Zahl der Kirchenasyle drastisch gesunken: Verschärfung zeigt bitteren Erfolg
Die Regeln für Kirchenasyl wurden im vergangenen Jahr verschärft. Nun gewähren immer weniger Gemeinden abgelehnten Asylsuchenden Schutz.
Die Verschärfung des Kirchenasyls hatten die Innenminister*innen bei ihrer Frühjahreskonferenz im Juni 2018 in Quedlingburg beschlossen, nachdem sie den Kirchen zuvor mehrfach vorgeworfen hatten, sich nicht an Verfahrensabsprachen zu halten. So bemängelten sie unter anderem, dass in vielen Fällen keine „Dossiers“ zur Begründung von Härtefällen abgegeben wurden oder das Kirchenasyl auch dann nicht verlassen wurde, wenn das Bamf ein Asylbegehren bei nochmaliger Prüfung abgelehnt hatte.
Seit August 2018 können die Behörden nun die Frist für den sogenannten Selbsteintritt, durch den ein Asylverfahren in Deutschland eröffnet wird, von sechs auf 18 Monate erhöhen. Das führt im Ergebnis dazu, dass die Asylsuchenden länger mit einer Ausweisung aus Deutschland rechnen müssen.
Bei vielen Fällen von Kirchenasyl handelt es sich um sogenannte Dublin-Fälle, bei denen eigentlich ein anderer EU-Staat zuständig wäre. Deutschland hat nach geltendem Recht die Möglichkeit, die Geflüchteten innerhalb von sechs Monaten in das entsprechende EU-Land zurückzuschicken, ist aber nach Verstreichen dieser Frist selbst für das Asylverfahren zuständig. Durch das Kirchenasyl wird die Frist oftmals überschritten. Mit der Verlängerung auf anderthalb Jahre soll erschwert werden, dass sich Menschen unter kirchlicher Obhut der EU-Regelung entziehen.
Kritik von Gemeinden und Kirchenverbänden
Die Gemeinden und Kirchenverbände verurteilten die Neuregelungen schon nach dem Beschluss der Innenminister*innen. Martin Dutzmann, der Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, kritisierte die erschwerten Umstände sowohl für die Gemeinden als auch die Geflüchteten: „Für die Betroffenen heißt das, dass sie anderthalb Jahre extrem in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt und auf Unterstützung angewiesen sind. Die Kirchengemeinden wiederum müssen Begleitung und Versorgung der Schutzsuchenden über einen viel längeren Zeitraum hinweg gewährleisten.“
Auch die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche (BAG) kritisierte die Regelverschärfung damals bereits scharf: „Wir fordern nach wie vor eine Würdigung jedes Einzelfalls und eine Diskussion über Qualität im Flüchtlingsschutz, nicht Quantität von Abwehr“, sagte Pastorin Dietlind Jochims, Vorstandsvorsitzende der BAG. Die Zurückweisungen an der Grenze würden auch diejenigen treffen, die in einzelnen EU-Mitgliedstaaten potenziell von Zwangsprostitution, Misshandlungen, Obdachlosigkeit und Verelendung betroffen seien. Das Kirchenasyl greife in solchen Härtefällen.
Die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen Luise Amtsberg verweist vor diesem Hintergrund auf die Verschärfungen für Flüchtlinge in Italien: „Den zurückgeschickten Asylsuchenden droht damit de facto die Obdachlosigkeit in Italien – ein unhaltbarer Zustand, auf den die Kirchengemeinden durch die Gewährung von Kirchenasylen zu Recht hinweisen.“ Setze man die gemeldeten Kirchenasyle in Relation zu den Zugangszahlen der Asylsuchenden, „kann man wohl nicht von einem Massenphänomen sprechen.“
Die Zahl aktiver Kirchenasyle beläuft sich aktuell auf 532, davon sind 486 sogenannte Dublin-Fälle. Während das Bundesamt der Statistik zwischen Januar und August 2018 monatlich rund 150 bis 200 Fälle von Kirchenasylen verzeichnete, lagen die Zahlen ab August nur noch im zweistelligen Bereich. Im August waren es 57, im September 76 Fälle. Im Januar dieses Jahres gab es einen Tiefststand mit 47 Fällen.
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