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Seehofer erschwert FlüchtlingshilfeKreuzzug gegen das Kirchenasyl

Flüchtlinge müssen jetzt dreimal länger in Kirchen ausharren, bevor ein Asylverfahren in Deutschland erkämpft werden kann: bis zu 18 Monate.

Hort des christlichen Handelns: Kirche im christlichen Bayern Foto: dpa

Freiburg taz | Noch nie gab es so viele Kirchenasylfälle in Deutschland wie derzeit. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will deshalb gegensteuern: Seit Anfang August gelten neue Regeln, die die Belastung der beteiligten Kirchengemeinden oft verdreifachen – und somit wohl zu einem Rückgang des Kirchenasyls führen werden.

So muss ein Schutzsuchender künftig 18 statt 6 Monate in kirchlichen Räumen ausharren, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) das Bestehen eines Härtefalls verneint. Die Kirchenasylbewegung hält das für „rechtswidrig“: „Wir gehen davon aus, dass dies auch einige Verwaltungsgerichte so sehen“, sagte Pastorin Dietlind Jochims, Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) „Asyl in der Kirche“.

Beim Kirchenasyl wird ein Ausländer in kirchlichen Räumen vor einer bevorstehenden Abschiebung geschützt, wenn eine „nicht hinnehmbare Härte“ droht. Nach eigenem Selbstverständnis stellen sich die Kirchengemeinden dabei nicht über das Recht, sondern fordern den Staat nur auf, noch einmal zu prüfen, ob das Recht wirklich korrekt angewandt wurde.

Früher gab es nie mehr als fünfzig Fälle pro Jahr. Doch seit 2014 steigt ihre Zahl stark an (siehe Tabelle). Im Vorjahr gab es laut BAG bundesweit 1.189 Kirchen­asyl-fälle, bei denen 1.799 Personen geschützt wurden, darunter 371 Kinder und Jugendliche. Die Polizei dürfte die Geschützten zwar aus dem Kirchenasyl holen, tut es aber nicht – aus Achtung vor der Religion.

Jahrelanger Streit

Ursprünglich ging es vor allem darum, Abschiebungen ins Herkunftsland zu verhindern. Hierzu musste intensiv mit den Behörden verhandelt werden. In Extremfällen konnte ein Kirchenasyl Jahre dauern. Inzwischen betreffen 90 Prozent der Kirchenasyle sogenannte Dublin-Fälle. Hier geht es darum, die Überstellung in einen anderen EU-Staat zu verhindern. Nach den Dublin-Regelungen ist meist der EU-Staat für das Asylverfahren zuständig, den der Asylantragsteller zuerst betreten hat.

Bei einem Dublin-Fall kann die Kirchengemeinde auf Zeit setzen: Wenn eine Überstellung an den zuständigen Staat nicht binnen einer „Überstellungsfrist“ von sechs Monaten gelingt, dann ist automatisch Deutschland für das Asylverfahren zuständig.

Der deutliche Anstieg der Dublin-Kirchenasyle führte schon 2014 zu massiver staatlicher Kritik. Manfred Schmidt, der damalige Bamf-Präsident, warnte, hier werde schlicht das Gesetz „umgangen“. Oft gehe es nicht um den Einzelfall, sondern um eine generelle Infragestellung der Dublin-Verordnung.

Die Zahl der Kirchenasyle dürfte durch diese Regeln in Zukunft spürbar sinken

Thomas de Maizière, damaliger CDU-Innenminister, wurde noch deutlicher: „Als Verfassungsminister lehne ich das Kirchenasyl prinzipiell und fundamental ab.“ Das Bamf drohte damals erstmals damit, Ausländer im Kirchenasyl als „flüchtig“ einzustufen; damit würde sich die Überstellungsfrist von 6 auf 18 Monate verdreifachen.

Die Kirchenasylbewegung wies die ­Kritik zurück. Wenn die Zahl der Flüchtlinge stark ansteige, sei es normal, dass auch die Zahl der Kirchenasyle zunehme. Die Kirchengemeinden überlegten stets genau, ob sie Kirchenasyl gewähren; neun von zehn Anfragen würden abgelehnt.

