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Kolumne Wir retten die WeltVersprochen ist versprochen

Bernhard Pötter
Kolumne
von Bernhard Pötter

Vor genau einem Jahr versicherte die Bundeskanzlerin, sie werde Wege zum Klimaziel finden. Dann war ihr und uns diese Zusage einfach egal.

Schnell gesagt, schnell vergessen: Leitende Angestellte an ihrem Arbeitsplatz Foto: dpa

V ieles konnte meine Tochter als kleines Kind aushalten. Aber eines nicht: Wenn ich ein Versprechen nicht einhielt. „Tut mir leid, das mit dem Eis klappt nicht.“ – „Aber du hast es versprochen!“ – „Ja, ich weiß, tut mir leid. Aber wir haben echt keine Zeit mehr“ – „ABER DU HAST ES VERSPROCHEN !!“ Dann eskalierte häufig die Lage.

Inzwischen ist meine Tochter eine gechillte junge Lady. Jetzt bin ich es, der mit dem Fuß aufstampft, wegen einer ebenfalls gechillten, nicht mehr ganz so jungen Lady. Vor einem Jahr, am 14.September 2017, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel im ZDF: „Wir werden Wege finden, wie wir bis 2020 unser 40-Prozent-Ziel einhalten. Das verspreche ich Ihnen.“

Und das war es dann. Merkel wurde wieder Kanzlerin. Sie hat keinen Weg gefunden, das 40-Prozent-Ziel einzuhalten. Sie hat nicht mal ernsthaft danach gesucht.

Im Gegenteil. Nach der Wahl stellte die Klimakanzlerin überrascht fest, was alle schon seit Jahren sagten: Huch! Das ist ja gar nicht so einfach mit diesem Klimaziel! Da müsste man ja richtig Geld und Streit riskieren! Dann mussten erstmal die Grünen in den Jamaika-Sondierungen politisches Kapital verbrennen, um dieses Versprechen der CDU-Chefin umzusetzen.

Auf diesen Irrsinn folgte ein Koalitionsvertrag mit der SPD, der das Ziel kurzerhand kassierte und einfach bis 2030 fortschrieb. Und der seitdem alle Anstrengungen, den angepeilten Klimaschutz HIER UND JETZT zu beginnen, in den Mühlen der Parlamentsausschüsse kleinschrotet.

Ihr Wortbruch ärgert Merkel, heißt es – mich noch mehr

Es ärgere Merkel, dass sie da nicht liefern könne, hört man aus der Union. Tja. Mir dagegen treibt es vor Ärger den Blutdruck hoch, wenn ich an etwas anderes denke: Wir haben es alle einfach so hingenommen. Die Kanzlerin verspricht was – dann ist es nichts mehr wert und wir akzeptieren es als normalen Teil des politischen Geschäfts. Ein Jahr lang hat Merkel Interviews gegeben und Bürgerdialoge abgehalten, sie war auf dem Klimagipfel in Bonn und beim „Petersberger Klimadialog“. Nicht einmal musste sie auf die Frage antworten: „Frau Bundeskanzlerin, was ist eigentlich mit Ihrem Versprechen?“ Sie hätte nichts geantwortet. Aber es hat auch keiner gefragt. Es war uns offenbar genau so schnurz wie ihr.

Man kann viel mit Sachzwängen entschuldigen, mit der aufreibenden Arbeit der deutschen Regierungschefin zwischen deutschen und internationalen Halb- und Vollidioten. Man kann Merkel für das kleinste Übel halten. Es ändert nichts daran, dass die Leitende Angestellte des deutschen Volkes ihrem Arbeitgeber etwas öffentlich verspricht und sich dann an nichts erinnern will. Dass sie nicht einmal so tut, als wolle sie ihre Zusage einlösen oder zumindest ernsthaft versuchen, den Schaden zu begrenzen. Und dass wir als Arbeitgeber uns mit dieser Art der Arbeitsverweigerung auch noch abfinden.

Beim Zeitplan allerdings ist die Bundesregierung nicht zu übertreffen. Exakt ein Jahr nach dem Zusicherung der Kanzlerin, Wege zum ehrgeizigen Klimaziel 2020 zu finden, bekommt die verkokste deutsche Klimapolitik ein neues dreckiges Gesicht: Im Hambacher Forst beginnen die Räumungen, um der Braunkohle und ihrer vorgestrigen Energieindustrie eine Zukunft zu sichern, die sie nicht mehr haben dürfte.

Schließlich gebe es diese Planungen schon seit Jahrzehnten, heißt es mit einem Achselzucken. Alle Seiten müssten sich auf Zusagen verlassen können, die einmal gemacht wurden. Versprochen ist versprochen.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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8 Kommentare

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  • Naja, was heißt, Merkel wäre das Übelste? Sie ist Kapitalverwalterin, wie andere vor ihr und nach ihr wohl auch. Sie sorgt dafür, dass der 'kapitalistische Laden' läuft, salopp formuliert. Damit das passiert, hat sie einige 'Expert*innen' und 'Berater*innen' - auch als Lobbyist*innen bekannt ... Zum anderen können Lügen durchaus zu Selbstlügen/Wahrheiten werden. Naja, dann wäre da noch die Ebene, dass Macht korrumpiert. Ich schätze, es ist verfehlt, zu sagen, sie wäre Leitende Angestellte des "Volkes" und "wir" wären Arbeitgebende. Die zu vertretenden Interessen und Verhältnisse sind da etwas komplexer...

