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Der Kommissar geht um

Stehrumchen mit Schweinen

Schade, dass Vytenis Andriukaitis mittlerweile eher antriebsschwach sein Amt ausfüllt. Sonst könnte das Treffen mit Niedersachsens Ministerin für Agrarindustrie, Barbara Otte-Kinast (CDU), am Dienstag interessant werden. Aber so wird’s halt doch ein ödes Stehrumchen auf dem Vorzeigehof von Vion-Vertragsmäster Karl Harleß in Schwienau.

Denn das Anecken hat der 1951 in Jakutien geborene An­driukaitis hinter sich: In der Sow­jetzeit war der Mediziner trotz seiner Karriere als Herzchirurg eine Schlüsselfigur des demokratischen Widerstandes, später avancierte er zu einem der Väter der litauischen Verfassung, zum Sem-Abgeordneten in Vilnius und zum Minister. Nur zum Präsidenten haben die Litauer ihn dann nicht gewählt.

Also fährt der Sozialdemokrat jetzt halt rum und sagt Sachen, die von einem EU-Kommissar für Gesundheit, Verbraucherschutz und Tierwohl erwartet werden, aber er ficht sie nicht mehr aus. Da hat er zum Beispiel europaweit ermitteln lassen, dass die Verbraucher*innen großen Wert auf Tierschutz legen, hat mit diesem starken Befund im Rücken eine Plattform gegründet, um den Austausch von Best-Practice-Modellen zu fördern, hat Problemlagen wie die elenden Ferntransporte zum Schlachthof ausgemacht und einen Arbeitskreis eingerichtet. Da trifft man sich seither regelmäßig und sagt: „Schlimm, schlimm! Aber es gehört halt zum Freihandel dazu, was soll man machen?“

Manchmal sagt Andriukaitis auch kluge Sätze. Zum Beispiel hat er im April beim ersten Internationalen Tierschutzgipfel in Wien noch vor den veganen Häppchen festgestellt, wir müssten „wieder zur Kenntnis nehmen, dass Tiere fühlende Wesen sind“.

Mit Otte-Kinast (Landvolk) trifft er auf eine Politikerin, die genau die gegenläufige Politik verfolgt: Das Projekt eines Tierschutzplans hat sie in eine Nutztierstrategie aufgelöst und auch sonst scheint es ihr Ziel zu sein, jede Erinnerung daran, dass Tiere seit Beginn der Aufklärung nicht mehr als Automaten gelten, zu tilgen: Ferkelkastration? Solange Otte-Kinasts mitregiert, gern auch ohne Betäubung. Und von ihr aus braucht ein Schwein keinen Schwanz. Isst ja eh keiner mehr.

Zum Konflikt wird das nicht führen. Andriukaitis wird sich anhören, was die Tierleidministerin zu sagen hat, freundlich nicken, loben, dass es auf dem Hof der Familie Harleß den Tieren besser geht als im Herzen Otte-Kinasts und vielleicht wird er ein Ferkel streicheln. Dann reist er zurück nach Brüssel und wartet auf den Ruhestand im kommenden Jahr.

Benno Schirrmeister

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