Der Konflikt wurde alsbald entschärft: Im Februar 2015 einigten sich Bamf und Kirchen auf eine neue Form der Zusammenarbeit bei Dublin-Fällen. Das Bamf sagte zu, die Akten von Kirchenasylschützlingen noch einmal zu prüfen. Die Kirchen wurden aufgefordert, „Dossiers“ zur Begründung einzureichen. Wenn das Bamf eine „unzumutbare Härte im Einzelfall“ anerkennt, macht es von seinem „Selbsteintrittsrecht“ Gebrauch. Dann bekommt der Asylantragsteller sofort ein Asylverfahren in Deutschland.

Eine positive Bilanz

Am Ende einer halbjährigen Projektphase zogen beide Seiten eine positive Bilanz. Das Bamf hatte bei fast allen vorgelegten Dossiers Härtefälle akzeptiert. Die Verlängerung der Überstellungsfrist war vorerst vom Tisch.

Doch schon Mitte 2016 verschärften sich die Reibereien wieder. Im Bamf war nun eine andere Abteilung zuständig. Immer weniger Härtefälle wurden anerkannt. Die Kirchen ärgerten sich über schlecht begründete, schablonenhafte Ablehnungen. Die Folgen waren zunächst aber gering: Die Betroffenen blieben einfach weiter im Kirchenasyl, sie mussten nur ein paar zusätzliche Wochen warten – bis die Sechsmonatsfrist überschritten war.

Allerdings nahm nun auch die staatliche Kritik wieder zu. Viele Innenpolitiker fragten, was die Härtefallprüfung des Bamf eigentlich solle, wenn am Ende so oder so ein Asylverfahren in Deutschland folge. Vorgeworfen wurde den Kirchengemeinden auch, dass sie 2017 in mehr als der Hälfte der Fälle überhaupt kein Begründungsdossier einreichten. Das Bundesinnenministerium monierte, dass sogar Überstellungen „in systemisch unbedenkliche Mitgliedsstaaten wie Schweden“ per Kirchenasyl verhindert würden.

Tatsächlich betrafen im Jahr 2017 immerhin 56 Kirchenasylfälle eine Überstellung nach Schweden, in 75 Fällen war Norwegen das Zielland. „Wenn eine Überstellung in skandinavische Länder verhindert wird, geht es häufig um Afghanen, die dort bereits als Asylbewerber abgelehnt wurden und höchstwahrscheinlich nach Afghanistan abgeschoben würden“, sagt BAG-Vorsitzende Dietlind Jochims. „Wenn dann noch gesundheitliche oder andere Probleme hinzukommen, gehen wir von einem besonderen Härtefall aus.“

Traumatisierung durch die Flucht

Bei knapp der Hälfte aller Dublin-Kirchenasyle geht es um Verhältnisse in den zuständigen EU-Staaten: um drohende Obdachlosigkeit in Italien, Gewalt von Sicherheitskräften in Bulgarien oder eben die Gefahr der Abschiebung ins Herkunftsland. Eine weitere knappe Hälfte der Fälle bezieht sich auf medizinische Probleme, vor allem psychischer Art. Oft sind die Geschützten traumatisiert, etwa durch Erlebnisse auf der Flucht. Aber die Konstellationen sind vielfältig, oft liegen mehrere Gründe vor. „Jeder Fall ist anders“, sagt Dietlind Jochims.

Doch nun gelten tatsächlich neue Regeln. Sie wurden schon im Juni von der Innenministerkonferenz beschlossen. Am 3. Juli hat Horst Seehofer sie in einem Erlass festgelegt. Und seit 1. August gelten sie laut Bamf für alle neu gemeldeten Kirchenasyle.

Danach betrachten die Behörden einen Schutzsuchenden nun als „flüchtig“, wenn die Kirchengemeinde das Dossier zur Begründung nicht binnen vier Wochen nach Beginn des Kirchenasyls einreicht – damit verdreifacht sich die Überstellungsfrist auf 18 Monate. Das selbe gilt, wenn das Kirchenasyl nicht innerhalb von drei Tagen beendet wird, nachdem das Bamf einen Härtefall abgelehnt hat.

Die Last der Kosten

Das war 2017 immerhin bei 80 Prozent der Dossiers der Fall. Somit dürfte in der Praxis vor allem die zweite Neuregelung folgenschwer sein. Zwar können Flüchtlinge und Kirchengemeinden weiterhin ein Asylverfahren in Deutschland erzwingen, auch Seehofer akzeptiert grundsätzlich die „christlich-humanistische Tradition des Kirchenasyls“. Quasi als Sanktion müssen sie sich aber auf einen viel längeren Zeitraum einstellen.

