Legastheniker gegen Muslime: Deuschland den Deuschen
Sie wollen „Deutschland“ retten, aber können es nicht mal richtig schreiben: Die Hetzparolen an einer Hamburger Moschee sind fast schon komisch.
„Solche Schmierereien sind das erste Mal passiert“, sagt Daniel Abdin, Vorsitzender der Al-Nour-Gemeinde. „Ich denke, sie sind dem allgemeinen gesellschaftlichen Klima gegen ‚den Islam‘ geschuldet.“
Es war ein Nachbar, der der Gemeinde die Schmierereien an der noch nicht eröffneten Moschee gemeldet hatte. „Er war ganz betroffen“, sagt Abdin. Die Gemeinde selbst hatte die Parolen noch gar nicht bemerkt. Die Moschee in Horn soll erst am 26. September in Betrieb gehen.
Vor fünf Jahren hatte der Umbau der leer stehenden Kapernaum-Kirche begonnen. Viele Anwohner waren damals besorgt. Dass eine Kirche zur Moschee umgebaut werden sollte, enthielt eine politische Symbolik in der angeheizten Debatte um die vermeintliche Islamisierung der Bundesrepublik. „Oh Gott, oh Gott, die Islamisten kommen“, hätten Nachbarn befürchtet, sagt Abdin. Doch das sei 2013 gewesen, heute würden die Anwohner fragen: „Wann kommt ihr endlich?“
Zwei Gegendemos gegen die „Merkel muss weg“-Kundgebung sind angemeldet:
„Hamburger Stimmen für Vielfalt“, 17 Uhr, Stephansplatz;
Kundgebung des „Hamburger Bündnisses gegen Rechts“, 17.30 Uhr, Hachmannplatz
Am Jungfernstieg, nahe der "Merkel muss weg"-Kundgebung, sollen sich beide Gegendemos vereinen
Vor fünf Jahren war die rechte Szene mit dem Versuch gescheitert, Ressentiments zu befeuern. Unter dem Motto „Lasst die Kirche im Dorf“ wollten „Pro Deutschland“, die „German Defence League Hamburg Division“ und die „Identitäre Bewegung“ im Stadtteil aufmarschieren. Trotz bundesweiter Mobilisierung kamen nur 28 Anhänger. Über 600 Gegendemonstranten, etliche aus der Nachbarschaft, begrüßten damals bereits Abdin mit Applaus.
Der sagt heute: „Wir sind hier angekommen, werden angenommen. Diese Schmierereien sind aber Ausdruck der anhaltenden Hetze.“ Ein Anwohner bestätigt das: „Ich glaube nicht, dass ein Nachbar diese Parolen gesprüht hat.“ Er sieht einen Zusammenhang zu der für Mittwoch angekündigten „Merkel muss weg“-Kundgebung. „Ich denke, das war der Anlass für die Schmierereien“, sagt er. Er wohnt gleich hinter der Moschee. „Hier bei uns ist die Stimmung gut“, betont er.
Jetzt weiß es auch der VS: Nazis gegen Merkel
Nachdem die Kundgebung „Merkel muss weg“ monatelang ausgesetzt hatte, hoffen die Organisatoren um den rechten Kampfsportler Thomas „Togger“ Gardlo am Abend auf rund 500 Teilnehmer. Im ersten Halbjahr 2018 hatten in Hamburg sogenannte Montagsdemonstrationen gegen die Asyl- und Einwanderungspolitik mit bis zu 200 Teilnehmern stattgefunden – mitten dabei Kader der NPD und der Identitären Bewegung.
„Wir haben seit dem Frühjahr darauf hingewiesen, dass sich hinter der Chiffre ‚Merkel muss weg‘ genau der üble, braune Mob von AfD-MitläuferInnen, Nazi-Hooligans, rechten Türstehern, NPD-Aktivisten, völkischen Identitären, Burschenschaftern und Pegida-AnhängerInnen verbirgt, welcher jetzt in Chemnitz mit Hitlergrüßen und Hetzjagden zur Lynchjustiz gerufen hat“, sagt ein Sprecher der Hamburger Bündnisses gegen Rechts.
Nun warnt auch der Verfassungsschutz: „Diese Kundgebung verantworten Rechtsextreme“, sagt Sprecher Marco Haase der taz. Teilnehmer sollten sich dessen bewusst sein, dass sie zu Rechtsextremen gingen.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen