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Kommentar LehrermangelQuereinsteigen statt Sitzenbleiben

Kersten Augustin
Kommentar von Kersten Augustin

Die besten Lehrer sind die mit Lebenserfahrung und Persönlichkeit. Sie wissen, wovon sie sprechen. Deshalb braucht es mehr Seiteneinsteiger.

Ein Lehrer mit Elvistolle, Comicfaible und goldener Taschenuhr? Perfekt! Foto: imago/UPI Photo

G laubt man dem Philologenverband, dann ist der Untergang nahe: „Geradezu dramatisch bis katastrophal“ sei der Lehrermangel an deutschen Schulen. Und der Deutsche Lehrerverband schätzt, dass 40.000 Lehrer in Deutschland fehlen. Man sieht schon Schüler über Tische und Bänke gehen.

Natürlich ist es Ausdruck eines politischen Versagens, dass es nun zu wenig Lehrer gibt in Deutschland. Und es wird deutlich, wie hohl das Gerede ist von der Bildungsnation, wenn nicht einmal genug Lehrkräfte zur Verfügung stehen, um die Aufbewahrung der Kinder von 8 bis 16 Uhr zu gewährleisten – geschweige denn eine Ausbildung, um im globalen Wettrennen gegen dreisprachige Chinesen in Elektroautos zu bestehen.

Das größte Problem ist, dass der Lehrermangel die deutschen Schüler nicht im gleichen Ausmaß trifft. Weil Lehrer sich heute wieder ihre Schule aussuchen dürfen, suchen vor allem Schulen in armen Stadtteilen mit anstrengenden Schülern verzweifelt Personal. Das Gymnasium in Grünwald oder dem schmucken Taunusort wird weiterhin kaum Probleme haben, Personal zu finden. Allen Beteuerungen von der „Ressource Bildung“ zum Trotz bleibt Deutschland also, was es ist: eine Gesellschaft, in der nicht die Schulklasse, sondern die Klasse der Eltern das Leben bestimmt.

Und doch stört etwas an der aktuellen Debatte um Quereinsteiger, denen unisono die Eignung abgesprochen wird. Es ist die Geringschätzung, mit der dabei über Menschen mit ungeraden Lebenswegen gesprochen wird. Die hohe Zahl der Seiteneinsteiger sei ein „Skandal“, eine ganze Schülergeneration „nehme Schaden“. Quereinsteiger berichten auch von missgünstigen Kollegen. Es klingt, als seien Quereinsteiger nicht nur inkompetent, sondern für Schüler gemeingefährlich.

Dabei sind jene Menschen die besten Lehrer, die von ihren Schülern interessant gefunden werden. Weil sie spannende Dinge erlebt haben, weil sie wissen, wovon sie sprechen, wenn es im Politikunterricht um Prekarität geht oder im Deutschunterricht um einen Romanhelden, der nicht weiß, was er mit seinem Leben anfangen soll.

Klassenlehrer mit Elvistolle

Wer bei einem Klassentreffen an seine Schulzeit zurückdenkt, erinnert sich selten an die Lehrer mit den besten didaktischen Konzepten, sondern an die interessantesten Persönlichkeiten. Mein Klassenlehrer in der Mittelstufe war ein promovierter Historiker, ein Quereinsteiger, würde man heute sagen. Er unterrichtete uns auch in Latein, obwohl er das nicht studiert hatte.

Er hatte eine Elvistolle und eine goldene Taschenuhr, und in seiner Freizeit schrieb er an Wikipedia-Artikeln über den Versailler Vertrag mit, da war das Onlinelexikon noch keine drei Jahre alt. Auf seine Arbeitszettel druckte er kleine Comics von Calvin und Hobbes, über die er selbst lauter kicherte als seine Schüler. Den Unterrichtsstoff aus dem Lateinunterricht habe ich längst vergessen. Aber von meinem Klassenlehrer habe ich gelernt, dass man ein Nerd sein kann und trotzdem cool.