Und das bedeutet für die Gemeinden eine enorme Belastung. Beim Kirchenasyl stellen die Kirchen den Wohnraum zur Verfügung. Er kann nicht irgendwo angemietet werden, sondern muss zu einer kirchlichen Einrichtung gehören, etwa zum Pfarrhaus oder zum Gemeindezentrum.

Die Kirchen müssen zudem die Versorgung der Geschützten übernehmen, denn diese bekommen während des Kirchenasyls kein Geld vom Staat. Und im Krankheitsfall müssen die Gemeinden auch den Arzt bezahlen, denn Schutzsuchende im Kirchenasyl sind nicht krankenversichert. „Ob man dies für ein halbes oder für anderthalb Jahre zu leisten hat, macht einen großen Unterschied“, sagte Martin Dutzmann, Bevollmächtigter des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Die Zahl der Kirchenasyle dürfte in Zukunft also spürbar sinken. Dann hätte Minister Seehofer sein Ziel erreicht.

Vielleicht hat Horst Seehofer die Rechnung aber auch ohne die Gerichte gemacht. Denn sicher wird es Klagen gegen die Fristverlängerung auf 18 Monate geben. Und dann wird sich zeigen, dass man Personen im Kirchenasyl nicht einfach so für „flüchtig“ erklären kann. Sie sind ja gerade nicht untergetaucht – vielmehr ist ihr Aufenthalt den Behörden stets bekannt.

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30 Kommentare

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  • 8G
    83492 (Profil gelöscht)

    "und irgendwie kann man ja mal gucken wo das Geld für Flüchtlinge und deren Integration so hingeht, es ist nämlich nicht weg."

    Das haben Sie klar denkender Mensch äußerst scharfsinnig erkannt. Es ist nicht weg, es hat nur jemand anderes.

    "Syrische Flüchtlinge haben by the way überdurchschnittlich oft Abitur. Schön, dass weder die Zahlen, deren Aussagekraft sowie die von Ihnen zitierten Aussagen nicht stimmen."

    Können die syrischen Abiturienten wenigstens mit doppelter Negation umgehen?

    • 8G
      83492 (Profil gelöscht)
      @83492 (Profil gelöscht):

      Und hoffentlich können die auch besser mit der "ANTWORTEN" Funktion im Forum umgehen als ich.

      Sollte Antwort sein an www.taz.de/!ku15995/ "Wie schön von Ihnen, menschliche Schicksale unter Kostengesichtspunkten zu betrachten. ..."

  • Matthäus 20.40: "...Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan."

    Das C der CSU, das angeblich für christlich steht, beschränkt sich bei der CSU auf: "Den Schutz der christlichen Werte und des christlichen Abendlandes." Wobei die christlichen Kirchen diese Werte wohl besser schützen können...



    Das S, für Sozial, beschränkt sich auf: "Bayern geht es gut! Und damit das so bleibt, sollen die ganzen Ausländer im Ausland bleiben!"



    Zuletzt das U, für Union. Wie stark diese Union ist, sieht man ja daran das Seehofer sagte er könnte mit der Kanzlerin nicht mehr arbeiten.

  • 8G
    80336 (Profil gelöscht)

    "Manchmal muss man gegen das Gesetz verstoßen, um Menschlichkeit durchzusetzen."

    D'accord. Was "Menschlichkeit" ist, wird bekanntlich durch dessen Gegenteil definiert, demnach durch "Unmenschlichkeit". Ebenso ist unstrittig, dass die Handlung, einem anderen Menschen Schutz zu gewähren, nicht zu den unmenschlichen Handlungen gehört. Nachvollziehbar ist auch jenes Phänomen, dass jene, welche unmenschliche Handlungen begrüßen, dadurch dazu unfähig werden, diese als solche anzuerkennen.

  • 8G
    83492 (Profil gelöscht)

    "Manchmal muss man gegen das Gesetz verstoßen, um Menschlichkeit durchzusetzen."



    Und was Menschlich ist, bestimmen ...



    Sie?

    • @83492 (Profil gelöscht):

      Was menschlich ist, ist nicht objektiv bestimmbar, sondern kann allein durch einen andauernden gesellschaftlichen Diskursprozess erörtert werden. Man wird sich aber immer mal wieder entscheiden müssen, um sich auch für Menschlichkeit einsetzen zu können.



