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Rechtslastiger Ex-VerfassungsschutzchefNoch ein Merkel-Gegner vom Amt

Hamburgs ehemaliger Innensenator Heino Vahldieck (CDU) macht bei der „Merkel muss weg“-Kampagne mit. Dort sind auch Neonazis dabei.

„Merkel muss weg“: Nicht nur hinter vorgehaltener Hand eine Forderung von Heino Vahldieck Foto: dpa

Hamburg taz | Ist Hamburgs ehemaliger Verfassungsschutzchef und Innensenator Heino Vahldieck ein Sicherheitsrisiko? Der CDU-Politiker ist Mitglied der Facebook-Gruppe „Merkel muss weg“. Ihr gehören unter anderem der NPD-Landespolitiker Steffen Holthusen und der rechtsextreme Hooligan-Skinhead Thorsten de Vries an.

Erst vor wenigen Tagen hatte der Hamburger Verfassungsschutz (VS) dieser Facebook-Gruppe attestiert, zunehmend „rechtsextremistisch“ zu sein. „Dieser Facebook-Gruppe gehören nicht nur bekannte Rechtsextremisten an, sie schreiben dort auch eigene Beiträge“, erklärte der VS.

Schon nach den ersten Kundgebungen gegen Merkel in der Innenstadt hatte das „Hamburger Bündnis gegen Rechts“ (HBgR) auf die rechtsextremen Verstrickungen hingewiesen. Nicht bloß Demo-Organisator Thomas „Togger“ Gardlo hat eine rechtsextreme Vergangenheit und trainiert die „Identitäre Bewegung“ (IB).

In den Reihen der Anti-Merkel-Fans standen vermeintliche Wutbürger, IBler, NPD-Kader mit AfD-Anhängern und -Funktionsträger zusammen gegen die Asyl- und Einwanderungspolitik auf der Straße. Felix Krebs vom HBgR weist darauf hin, wer Mitglied dieser Internetgruppe werden möchte, müsse aktiv beitreten oder die Hinzufügung durch Dritte autorisieren.

Vahldieck hat sich den Ruf als harter Hund erworben

In der Hamburger Politik hatte sich der jetzt 63-jährige Vahldieck von 1986 bis 2002 als CDU-Innenpolitiker den Ruf eines harten Hundes erworben. In der CDU-Schill-Koalition wurde der Verwaltungsjurist 2002 unter Innensenator Ronald Schill Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz. Mit dem „gnadenlosen Richter“ Schill einte ihn ein markiges Durchgreifen gegen vermeintliche Chaoten, Dealer und Gesindel.

Sechs Jahre später machte der zum CDU-Bürgermeister aufgestiegene Christoph Ahlhaus, der damals Mitglied der schlagenden studentischen Verbindung „Turnerschaft Ghibellinia“ in Heidelberg war, Parteifreund Vahldieck zum Innensenator. Kurz darauf rückte der ihm unterstellte Verfassungsschutz die Besetzer des Gängeviertels in die Nähe des Linksextremismus. Von „linksextremistisch beeinflussten Künstlerprojekten“ und dem „linksextremistisch beeinflussten Netzwerk ‚Recht auf Stadt‘“ wurde im Bericht 2009 schwadroniert.

Bei der Bürgerschaftswahl 2011 trickste sich Vahldieck in Erwartung eines Wahlsieges von Olaf Scholz (SPD) in die Bürgerschaft zurück. Als Innensenator kannte er frühzeitig die komplizierten Wahlzettel, die wegen des neuen Wahlrechts notwendig wurden. Bewusst kandidierte er auf dem aussichtslos scheinenden CDU-Listenplatz 31 – denn der stand ganz oben auf der zweiten Seite des Wahlzettels und wurde deshalb von vielen offenbar schlichten Gemütern angekreuzt.

„Ganz oben bringt mehr Aufmerksamkeit“, gab Vahldieck nach der Wahl grinsend zu – Parteifreunde hingegen nannten sein Vorgehen offen „eine Schweinerei“, der Hamburger Verfassungsrechtler und ehemalige CDU-Abgeordnete Ulrich Karpen kritisierte, Vahldieck habe sich mit „Herrschaftswissen einen Startvorteil verschafft“.

Nach nur zehn Monaten legte er dann zum Jahresende 2011 sein Bürgerschaftsmandat nieder und wurde Geschäftsführer der städtischen Bike&Ride-Betriebsgesellschaft – als Ex-Amtsleiter besaß er ein Rückkehrrecht in die Verwaltung oder in Öffentliche Unternehmen.

Sympathien für Ungarns Autokraten Viktor Orban

Politisch äußert er sich weiterhin gerne – auf seiner Facebookseite. Dort bekundet er Sympathien für die aus der Union ausgeschiedene AfD-Freundin Erika Steinbach oder Ungarns Autokraten Viktor Orban. Bereits 2016 schrieb er „time to say goodbye“ und rief auch zum „Aufstand zum Widerstand gegen Merkel“ auf. Eine Ausgrenzung der AfD hält er für falsch und den „Kampf gegen rechts“ für „verlogen“.