Es ist kein Ausdruck von Qualifikation, schon als Abiturient im Alter von 19 Jahren keine Träume von der Zukunft zu haben, die über das Lehrerpult hinausgehen, das zwei Bänke weiter vorne steht. Wer in den letzten zehn Jahren pädagogische Seminare an einer deutschen Hochschule besucht hat, trifft dort auf viele Studierende mit einem hohen Sicherheitsbedürfnis, das der Lehrerberuf und die damit verbundene Verbeamtung bietet. Das ist nicht schlimm, aber ein bisschen langweilig.

taz am wochenende

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Und es war früher mal anders: Wer in den siebziger Jahren Lehrer wurde, in den Jahren der großen Bildungsexpansion, als immer mehr Menschen Abitur machten, der hatte noch viel häufiger politische Motive für seinen Berufswunsch. Der wollte mit seinen Schülern die Welt verändern, den Muff von 1.000 Jahren vertreiben oder zumindest die alten Nazikollegen aus dem Lehrerzimmer. Der gründete Gesamtschulen und wollte einen Unterricht, in dem nicht mehr geschrien und geschlagen wird wie in der eigenen Schulzeit.

Es ist ein Irrglaube, dass Lehrer dieser früheren Generationen pädagogisch besser ausgebildet waren als die Quereinsteiger heute. Wer als Lehrer heute über 50 Jahre alt ist, stand oft im Referendariat das erste Mal vor einer Schulklasse. Und trotzdem sind aus vielen von ihnen gute Lehrer geworden.

Ewig Teil der Oberschicht

Heute dagegen werden viele junge Menschen Lehrer, die wollen, das alles so bleibt, wie es ist. Wer mit einem Gehalt von 3.000 Euro netto ins Berufsleben einsteigt und sein Leben lang privatversichert ist, dem fehlt womöglich die Fantasie, dass es den meisten Menschen in Deutschland anders geht. Glauben Sie nicht? Fragen Sie mal einen Lehrer, ob er sich zur Oberschicht zählen würde (was er statistisch mit seinem Einkommen tut). Wer sein Leben in der Schule verbringt, weiß nicht, wie es ist, Angst vor der Arbeitslosigkeit zu haben, vier Wochen auf einen Facharzttermin zu warten oder einen Rentenbescheid zu bekommen, der dreistellig ist.

Aber es geht nicht nur um Privilegien, sondern um Erfahrung: Ein Quereinsteiger, der Romanautor werden wollte, spricht im Deutschunterricht anders über Schriftsteller, ein ehemaliger Leistungssportler denkt anders nach über Biologie und Ernährung.

Die pädagogische Ausbildung an Universitäten krankt auch daran, dass dort Menschen arbeiten, die Lehrer werden wollten, aber aus Angst vor den Schülern lieber an der Uni geblieben sind. Nicht die besten Pädagogen also. Die lassen ihre Studierenden dann für Multiple-Choice-Tests auswendig lernen, dass Frontalunterricht schlecht ist.

Vielleicht wäre das eine Lösung: Ein Mindestalter für Lehrer, so wie für das Amt des Bundespräsidenten. 40 Jahre, das wäre ein gutes Einstiegsalter. Dann hätte jeder Lehrer genauso viel Zeit innerhalb wie außerhalb der Schule verbracht. Und es wäre eine gute Exit-Option für all die prekären Journalisten, Künstler und Schauspieler, die nochmal Geld verdienen wollen. Und ihren Schülern Geschichten vom Scheitern erzählen können.

Quereinsteiger brauchen eine bessere pädagogische Qualifikation und Begleitung bei ihrem Sprung ins kalte Wasser. Dann aber sind sie nicht nur eine Notlösung, sondern eine Bereicherung.

Besser quer einsteigen als sein Leben lang sitzen bleiben – in der Schule, in der Uni und wieder in der Schule.

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Kersten Augustin
Ressortleiter Inland
Kersten Augustin leitet das innenpolitische Ressort der taz. Geboren 1988 in Hamburg. Er studierte in Berlin, Jerusalem und Ramallah und wurde an der Deutschen Journalistenschule (DJS) in München ausgebildet. 2015 wurde er Redakteur der taz.am wochenende. 2022 wurde er stellvertretender Ressortleiter der neu gegründeten wochentaz und leitete das Politikteam der Wochenzeitung. In der wochentaz schreibt er die Kolumne „Materie“. Seine Recherchen wurden mit dem Otto-Brenner-Preis, dem Langem Atem und dem Wächterpreis der Tagespresse ausgezeichnet.
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20 Kommentare

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  • Irgendwann habe ich es verstanden: In jedem Beruf findet man ein gewissen Prozentsatz an Personen, die am Besten irgendwo in der Ecke sitzen und nur still zuschauen.