      Tatsache ist, das Staaten als das für den Einzelfall oft erblindete System, das sie nunmal sind, immer wieder unmenschlich agieren. Das wird sich auch niemals ändern. Deshalb ist es wichtig, dass es nichtstaatliche Akteurre gibt, die gegen solche Unmenschlichkeiten einschreiten. Wo das nicht geschieht, geraten Menschen unter die Räder der Vorschriften.

      • 8G
        83492 (Profil gelöscht)
        @njorg:

        "Was menschlich ist, ist nicht objektiv bestimmbar, sondern kann allein durch einen andauernden gesellschaftlichen Diskursprozess erörtert werden."

        Das hört sich sehr habermasch an. In der Praxis sind es wohl eher die Richter des BVerfG, die Menschlichkeit definieren. Ich habe leider keinen Einblick, wie sehr die sich am gesellschaftlichen Diskursprozess orientieren und an ihn gebunden fühlen.

  • Bald droht der Seehofer damit die Kreuze in Bayerns Amtsstuben, die eh von den Kirchen schon nicht gewollt waren, wieder abzunehmen.

    • @Rudolf Fissner:

      Eine "generelle Infragestellung der Dublin-Verordnung", um die es laut Artikel oft geht, ist meines Erachtens absolut berechtigt.

      Dier Artikel schreibt über die Dublin-Fälle: "Hier geht es darum, die Überstellung in einen anderen EU-Staat zu verhindern. Nach den Dublin-Regelungen ist meist der EU-Staat für das Asylverfahren zuständig, den der Asylantragsteller zuerst betreten hat."

      Das heißt in der Konsequenz, dass ausgerechnet Länder wie Italien und Griechenland, die ohnehin schon finanzielle Probleme haben, weiterhin einen Großteil der Flüchtlingskrise tragen müssen - trotz aller zaghaften politischen Versuche, die Angekommenen über die EU verteilen zu lassen. Es gibt zahlreiche Berichte, dass in Ländern wie Griechenland, wo schon viele Einheimische arm sind, Flüchtlinge oft in Slum-artigen Elendsvierteln oder völlig überfüllten Lagern einquartiert werden, wo sie teilweise aus Not in die Prostitution getrieben werden.

      Als anständiger Mensch überhaupt (und vor allem als Christ) sollte man sich angesichts solcher Zustände zur Barmherzigkeit verpflichtet sehen. Wo Erfüllung dieser Pflicht staatlich unterdrückt wird, gilt: "...Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen." (Apg 5, 29). Zumal Deutschland ein reiches Land ist und sich ein hohes Maß an Barmherzigkeit leisten kann.

      Und überhaupt, was soll das für eine EU sein, in der sich die reicheren Mitglieder aus der Verantwortung stehlen und die ärmeren die Hauptlast tragen lassen?

    • @Rudolf Fissner:

      Der schlechte Witz bei der Sache ist, dass die CSU ihr C nur ernst zu nehmen scheint, solange die Christen katzbuckeln. Sie instrumentalisiert das Kreuz für ihre Zwecke. Christlicher Widerstand gegen staatliches Unrecht wird natürlich nicht hingenommen, weil die CSU auf der Seite der Täter steht.

  • 8G
    83492 (Profil gelöscht)

    Weil bei allen Fragen um das Thema Migration und Asyl so großer Wert auf die Rechtsstaatlichkeit gelegt wird: was sind denn die gesetzlichen Grundlagen für das Kirchenasyl?

    • @83492 (Profil gelöscht):

      Garkeine, wie bei jeder Privatpersonen auch. Aber die Kirchen fordern hier Recht ein und das hat eine gesetzliche Grundlage. Als Institution hat diese Einfordrung mehr stärke, als die eines einzelnen Gefüchteten, der kaum ein deutsches Dokument versteht. Einen Schutzsuchenden aus einer Kirche herauszuzerren genießt zudem noch den Schutzfaktor der Öffentlichkeit. Seien Sie doch froh, dass die Einhaltung humanitärer Rechte nicht nur von einer Stelle in diesem Land abhängig ist.

      • 8G
        83492 (Profil gelöscht)
        @Sven Svarson:

        Ich fasse mal zusammen: wenn es in den Kram passt, müssen die Vorgaben des Rechtsstaats minutiös eingehalten werden, wenn nicht können sie getrost ignoriert werden.



        "Seien Sie doch froh, dass die Einhaltung humanitärer Rechte nicht nur von einer Stelle in diesem Land abhängig ist."



        Nein, ganz und gar nicht. Wenn jeder das Recht in die Hand nimmt, dann erodiert das Vertrauen, dass für alle die gleichen Regeln gelten.

