen? Das Geld reicht nicht einmal heute aus, im aktiven Erwerbsleben zu überleben, ganz zu schweigen zu leben.

      Diese 40%, wenn es nicht eine 180 Grad Wende in der Rentenpolitik, können sich auf Grundsicherung im Alter einstellen.

      • @Illoinen:

        "Diese 40%, wenn es nicht eine 180 Grad Wende in der Rentenpolitik, können sich auf Grundsicherung im Alter einstellen."

        Gekürzte Grundsicherung. Schließlich sollen die selbst ernannten "Leistungsträger" nicht zu sehr belästigt werden...

    • @Bernd Nicht:

      Da sind Sie aber eine Ausnahme.

  • Zustimmung!



    Nur sehe ich einen Haken, auf den ich gerne aufmerksam machen möchte: "asozial" ist nicht das Gleiche wie unsozial. "Asozial" ist eine abwertende Bezeichnung für arme Menschen bzw. gesellschaftlich unangepasste Menschen. Als "Asoziale" wurden diese Menschen von den Nazis in Lager gesperrt und ermordet. Ich finde es ziemlich gruselig, wie locker dieses Wort noch immer benutzt wird.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Na, endlich! The other side of Merkel-reception.

    Wie im Supermarkt: Für Jeden etwas da.