    Da sind Lehrpersonen keine Ausnahme.

    Die Qualität des Lehrpersonals wird nur zum Teil durch die Ausbildung bestimmt. Das was der eine (vielleicht) an Pädagogik aus seinem Studium mitbringt und mit der gleichen Dosis Didaktik nutzt um Inhalte zu vermitteln, sind bei anderen dann die Lebenserfahrung und das Wissen aus der Praxis.



    Solange aber die Rahmenbedingungen für Beiden nicht stimmen, werden sie nur bedingt zeigen können, wie gut sie Inhalte vermitteln und SchülerInnen motivieren können. Hoch dotierten und verbeamtete Lehrpersonen die als Lobyist tätig sind, haben den Kontakt zur Realität verloren. Denen geht es nur um Besitzstand und nicht um den Kindern.

    Lösen wir uns doch einmal von der Dogmatik und sehen wir zu, dass sich im Interesse unserer Kinder etwas verbessert - egal ob mit oder ohne Lehramtstudium.

  • Hach schön! Mal wieder alles Klischees auf den Tisch gepackt.



    Es sind nicht alle Lehrer privat versichert. Es sind nicht alle Lehrer verbeamtet. Auch das hat sich geändert. Aber es ist ja leichter die alten Schubladen einfach aufzuziehen. Was ein 17-Jähriger Hauptschüler von Elvis hält scheint mir ziemlich klar. Elvis wird untergehen. Sich fragen, warum er sich das alles antut. Und möchte zurück ins Elvisleben, ohne Stress, ständige Konflikte und Druck sein. Einfach Elvis eben.



    Elvis wird sich auch fragen, warum er 2 hörbehinderte, ein geistig Behindertes und ein schwer erziehbares Kind vor sich sitzen hat. Denn er wollte doch Lehrer werden und von seinem Alleinunterhalter-Image weg. Er wollte doch unterrichten. Und dann heißt es auch noch Inklusion. Aber das wollte er doch gar nicht. Das hat er doch bei seinem Seitenenstieg gar nicht gelernt. Macht nichts Elvis, das haben die ausgebildeten und examinierten und lang erfahrenen Lehrer auch nicht gelernt. Das machen sie mal so ganz nebenbei. Weil es so erwartet werden kann, Eltern sich das wünschen können und bei so einem horrenden Honorar einfach mal machbar sein sollte.

    Das sind die Gründe, warum es 40000 unbesetzte Stellen gibt...., einfach mal genauer schauen. Mal in eine Schule im Brennpunkt gehen und feststellen, dass es doch nicht so eben mit ner kleinen Ausbildung und etwas mehr Lebenserfahrung funktioniert.

  • Wie schön, mal wieder Zeit für Lehrerschelte in der Taz!

    Natürlich ist nicht jeder Quereinsteiger ungeeignet, aber ebenso wenig ist jeder "gelernte" Lehrer ein spießiger Langweiler ohne Bezug zum realen Leben, lieber Herr Augustin.



    Allerdings haben Kinder und Jugendliche ein Recht darauf, von hochqualifiziertem Fachpersonal unterrichtet zu werden.



    Keiner von uns würde es akzeptieren, von einem Quereinsteiger, der den entsprechenden Beruf nicht gelernt hat, die Elektrik seines Hauses installieren zu lassen, seine Krankheiten behandeln zu lassen oder sich vor Gericht vertreten zu lassen.



    Die Bildung unserer Kinder dürfte kaum unwichtiger sein, oder?

    Wenn man diesen Gedanken weiterspinnt, dann könnte man jegliche (!) Berufsausbildung gleich abschaffen. Es gibt doch sicher für jedes Fachgebiet auch Naturtalente, oder?

    Aber (ich vermute da jetzt nur) möglicherweise sind Quereinsteiger für die Länder ein möglicher Weg, am Personal Geld zu sparen?

    Und ganz ehrlich: Wer von einem Einstiegsgehalt von 3000 Euro schwadroniert und vom Erzählen interessanter Geschichten als Unterricht, der hat für mich von der Materie wenig Ahnung.

  • Leider habe ich sehr schlechte Erfahrungen mit dem heutigen Lehrpersonal an verschiedenen Schulen durch meine Kinder machen müssen!