        • 8G
          88181 (Profil gelöscht)
          @83492 (Profil gelöscht):

          Ich nehme an, Sie hätten die ganze Chose noch ein bisschen unmenschlicher.

          Es geht um 2.000 Menschen im Jahr. Die Kirchen haben 10 mal so viele Anfragen, lehnen aber die meisten ab.



          Und den meisten Prüfungen auf Härtefall wird statt gegebe.

          Diese Christen handeln aus Menschlichkeit, weil ihr Glaube ihnen das so vorschreibt.

          Wenn man kein ganz erkaltetes Herz hat, leuchtet einem das doch ein. Oder?

          Wie wird wohl die Geschichte urteilen? Beispielsweise über die Tausende, die im Mittelmeer ertrinken. Wir sehen das ja. Live und in Farbe im TV.

          Bisher haben uns die Flüchtlinge weder überrannt, noch arm gemacht. Die meisten Deutschen fahren zwei- dreimal im Jahr in den Urlaub und alle zehn Jahre gibt es eine neue Küche.

          Die die das nicht können und nicht haben, konnten es vorher nicht, jetzt nicht und in Zukunft auch nicht. Mit den Flüchtlingen hat das nichts zu tun.

          • 8G
            83492 (Profil gelöscht)
            @88181 (Profil gelöscht):

            Ihr Argument geht an der Sache vorbei. Wollen Sie zulassen, dass religöse Institutionen die Entscheidungen der Justiz nicht anerkennen und ihre eigenen Vorstellungen von Gerechtigkeit durchsetzen? So kann kein Rechtsstaat funktionieren. Irgendwann ist eine Entscheidung als final anzuerkennen.

            Und wenn es noch eines ergänzenden Mechanismus bedarf, der Härtefälle behandelt, dann will ich die Kirchen nicht mit im Boot haben. Ich finde es extrem bigott, dass die Kirchen von Moral und Menschlichkeit reden, aber die Folgen dann doch lieber von der Allgemeinheit tragen lassen. Obwohl die Kirchen in Deutschland nicht arm sind, hat bisher kein Bistum eine Bürgschaft für Menschen im Kirchenasyl übernommen. Sollte bei 2000 Menschen im Jahr leicht möglich sein. Nebenbei: einer der katholischen Heiligen hat halbe/halbe mit den Armen gemacht.

            "Der Kirchenkritiker Carsten Frerk stellte die einzelnen Posten vor drei Jahren in einem „Violettbuch Kirchenfinanzen“ zusammen. Demnach summieren sich allein die Staatsleistungen auf 19,3 Milliarden Euro im Jahr, kommerzielle Einnahmen nicht mitgerechnet. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) verwahrte sich in einer Stellungnahme gegen die Schlussfolgerungen, räumte aber gequält ein, dass die Zahlen „vielleicht nicht falsch“ seien."

            www.faz.net/aktuel...sind-12624995.html

            Was die Kosten der Aufnahme angeht, deren Folgen Sie wohl als vernachlässigbar ansehen:

            "Inzwischen behauptet kein Ökonom oder Manager mehr, dass die massenhafte Zuwanderung für den deutschen Staat ein Segen sei. Im Gegenteil: Wegen des geringen Bildungsniveaus kalkuliert der Finanzwissenschafter Bernd Raffelhüschen, «dass jeder Flüchtling in seiner Lebenszeit per saldo 450 000 Euro kostet». Bei zwei Millionen Zugewanderten bis 2018 summiere sich das auf Gesamtkosten von 900 Milliarden Euro."

            www.nzz.ch/meinung...ein-deutsches-tabu

            • 6G
              60440 (Profil gelöscht)
              @83492 (Profil gelöscht):

