piwik no script img

Kolumne LügenleserDie Höcke-Bewacher der Buchmesse

Am Freitag hielt Björn Höcke eine Veranstaltung bei der Frankfurter Buchmesse ab. Polizei und Veranstalter verhinderten Proteste und Berichterstattung.

Martin Sonneborn, verkleidet als Stauffenberg, protestiert gegen Höcke Foto: dpa

Z uerst die bekannten News: Erneut hat die Frankfurter Buchmesse dafür gesorgt, dass ein geistiger Brandstifter wie Björn Höcke die Außendarstellung der größten Literaturveranstaltung Deutschlands bestimmt. Ein Mensch, dessen Denken in der Endkonsequenz bei der Verbrennung von Büchern landet. Wäre Martin Sonneborn nicht als Stauffenberg verkleidet erschienen, der Protest dagegen wäre unsichtbar geblieben.

Nun zu den bisher unbekannten Informationen: Die Buchmesse und die Polizei haben am vergangenen Freitag, an dem Höcke eine angeblich öffentliche Veranstaltung abhielt, alles dafür getan, Journalisten, Aussteller, Autoren und Verleger davon abzuhalten, an dieser teilzunehmen.

Alles beginnt gegen 13 Uhr, als mehrere Teilnehmer sich zu dem Raum bewegen, in dem Höcke später auftritt. Wir wollen schauen, wo sich der Saal befindet, um später nicht suchen zu müssen. Wir finden ihn und wollen wieder gehen, als Polizisten uns umringen. Eine „rein zufällige“ Personenkontrolle, teilt man uns mit. Wir weisen uns als Aussteller und Journalisten aus. Man notiert unsere Daten. Ein Affront im Endeffekt – verglichen mit dem, was noch folgen sollte, allerdings eher harmlos.

Wer nicht „ins Bild“ passt, wird hinausgeworfen

Als Höcke nämlich gegen 17 Uhr durch den Hintereingang erscheint, ist die gesamte Etage der „öffentlichen“ Veranstaltung abgesperrt. Dutzende Polizisten und AfD-Securitys sichern die Zugänge, vielen Pressevertretern wird der Zutritt verwehrt; wer bereits im Raum ist, aber nicht „ins Bild“ passt, wird wieder hinausgeworfen. Als Höcke ebenso heimlich verschwindet, wie er kam, kommt es auf dem Parkplatz seiner Limousine zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen uns und einem Trupp Höcke-Bewacher, die sich äußerst aggressiv gebärden. Als der Ruf „Scheiß-Nazi“ ertönt, geht der Trupp zum Angriff über und versucht zwei junge Frauen aus unserer Gruppe zu ziehen, was wir gewaltfrei, aber durch Dazwischenstellen verhindern.

Die Situation eskaliert, Menschen rufen nach der Polizei. Daraufhin stellt sich heraus: Bei dem Mob aggressiver Höcke-Bewacher handelt es sich um die hessische Schutzpolizei. Die beiden jungen Frauen werden mitgenommen, durchsucht und angezeigt. Die zivilen Beamten sind bereits kurz davor auf einem Video des Senders RT (ab 39:30) zu sehen. Sie schreiten während eines Interviews ein, das das Künstlerkollektiv KV_TV gerade gibt, und hindern die beiden interviewten Damen daran, mit ihrem Handy mitzufilmen. Warum, ist völlig unklar. Nun zwingen sie mich, ein erstelltes Video zu löschen, obwohl ihnen bewusst ist, dass ich Journalist bin. Ohne jede Rechtsgrundlage.

Und wie reagiert die Buchmesse auf diesen unglaublichen Eingriff in die Meinungs- und Pressefreiheit? Laut Polizei mit einem Hausverbot für alle anwesenden Autoren, Journalisten und Aussteller. Ohne Gespräch. Ohne offizielles Statement. Still und heimlich, genau so, wie sie auch Höcke den Auftritt ermöglichen wollten, werden wir von Securitys entsorgt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Juri Sternburg
Juri Sternburg, geboren in Berlin-Kreuzberg, ist Autor und Dramatiker. Seine Stücke wurden unter anderem am Maxim Gorki Theater und am Deutschen Theater in Berlin aufgeführt. Seine Novelle "Das Nirvana Baby" ist im Korbinian Verlag erschienen. Neben der TAZ schreibt er für VICE und das JUICE Magazin.  
Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Der Börsenverein hat mit auf seiner Facebook-Seite folgendes geantwortet:

    "Wir haben mit den Kolleginnen und Kollegen gesprochen. Nach Aussage der Frankfurter Buchmesse gab es keine Hausverbote gegenüber Ausstellern, Autoren oder Journalisten. Auch wurden keine Hausverbote angedroht. Der Beitrag in der taz ist nicht korrekt."

    Was sagt der Kolumnist dazu?

    • Juri Sternburg , Autor des Artikels,
      @ulix:

      Guten Tag,

      Sowohl mir als auch mindestens acht weiteren Personen (die das alle bezeugen können) wurde von zivilen und uniformierten Beamten mehrmals mitgeteilt dass wir ein Hausverbot von der Buchmesse erteilt bekommen haben, man habe mit der entsprechenden Stelle telefoniert. Und das obwohl wir uns mehrfach als Aussteller, Journalisten, etc ausgewiesen haben. Auf Nachfrage wurde erklärt dass wir dieses Hausverbot später auch noch schriftlich bekommen würden. Desweiteren wurden wir im Anschluss an die Polizeiaktion von den Messe-Securitys zu unseren Ständen gebracht um Jacken zu holen etc. und dann der Messe verwiesen, wobei man uns zum Ausgang brachte (mit erneutem Hinweis auf Hausverbot). Die Namen der Securitys liegen vor. Zwei der eingesetzten zivilen Beamten sind in einem Video zu erkennen, welches im Text verlinkt ist. Die Polizei Frankfurt prüft derzeit welche Beamte eingesetzt wurden, um den Vorwürfen nachzugehen (siehe Twitter-Account „Polizei_FFM“). Es handelte sich offenbar nicht um reguläre Kräfte aus Hessen.

      Wenn der Börsenverein jetzt behauptet ein Hausverbot sei nicht ausgesprochen worden (wobei man da auch zwischen der Messe an sich und der Buchmesse unterscheiden muss), dann kann/will sie sich entweder nicht erinnern oder die Beamten haben die Unwahrheit gesagt. Deswegen steht übrigens auch „Hausverbot laut Polizei“ im Text. Insofern ist also nicht der “Beitrag nicht korrekt“, sondern die Antwort die sie erhalten haben war nicht lückenlos bzw. fehlerhaft. Laut verschiedenen beteiligten Personen bereitet die Buchmesse aktuell ein offizielles Statement vor, darauf sind wir alle sehr gespannt.

      P.S. Ich konnte übrigens auf der Facebook-Seite des „Börsenvereins des Deutschen Buchhandels“ weder ihren Kommentar noch die von ihnen beschriebene Antwort finden.

      Mit freundlichen Grüßen



      Juri Sternburg

  • Ein Zeitzeugenbericht wenige Jahre vor der Machtergreifung? Wir sollten ihn wohl schnell noch kopieren, bald werden die taz-Server beschlagnahmt und den Journalisten Berufsverbot erteilt. Nein, kein Scherz.

  • Polizei & AfD Security Hand in Hand. Ja, das entspricht auch meinen Erfahrungen.

    Hier bin ich von unserem "Freund und Helfer" tatsächlich bitter enttäuscht. Es kann doch nicht deren Job sein, AfD/Pegida/noch-weiter-rechts in ihren gesellschaftszersetzenden Umtrieben auch noch zu unterstützen.

    • @tomás zerolo:

      Die letzten sechzig Jahre BRD verpasst?

    • @tomás zerolo:

      Welche Berufsgruppe stand denn historisch betrachtet rechtsautoritären Bewegungen und “Law & Order“-Parteien immer am nächsten? Na? Naaaa? Richtig, die für die Durchsetzung von “Law & Order“ zuständigen Berufsbilder!