  • Aus meiner Sicht sollten wir unser politisches System so umbauen, dass wir weder Einzelpersonen noch Parteien wählen, die uns so oft belügen, sonder politische Inhalte auf deren Umsetzung die verantwortlichen Staatsdiener dann auch festgenagelt werden können. Bis dahin geht die Augenwischerei weiter. Schade!

  • Wenn wir so 'leicht' gebrochene Versprechen hinnehmen, dann hat es auch etwas damit zu tun, dass uns viele Medien - zur Recht - bereits seit Jahren nicht eingehaltene Wahlversprechen von Politikern genüsslich um die Ohren hauen, in denen uns zynisch abgeklärt unter die Nasen gerieben wird, dass wir immer wieder auf sie hereinfallen und unseren Volksvertretern immer wieder aufs Neue vertrauen und den selben unsere kostbare Wählerstimme geben.

    Denn wir fordern die Einhaltung von Wahlversprechen ja nicht vehement ein. Wir stellen unsere Volksvertreter ja auch nicht öffentlich bloß, denn wir wollen doch alles, bloß keine Nestbeschmutzer genannt werden. Genau von denen, die gebrochene Versprechen achselzuckend und gleichgültig als "Wahlversprecher" (hahaha) abtun. Ganz nach dem Motto "Was schert mich mein Geschwätz von gestern...", und die zusammen mit vielen anderen darüber auch noch lachen, anstatt deren Einhaltung nachhaltig zu verlangen - und zwar ohne Hintertürchen - "versprochen ist versprochen"!

    Unser eigener laxer Umgang damit hat solchen politischen Verhaltensweisen genau den Weg geebnet, den unsere Politiker heute gehen - verantwortungslos und leichtsinnig!

    • @noevil:

      Eben! Und wer hat dazu in Deutschland aus Überzeugung kein Auto bzw. nutzt keines, nutzt kein Flugzeug für Fahrten/Reisen, lebt vegan, hält sich beim sonstigen Konsum zurück, hat sein*ihr Konto bei einer Ökobank, bezieht ihren*seinen Strom von einem unabhängigen Ökostromanbieter ...?

  • Zitat: "Alle Seiten müssten sich auf Zusagen verlassen können, die einmal gemacht wurden. Versprochen ist versprochen."

    Aha. Und wie war das dann mit dem Eis?

    Kleine Ursachen haben manchmal große Wirkungen. Ich meine: Wer Kinder enttäuscht, muss sich nicht wundern, wenn sie als Erwachsene nichts mehr auf Versprechungen geben. Jedenfalls so lange nicht, wie sie (noch) mehr oder weniger "gechillt" sind. Wenn es tatsächlich "ernst" wird, so haben sie es ja von klein auf gelernt, wird sich schon jemand ernsthaft kümmern. Und so lange sich die "Großen" noch nicht ernsthaft kümmern, kann ihre Lage auch nicht all zu schwierig sein.

    Tja, wer nicht rechtzeitig denken will, der muss halt nachher fühlen. Und zwar am eigenen Leib. Wie gut, dass es dann wieder den allseits beliebten Sündenbock geben wird.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Wenn selbst noch der Kritiker die liberal-kapitalistische Beschönigungen vom Kapitalisten als "Arbeitgeber" und von den vermeintlichen Sachzwängen des Kapitals reproduziert, dann kann das wohl auch nix werden.

    Es pfeifen die Spatzen schon von den Dächern, dass die Arbeiter die "Arbeitgeber" sind, denn wie es in jedem Arbeitsvertrag steht, geben die Arbeiter die Arbeit und die Kapitalisten das Kapital.

    Wenn die Bundeskanzlern also ihren bürgerlichen Kapitalgebern (beschönigend: "Arbeitgebern") mit ganz kapitalistischen "Sachzwängen" gegenübertritt, ist das nur konsequent.

    Eine kritische Übersetzung dieser kapitalistischen "Sachzwänge" ist: Lieber reich und schamlos als arm und gerecht.

    • @85198 (Profil gelöscht):

      In der Schule würde man der Stelle ein dickes rotes "Thema verfehlt" finden...

      Inhaltlich ist das ja gar nicht mal so verkehrt, aber Sie haben den Umweltschutz mit derart viel Anti-Kapitalismus überkippt, dass sich selbst Greenpeace schwer tun würde ihn zu retten ;)

    • @85198 (Profil gelöscht):

      ..besser noch "lieber reich und gewissenlos als arm und anständig!". Hört sich doch das Wort "anständig" schon als Anachronismus an in unserer schönen neuen Welt.