              Wie schön von Ihnen, menschliche Schicksale unter Kostengesichtspunkten zu betrachten. Natürlich gibts auch wieder einen Wirtschaftswissenschaftler, der mit unbelegten Zahlen herum wirft und warnt. Super. Hans Werner Sinn, Jörg Meuthen, Alice Weidel, Thilo Sarrazin, Sahra Wagenknecht, Bernd Lucke, alles feine VWLer, deren Untergangsgeschrei unbedingt glaubwürdig ist und deren Prognosen, die samt und sonders von grossem Schwachsinn getragen und in der Welt klar denkender Menschen belächelt werden... Irgendwie gehts uns hier immer besser bei stetig größer werdender Einwanderung und irgendwie kann man ja mal gucken wo das Geld für Flüchtlinge und deren Integration so hingeht, es ist nämlich nicht weg. Da werden Lehrerstellen geschaffen, Azubis ausgebildet, da werden Wohnungen gebaut und Schulen und Krankenhäuser, es entstehen Betriebe und Restaurants und immer wieder Arbeitsplätze. Die Kinder lernen deutsch, machen Ausbildungen, studieren. Eine echte win-win-Geschichte. So wie immer bei Zuwanderung. Syrische Flüchtlinge haben by the way überdurchschnittlich oft Abitur. Schön, dass weder die Zahlen, deren Aussagekraft sowie die von Ihnen zitierten Aussagen nicht stimmen. Und nun noch schnell zu Lucke und Sarrazin: Wann hat sich Deutschland denn nun endlich abgeschafft? Und wann ist der Euro denn nun endgültig Geschichte weil Griechenland uns - wann bloss? - in den Abgrund gerissen hat? Ich warte seit Jahren äußerst gespannt...

            • @83492 (Profil gelöscht):

              "Wollen Sie zulassen, dass religöse Institutionen die Entscheidungen der Justiz nicht anerkennen und ihre eigenen Vorstellungen von Gerechtigkeit durchsetzen?"



              Kommt drauf an, welche Entscheidungen diese Institutionen nicht anerkennen. Grundsätzlich halte ich es für die Pflicht eines jeden Bürgers, das Handeln des Staates kritisch zu hinterfragen und dagegen anzugehen, sofern unmenschlich ist - im Zweifelsfall ist dabei auch gegen geltendes Gesetz zu verstoßen. Deshalb ist und war es auch richtig auch der Grund, Täter des Holocausts zu verurteilen, auch wenn zur Zeit des 3. Reichs ihre Handlungen legal waren. Deshalb ist es auch ein Skandal ist, dass der Schießbefehl an der Grenze zwischen DDR und BRD später nahezu keinerlei juristischen Konsequenzen hatte.

              "Ich finde es extrem bigott, dass die Kirchen von Moral und Menschlichkeit reden, aber die Folgen dann doch lieber von der Allgemeinheit tragen lassen"



              Würden die Kirchen die Kosten selbst tragen, wäre das natürlich nobel. Aber darauf zu beharren, dass der Staat die Kosten zu tragen hat, heißt zugleich auch, darauf zu beharren, dass der Staat an dieser Stelle im Unrecht ist - ein Vorwurf der bei fast allen Kirchenasylfällen früher oder später durch die Rechtsprechung bestätigt wird.

              Ich sehe zwei mögliche Motivationen in ihrer Argumentation:



              Entweder Sie sind einfach nur gegen Ausländer und wollen möglichst wenig Flüchtlinge im Land haben und deshalb ist Ihnen jede Bemühung für Flüchtlinge ein Dorn im Auge und deshalb natürlich auch das Kirchenasyl.



              Oder Sie sind extrem obrigkeitshörig und nicht in der Lage, ein eigenes moralisches Wertegerüst zu entwickeln und es gegenüber den existierenden Gesetzen abzuwägen.



              Mit ihrer Argumentation sind Stauffenberg, Bonhoeffer, die Bürgerrechtsbewegung der DDR, die Anti-AKW-Bewegung, Menschen in Sitzblockaden allesamt Verbrecher.



              Oh, ich habe die dritte Variante vergessen: Sie verdammen einfach alles, was Religionsgemeinschaften tun, weil es Religionsgemeinschaften tun.

              • 8G
                83492 (Profil gelöscht)
                @njorg:

                "Deshalb ist und war es auch richtig auch der Grund, Täter des Holocausts zu verurteilen, auch wenn zur Zeit des 3. Reichs ihre Handlungen legal waren."

                Jetzt packen Sie aber das große Besteck aus. Bei den mir bekannten Fällen von Kirchenasyl ging es nicht um Sein oder nicht Sein sondern um Abschiebungen nach Italien, Bulgarien oder (Horror) Norwegen [1].

                Die Diskussion ist ein wenig hysterisch, wird doch unterstellt die Alternative wäre Aufenthalt in Deutschland oder das absolute Elend und der Tod.