    Die sogenannten studierten Lehrer haben es heutzutage in erster Linie drauf, Kinder von Eltern mit geringem Einkommen zu drangsalieren und ihnen demonstrativ vorzuhalten, dass sie aus einem schlechtem Elternhaus kommen, weshalb sie selbst nicht in der Lage seien, anständig zu lernen!

    Jedes Kind, welches aus einem, der Armut nahestehenden, Haushalt kommt



    entstammt automatisch auch einem Bildungsfernen Haushalt!

    Seit Jahren versuche ich an der Schule meiner Tochter etwas an diesem Umstand zu ändern, aber leider nur mit dem Ergebnis, dass meine Tochter das im Unterricht ausbaden muss!

    Allein schon, wenn man sich die Auswahl der Klassenfahrten anschaut, sieht man all zu deutlich, wie wenig sich die Lehrerschaft für die Zusammensetzung der Klasse interessiert, wenn z.B. Klassenfahrten für 4 Tage zu 270,--Euro geplant werden, wenn bekannt ist, das 2/3 der Elternschaft nicht in der Lage ist, diese Kosten zu stemmen!



    Der Rat der Lehrer, das Kind in eine andere Klasse geben oder die Kostenübernahme vom Amt zu beantragen!

    Eben bei dieser Klassenfahrt wird auf die Trennung der Spreu vom Weizen gesetzt, da es die letzte Klasse vor dem Schulabschluss ist!

    Aus dieser Klasse sind mindestens 5 Kinder, die hätten nicht versetzt werden dürfen, da ihre Zensuren weit unter dem nötigen Leistungsstand lagen!



    Aber sie wurden trotz 3 Fünfer in den wichtigen Fächern, laut Zeugniskonferenz, in die nächste Klasse versetzt!



    Auf Anfrage zu meiner Tochter und ihren letzten Arbeiten bekam ich einen völlig anderen Zensuren Spiegel, als den , den sie tatsächlich abgegeben hatte!



    Eine Mathearbeit mit 45% richtigen Ergebnissen wurde tatsächlich im Nachhinein mit einer 4 bewertet, obwohl es bei der ersten Bewertung eine 5- war!

    Es werden Kinder der Statistik halber um ihren Abschluss gebracht, da es wichtiger erscheint, das Ranking der Schule aufrecht zu erhalten!

  • Bevor ich es vergesse.

    Was eher dramatisch ist, sind die sehr klischeehaften Vorstellungen von Lehrern, die hier wieder einmal heruntergebetet werden. Auch Menschen, die sich zum Lehramt berufen fühlen haben ein reales und kein Fake-Leben. Es ist traurig, dass oft so getan wird, als ob sich LehrerInnen gegen das „echte“ Leben entschieden haben.



    Zum Abschluss: ja ich bin Lehrer. Ich habe aber auch als Ingenieur in der freien Wirtschaft gearbeitet. In meinem Erst- und Zweitstudium habe ich, wie viele meiner Kollegen, etliche Nebenjobs (Kassierer, Reinigungskraft, Türsteher, Nachhilfelehrer etc.) gemacht und habe hier ständig LehramtsstudentInnen getroffen. Auch in meinem jetzigen Kollegenkreis sind die Klischeelehrer die absolute Ausnahme.

  • Wo fängt man da am besten an?



    Quereinsteiger sind grundlegend keine schlechte Sache. Auch sie sind akademisch ausgebildet und sollten dementsprechend über das nötige Fachwissen verfügen. In einigen Schulformen ist das - wenn man mit den Schülern und Schülerinnen umgehen kann - auch (fast) ausreichend, solange man methodisch und didaktisch auch etwas zu bieten hat, also nicht nur Arbeitsblätter und Lehrervortrag. Bei beruflichen Schulen verleiht die praktische Erfahrung sogar eine besondere Authentizität, vor allem wenn eine entsprechende Ausbildung vor dem Studium absolviert wurde. Auch in der Sek II kann z. Bsp. ein gestandener Chemiker vielleicht mit seinen Erfahrungen aus dem Berufsleben punkten.



    Je jünger das Publikum allerdings wird, desto weniger zählen die rein fachliche Kenntnisse, sondern ganz andere Kompetenzen rücken in den Vordergrund. Dinge wie Lernschwierigkeiten einzelner Schülerinnen und Schüler (die als solche auch erst einmal erkannt werden wollen), physischen, psychischen und kognitiven Entwicklungsschritten von Kindern, das Erarbeiten von Lernstrategien, Arbeit mit Eltern und vieles mehr machen den Großteil dessen aus was LehrerInnen „auf der Palette“ haben müssen.