Diese Aktivitäten eines „reaktionären CDU-Mitglieds wäre an sich keine Aufmerksamkeit wert, sagt Krebs. Doch bei der Nähe von Sicherheitsbehörden und rechtem Milieu müsste diese Beziehungen „alarmierend“ sein. „Als ehemaliger Geheimdienstchef und Innensenator dürfte Herr Vahldieck nicht nur immer noch über viele Kontakte verfügen“ sagt Krebs, „sondern auch über erhebliches, vertrauliches Wissen über die ex­treme Rechte, wie auch ihre Gegner.“ Und er fragt: „Wird Vahldieck jetzt zum Beobachtungsobjekt seines ehemaligen Amtes?“

Wohl nicht. Ein Sprecher räumte auf Anfrage der taz zwar ein: „Die Mitgliedschaft in der Facebook-Gruppe ist natürlich ein Hinweis auf Sympathie gegenüber der Kampagne“, vor der das Landesamt für Verfassungsschutz erst kürzlich gewarnt hatte. Sie allein sei jedoch „kein hinreichender tatsächlicher Anhaltspunkt“, Einzelpersonen zu den „als rechtsextremistisch eingestuften Organisatoren“ hinzuzurechnen.

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9 Kommentare

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  • Hamburgs ehemaliger Innensenator Heino Vahldieck (CDU) bildet ein politisches Kaliber ab, an dem dem Publikum Ahnungen vom Hintergrundrauschen der Strategie der Spannung asymmetrischer Demobilisierung der Anhängerschaft politischer Gegner durch innenpolitisch sicherheitsrelevant inszenierte Verstörung über das Team Dr. Angela Merkel unmerklich vermittelt. - s. dazu Haltung, Verhalten BfV Chef Hans Georg Maaßen im Zusammenhang Chemnitz Ereignissen, gestärkt von CSU Bundesinnenminister Horst Seehofer in diese Richtung -

    Das geht mit der Verwirrung des Öffentlichen soweit, dass durch die Facebook Gruppe "Merkel muss weg", der Vahldieck wie der ehemalige Spiegel Kulturchef Matthias Matussek angehört, bundesweit das linksliberale Spektrum vom Rande her ab durch die Mitte mobilisiert, aktiviert wird, sich mit Hamburgs ehemaligem Regierenden SPD Bürgermeister Klaus von Dohnanyi (90) , nebst poetisch krähender Gattin Ulla Hahn aus Mohnheim wie ein "Mann" vor und hinter Bundeskanzlerin Merkel stellen, statt dieses innerparteilich ausgelagerte Strömungsspektakel der UNION im eigenen Saft als Schrumpfungsprozess vor sich hinschmoren zu lassen, sich eigentlich linken Themenkomplexen, wie Ende weltweiter Sklavenarbeit im Namen deutscher Exportwirtschaft, - s. Verweigerung SPD Außenminister Heiko Maas, UNO Abkommen 2018 gegen Sklavenarbeit zu unterstützen - Beitritt Berlins zum UNO Atomwaffenverbot 2017, Bundestag Beschluss 2010 "Atomwaffensysteme haben aus Deutschland zu verschwinden", samt weltweitem Ausstieg aus der Kernenergie, Findung von Endlagern für atomar radioaktiv strahlenden Giftmüll aus militärischer, ziviler Nutzung nach GAU Tschernobyl 1986, dreifacher GAU Fukushima 2011, Entsorgung von Plastikmüll in den Meeren und dessen Nutzung als Ressource, mit Elan auf die gesellschaftspolitische Agenda zu heben.



    s. Thema: #Hypothekzins wie in #Schweiz #Leerstand #Obdachlosigkeit #Arbeitslosigkeit #Wohnraum #für #Büro #Feriennutzung in #Mietspiegel einpreisen

  • Wie wäre es mit einer eigenen "Wir sind mehr gegen Merkel"-Kampagne?

  • In Hamburg darf die CDU niemals regieren. Es ist eine alte Weisheit. Durch den massiven Wahlerfolg von Schill konnte die CDU ein Mal ins Rathaus einziehen. Und diese Jahren haben es wirklich in sich. Dass sich jetzt ein Geheimdienstler bei der rechten Szene engagiert, ist allerdings ein weiterer knalliger Schritt, um die massive Minusbilanz der CDU zu steigern. Wenn er da wirklich aus dem Nähkästchen plaudern sollte, wird das ein Problem für den Hamburger Geheimdienst. Zwar dürfte der relativ schnell erfahren, was Heino Vahldieck da an Infos ventiliert, aber nützen wird es vielleicht nicht viel. Und natürlich, der Geheimdienst überwacht nicht den ex-Chef. Aber er wird von ihm hören ...

  • Zwar unangenehm, aber nicht mit Maaßen zu vergleichen.

    Wenn Maaßen zukünftig in Berlin für das Aufstellen von Fahrradständern u.ä. zuständig wäre. wäre das schon begrüßenswert.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Age Krüger:

      Ein schöner Gedanke!!!

      Das Peter-Prinzip, mal ganz anders.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Mal wieder ein taz-Artikel als Steigbügelhalter für Frau Merkel. Gääääääääääähn!

    Wie wäre es zur Abwechslung mit einem über die Organisation Verfassungsschutz, ihre Historie und Hysterie? Eine lohnenswerte Aufgabe, wenn ich nicht irre.

    • @76530 (Profil gelöscht):

      Wussten Sie, dass man, um Frau Merkel nicht zu mögen, keine Kontakte zu Nazis braucht? Das geht auch ganz ohne!

    • 9G
      91690 (Profil gelöscht)
      @76530 (Profil gelöscht):

      Man kann mit Gähn nicht missliebige Wahrheiten unterdrücken nur weil man selber eine andere Meinung hat oder sie



      jemanden betreffen ,den man nicht mag

      das zeugt von mangelnder politischer Kultur und besorgt das Geschäft der Rechten.....

    • @76530 (Profil gelöscht):

      Klar wäre das grosse Projekt den Verfassungschutz zu enttarnen wichtig, aber ich finde es schon ganz richtig auch immer wieder die Namen derer zu nennen die im Deckmantel und innerhalb der demokratischen Parteien das Geschäft der Nazis von AFD nach rechts betreiben. Danke für den Artikel.