                [1] "Tabelle 4/2017: Drohende Abschiebungen in folgende europäische Staaten



                Den meisten Menschen im Kirchenasyl drohte eine Abschiebung in folgende Länder: Italien (540 Pers.), Bulgarien (167 Pers.) und Norwegen (154 Pers.)"



                www.kirchenasyl.de/aktuelles/

      • @Sven Svarson:

        +1

  • Nicht falsch verstehen, aber wie kann die Kirchenasylbewegung auf die Illegalität des Vorschlags verweisen, wenn die gängige Praxis schon sehr fragwürdig ist bzw. auf wackligen Beinen steht?



    Ich persönlich verstehe ja die humanitäre Motivation und die Härtefälle die ich mitbekommen habe lassen mich manchmal an der Entscheidungspraxus zweifeln, aber juristisch hat das Kirchenasyl doch nicht mehr bestand, als wenn ich eine abgelehnten Asylsuchenden bei mir privat aufnehme, oder?

    • @Andi S:

      So kann man es wohl zusammenfassen. Dennoch ist es wichtig, daß man in Diskussionen das Kirchenasyl als quasi legal erscheinen lässt. Wenn der Staat so herzlos ist, muss man in der öffentlichen Wahrnehmung etwas tricksen ;)

  • Fortsetzung:



    Ebenso das Oberverwaltungsgericht Schleswig, Beschluss vom 23.03.2018 - 1 LA 7/18 - juris, Rz. 18: "...Dazu ist anzumerken, dass die Beklagte insoweit weder rechtlich noch tatsächlich an der Durchführung einer Überstellung gehindert ist. Der Kirchenraum ist nicht exemt. Ein Sonderrecht der Kirchen, aufgrund dessen die Behörden bei Aufnahme einer Person in das sog. Kirchenasyl gehindert wären, eine Überstellung durchzuführen und hierzu gegebenenfalls unmittelbaren Zwang anzuwenden, gibt es nicht... ."

    Dem ist nichts hinzuzufügen außer Verwunderung darüber, dass einzelnen immer mitgliederschwächer werdenden Religionsgemeinschaften contra legem Sonderrechte eingeräumt werden.

    In Deutschland besteht laut Verfassungsrecht (Art. 137 der Weimarer Reichsverfassung, WRV), welcher nach Art. 140 Grundgesetz fortgilt, keine Staatskirche.

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @Cristi:

      Das Asylgrundrecht wurde 1993 abgeschafft - weil ein -ua. in Rostock-Lichtenhagen tobender brauner Mördermob, flankiert von einer hysterischen Öffentlichkeit und geifernden Presse es so wollte. Der im Nachgang geschaffene Art. 16a GG ist ein ua. durch Flughafen- und Drittstaatenregelung verunstalteter Monsterartikel, der einkassiert, was er zuvor versprach: Politisch Verfolgte geniessen Asylrecht.



      Es ist daher mehr al begrüssenswert, dass die Kirchen in bengründeten Einzelfällen das leisten was unseere Rechtsordnung (allen voran die Rechtsprechung) eben nicht leisten will: Grundrechten Geltung verschaffen, sogar für Flüchtlinge ...

      • @60440 (Profil gelöscht):

        Ob Anspruch auf Asyl besteht, wurde doch geprüft.



        Und verneint.

        • @Peterbausv:

          Der Staat verneint diesen Anspruch oft genug zu Unrecht. Wer in Not ist, dem muss geholfen werden, das ist gerecht, sonst nichts. Und zwar wird besser von den reicheren unter den EU-Ländern geholfen als von den Mittelmeer-Anrainerstaaten.

          • @Ein alter Kauz:

            Wer ist denn in Not? Derjenige, der dies behauptet?

            Gerät man in Not, weil man in den für das Verfahren zuständigen EU- oder Dritt-Staat, z. B. nach Norwegen, Schweden, Dänemark, Belgien, Frankreich, in die Niederlande oder die Schweiz zurückgeführt werden soll?

            Laut eigenen Angaben der Kirchen befinden sich derzeit, Stand 15.08.2018, 868 Personen im "Kirchenasyl", www.kirchenasyl.de/aktuelles. Davon sind 512 (59%!) "Dublin-Fälle", mithin Personen, die nicht ins Heimatland, in "Krieg und Armut" abgeschoben, sondern in den für das Verfahren zuständigen EU-Staat überstellt werden sollen.