    Genau hier setzt ja die Kritik auch an und wird in diesem Kommentar meiner Meinung nach zu verallgemeinert wiedergegeben. Mit einem hohen Anteil an QuereinsteigerInnen IN DAFÜR GEEIGNETEN BEREICHEN DER BILDUNG hat kaum jemand ein ein Problem, solange diese nachgeschult und geprüft werden. Im Primarbereich aber, wo der Anteil der neu eingestellten QuereinstiegerInnen dieses Jahr bei über 50 Prozent liegt, geht es aber nicht ohne ein entsprechendes Studium. Klar wird das wenn man sich vor Augen hält, dass vor allem im Falle von Grundschulkindern Schüler und Schülerinnen unterrichtet werden und keine Fächer.

    • @Qay:

      Eines habe ich in meiner Reise durch das deutsche Schulsystem gelernt: früher ging man mit mehr Wissen ins Erwachsenenleben. Ich werde nie unseren Metheprof vergessen der Differentialgleichungen an schrieb, es war still, er drehte sich um... hielt inne, "Sie haben keine Ahnung was ich da mache oder" - allgemeine Zustimmung. Darauf hin kam ein erschrockenes "das hatten wir in der 12ten Klasse...".

      Etwas mehr Fokus auf das Fachliche und weniger Pädagogikexperimente, würden unserem Land sehr sehr gut tun - auch schon in den Unterstufen. Weil was die versauen holen nur die Begabten und motivierten auf. So gut es eben geht. Jeder der sein Abi auf dem 2ten Bildungsweg holt, kann davon ein Lied singen.

  • Meine Schulzeit liegt schon drei Jahrzehnte zurück. Von meinen beiden besten Lehrern war der eine deutscher Handballmeister und der andere ein Quereinsteiger. Man muss das nicht zum Prinzip machen, aber jeder Schule tut es gut, wenn etwa jeder fünfte Lehrer vorher wenigstens 15 Jahre in der Privatwirtschaft gearbeitet hat.

  • Ahh, nach den Artikeln der letzten Tage wollte ich ja schon fast selbst ein Kommentar schreiben, schön das es jetzt einen pro Quereinsteiger gibt.

    Ich gehe hier von meinen persönlichen Erfahrungen im Bayerischen Schulsystem und meinen Leben aus, die sind natürlich nicht repräsentativ.

    Die beste Lehrerin die ich je hatte war Quereinsteigerin in Rechtskunde - die Kanzlei der Anwältin für Sozial- oder Familienrecht (ich weis es nicht mehr genau) lief wohl noch nicht so gut, also brauchte sie eine weitere Verdienstquelle. Zugegebenermaßen unterrichtete sie die Oberstufe einer FOS, viel Pädagogik war also nicht von nöten. Didaktisch war die Frau aber super, das super trockene und langweilige Fach Rechtskunde wurde das interessante lieblingsfach vieler aus unserer Klasse. Jede Woche behandelten wir unseren Unterrichtsstoff an Hand eines tatsächlichen Falles entweder aus der eigenen Praxis der Anwältin oder aus publizierten Fällen - so wurde Recht, Gesetz und Rechtssprechung lebendig. Anders als in meinem späteren Studium. Noch heute kann ich mich an einige Fälle aus dem Unterricht erinnern. Tatsächlich lernten wir mehr und besser als der Lehrplan dies vorsah. Danke liebe Quereinsteigerin.

    Ich kenen viele Studenten, Referendare oder angehende Studenten die Lehramt studieren grob lassen die sich in drei Kategorien einteilen:



    1. Die idealisten die Lehrer/in für einen der wichtigesten Berufe halten und diesen aus Prinzipien ergreifen. Die Allermeisten wollen in die schwierigeren Schulen oder in die Sonderpädagogik. Das ist die bei weitem kleinste Gruppe.

    2. Die im Bericht beschriebenen, die Sicherheit und 13 Wochen Ferien wollen und einen Job der nicht so Anspruchsvoll ist. Allesamt wollen diese ins Gymnasium.

    3. Die Leute die in ihrem Leben nicht besonders viel hinbekommen haben, jetzt zwischen 27 und 35 sind und nach einem ruhigen Job suchen. So etwas wie Lehrer/in für Reli und Französisch am Gymi, was wo man nicht zu viel verkacken kann. Das ist die größte Gruppe.

  • 9G
    90191 (Profil gelöscht)

    Die besten Lehrer sind die, welche sich nicht um linksgrünliberale Modepädagogik scheren, sondern den guten alten Frontalunterricht praktizieren. Es sind diejenigen, der ehemalige Schüler bei einem Treffen Jahre später sagen: "Sie waren zwar streng, aber bei ihnen habe ich viel gelernt."

    Die nur Persönlichkeit haben, sind zwar bei den Schülern beliebt, weil sie sich gut in Szene setzen können. Aber Schokolade ist auch beliebt, trotzdem ist ein Apfel gesünder.

  • 9G
    90191 (Profil gelöscht)

    Die besten Journalisten sind die mit Lebenserfahrung und Persönlichkeit. Sie wissen, wovon sie sprechen. Deshalb braucht es mehr Seiteneinsteiger.

  • "Oh du lieber Augugstin, Augustin, Augustin (wird wiederholt), alles ist hin: Geld ist weg, Beutel ist weg, August liegt auch im Dreck, oh ..."



    Als Kind habe ich mich tatsächlich oft gefragt, was wohl jetzt mit dem lieben Augustin aus dem "Kinderlied" passiert. Ich hatte durchaus Mitleid. Die Lösung: Lehrer werden! Kanzler Schröder hatte doch Recht, oder, dass Lehrer faule Säcke seien? Da sind die Quereinsteiger bestimmt besser.



    "Und taugst du nicht als Straßenkehrer, dann werd doch lieber Waldorflehrer." Auch so ein Spruch auf gleichem Niveau.



    Wie kann man in solcher Pauschalität solche Dummheiten in der TAZ veröffentlichen? Wohl zu viel "Fackjuhgöte" geschaut? Scheint Saure-Gurken-Zeit zu sein. Bereitet da jemand seinen Quereinstieg vor?



    Also, ich bin für Quereinsteiger mit Pädagogikstudium bei der TAZ als Redakteur. Wo kann ich mich bewerben?



    Interessant übrigens, dass die TAZ hier etwas veröffentlicht, was gänzlich ohne * und _ und I auskommt. Hm. Na der Einfachheit halber, und damit mich der liebe Augustin versteht, habe ich mich diesem Stil angepasst.



    Und schon jetzt freue ich mich auf die ganzen Geschichte von Leuten, die ihre eigene Schulzeit noch nicht aufgearbeitet haben. Neuer Hashtag?

    • @Leser:

      Bevor Sie sich bei der Taz bewerben, rate ich Ihnen, sich mal deren Haustarifvertrag anzuschauen, die gehen nämlich nicht für A12 oder A13 zur Arbeit.

      Dann würde ich meine monatlichen Ausgaben überschlagen, danach mir nochmal den Haustarifvertrag anschauen und die Tabelle des TVÖD daneben legen.

      Die Frage wäre, ob Sie dann da immer noch als Quereinsteiger anfangen wollen und ob Sie sich das finanziell überhaupt leisten können. ;-)

  • Mindestalter 40 für Lehrer, das wäre tatsächlich eine Gewähr dafür, daß diesen Beruf nur Menschen ergreifen, die es als Romanautor nicht geschafft haben. Wenn ihre Schüler dann später vom Unterrichtsstoff keine Ahnung haben – was solls, sie werden dafür nie vergessen, daß Herr Müller eine Tolle hatte, und daß man ein Nerd sein kann und trotzdem cool. Da müßten sich die dreisprachigen Chinesen aber warm anziehen. Es sind immer die Traktate über den Lehrberuf am amüsantesten, deren Autoren noch nie an einer Schule unterrichtet haben.

  • Man man man, ein kompetenter Artikel, wie man ihn ja häufiger in der taz findet... leider, muss man sagen.

    Warum sollten Lehrer, die das auch studiert haben, keine Persönlichkeit haben? Ist es besser, mal zum Prekariat gehört zu haben? Vielleicht haben manche Lehrer während des Studiums viel gearbeitet oder gar vor dem Studium eine Ausbildung? Ist ein ehemaliger Leistungssportler automatisch kritischer gegenüber Selbstverschleiß und Ernährung um des Höher Schneller Weiter willens? Kritisches Denken und einen Blick über den Tellerrand kann man sowohl beim Lehramtsstudium erwerben als auch nebenbei. Und wer Lehrer wird, weil er sonst keine Perspektive hat, hat nicht notwendigerweise die Fähigkeit zum kritischen Denken. In der Schule geht es auch um mehr als um nette Anekdoten, die Quereinsteiger erzählen können. Sollte das nicht klar sein?