            Da beginnt es dann wirklich albern zu werden, wenn von "humanitärer Hilfe für Menschen in Not" gefaselt wird. "Am deutschen Wesen soll die Welt genesen"? Haben wir noch immer nicht gelernt, dass es in anderen Ländern nicht gern gesehen wird, wenn Deutsche von oben herab arrogant moralisierend behaupten, alle anderen seien, z. B. bei der Behandlung von Asylbewerbern, deutlich schlechter als wir?

  • Das OLG München hat mit Urteil vom 03.05.2018 - 4 OLG 13 Ss 54/18 - juris u. a. entschieden: "Kirchenasyl ist kein in der geltenden Rechtsordnung anerkanntes Recht. Die Grundrechte werden durch den Staat garantiert. Zu diesen gehört die Gewährung staatlichen Asyls in seiner gesetzlich geregelten praktischen Anwendung. Niemand, auch nicht die Kirche oder sonstige gesellschaftliche Interessengruppen, kann hier oder in anderen Bereichen außerhalb dieser Ordnung Sonderrechte für sich beanspruchen und etwa Asyl gewähren, oder sonst Allgemeinverbindlichkeit für das beanspruchen, was er jeweils gerade für richtig oder falsch hält, noch kann er bestimmen, was erlaubt ist und was nicht." (Rz 37). Das OLG München weiter: "Würde man anderes zulassen, wäre eine verfassungsrechtlich bedenkliche Ungleichbehandlung die Folge und ein Klima fehlender Rechtstreue geschaffen, Grundrechtsschranken würden ignoriert. Das Rechtsbewusstsein der Allgemeinheit und damit die öffentliche Ordnung als Grundlage des geordneten Zusammenlebens der Bürger in Freiheit würde beschädigt, die durch das Grundrecht aus Art. 2 GG garantiert ist. ... Demzufolge besteht Kirchenasyl im historischem Sinne als gegenüber staatlichen Institutionen geltendes und zu beachtendes Recht nicht (mehr)."... "Wird durch die Gewährung oder Inanspruchnahme von Kirchenasyl gegen geltende Gesetze verstoßen, so handelt es sich tatbestandsmäßig also um eine bewusste und gewollte, mindestens billigend in Kauf genommene Gesetzesverletzung, also um Unrecht ... für das auch kein Rechtfertigungsgrund erkennbar ist. ...Der Staat ist folglich durch das Kirchenasyl an sich weder rechtlich noch tatsächlich daran gehindert, die Überstellung durchzuführen, Kirchenasyl verbietet dem Staat kein Handeln und zwingt ihn auch nicht zum Dulden. ... Es existiert somit kein Sonderrecht der Kirchen, aufgrund dessen die Behörden bei Aufnahme einer Person in das Kirchenasyl gehindert wären, eine Überstellung durchzuführen... ."(Rz. 39-40).

    • @Cristi:

      Was für ein typisch deutscher Kommentar. Hauptsache, es geht nach den Vorschriften. Die Folgen für die Betroffenen sind egal...

      Manchmal muss man gegen das Gesetz verstoßen, um Menschlichkeit durchzusetzen. Das sollte gerade bei uns in Deutschland doch eine Sache sein, die man aus der Geschichte gelernt hat.

      • 6G
        60440 (Profil gelöscht)
        @njorg:

        Wie man im Fall des angebllichen Bin Laden Leibwächters gesehen hat, verstoßen gerade auch die Innenbehörden gegen Recht und Gesetz, um schnell zu vollziehen, damit der braune Mob zufriedengestellt wird. Dann werden mal eben Entscheidungen der Verwaltungsgerichte ignoriert, bzw. nicht abgewartet (was gegen das fundamentale Prinzip der Gewaltenteilung verstößt), was dann der zuständigen Kommune ein Zwangsgeld iHv. 10.000 Euro einbringt ...

  • Ich möchte dazu 2 Dinge anmerken: zum letzten Satz: natürlich ist der Aufenthalt bekannt, aber man setzt ja gerade darauf, dass die Polizei nicht dorthin geht, um den Aufenthalt zu beenden, wie es bei der bestehenden Ausreisepflicht ja ohne das Kirchenasyl der Fall wäre.

    Zum zweiten. Es sollte wohl selbstverständlich und für die nicht besonders armen Kirchen auch möglich sein, für diejenigen aufzukommen, die man - nach Rechtslage bei Bestehen des Kirchenasyls - gegen die Entscheidung von Behörden und Gerichten nicht abgeschoben sehen will. Sich auf anderer Leute Kosten als moralisch höher stehend aufzuspielen, gefällt mir gar nicht.