    Aber Herr Augustin, Sie haben durchaus Recht. Ich erinnere mich auch gut an meinen Musiklehrer. Der war Jazzmusiker, rauchte auch mal auf dem Gang, bis er dafür ermahnt wurde. Ein Test in der 11. Klasse bestand darin, im Takt zu einem Lied zu klatschen. Viel mehr habe ich bei ihm nicht gelernt, aber eine Persönlichkeit war er schon, sogar eine gescheiterte, wie Sie es ja bevorzugen, weil man von verkrachten Existenzen so viel lernt.



    Andererseits erinnere ich mich auch gut an andere, studierte Lehrer, die oft sehr guten Unterricht gemacht haben, was natürlich nicht auf alle zutrifft.

    Man kann sich ja mal informieren, was gute Lehrer so ausmacht. Spoiler: ein Staatsexamen ist kein Kriterium.

    • @Marius:

      Quereinsteiger sind jetzt schon verkrachte Existenzen, das wird ja immer besser hier.

      • @Sven Günther:

        Bezog mich nur auf den Artikel:



        'Weil sie spannende Dinge erlebt haben, weil sie wissen, wovon sie sprechen, wenn es im Politikunterricht um Prekarität geht oder im Deutschunterricht um einen Romanhelden, der nicht weiß, was er mit seinem Leben anfangen soll.'

        Und warum ist der promovierte Historiker wohl an die Schule gegangen? Bissl überspitzt halt...

  • einer der seltenen Artikel bei dem jede Zeile richtig ist! Doppelplusgut. Mehr davon

  • quereinsteigerInnen sind logischerweise besser als studierte lehrerInnen. schließlich haben sie nicht sinnlos Zeit mit Pädagogik, Psycholiogie und fachpraktischen Übungen verplempert.



    Bestes Beispiel Herr S. in der Sonderschule Güstrow. Der tritt auch mal beherzt die Schüler samt Stuhl um, wenn sie nicht parieren wollen. Natürlich gedeckt durch die Führung...

  • Leider erscheinen Quereinsteiger stets als Notlösung, denn sie werden erst dann angeworben, wenn wieder Lehrernotstand ganz aktuell auf der Tagesordnung steht.



    Seltsamerweise schaffen es Kultusbürokraten nie, für einige Jahre im Voraus zu planen. Lehrermangel fällt nicht vom Himmel.



    Eine normale Lehrerkarriere ist eine ziemlich öde Angelegenheit. Abitur, Studium, Schule. Klassische LehrerInnen haben nie etwas anderes als Schule kennen gelernt.



    Quereinsteiger sind oft fachlich sehr gut qualifiziert. Was fehlt sind Kenntnisse der Didaktik, Methodik und Pädagogik. Aber der Umgang mit Schülern ist nicht wirklich erlernbar, da kommt es auf die Persönlichkeit der Lehrenden an.

    Und Kersten Augustin hat Recht, wenn er sagt, dass sich Schüler nicht an den besten Pädagogen erinnern sondern an die Typen mit Charakter, die auch mal eine tolle Story erzählen können, die mit ihrem Wissen auch mal ein paar "Dönekes" nebenbei loswerden und die ihre SchülerInnen wirklich mögen. Das merken SchülerInnen.

    Fazit: Solange Quereinsteiger nicht nur als Notlösung gesehen werden, können sie mit entsprechender pädagogischer Zusatzqualifizierung eine Bereicherung sein.



    Ob unsere Bildungsbürokraten in der Lage sind, die Quereinsteiger richtig zu qualifizieren, kann bezweifelt werden. Hinzu kommt, dass aus Kostengründen viele Lehrkräfte nicht verbeamtet werden (obwohl sie wegen des Arbeitgeberanteils der Lohnnebenkosten teurer sind) und zu Ferienbeginn die Kündigungen kommen, damit sie dann von der Arbeitsagentur "finanziert" werden. Verlockend ist dieser an Verhöhnung grenzende Umgang mit diesen Lehrkräften nicht.