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Kommentar Razzien bei NetzaktivistenGezielte Einschüchterung

Malene Gürgen
Kommentar von Malene Gürgen

Bewaffnete Polizisten durchsuchen die Wohnungen „Zwiebelfreunde“, obwohl sie Zeugen sind. Dass sie nicht vorgeladen wurden, ist skandalös.

Das Kollektiv Riseup stellt Kommunikationsinfrastruktur und hat Unterstützer*innen auf der ganzen Welt Foto: reuters

M an muss es sich so vorstellen: Die Polizei steht bei Ihnen vor der Tür. Hausdurchsuchung. Warum? Sie sind Mitglied in einem Verein, der Spenden für Google sammelt. Und auf einem Blog, auf dem zu Protesten gegen einen AfD-Parteitag aufgerufen wird, steht eine Gmail-Adresse als Kontakt – dann werden Sie doch wohl wissen, wer diesen Blog betreibt?

Natürlich nicht. Genauso wenig, wie die Mitglieder des Vereins „Zwiebelfreunde“ das wissen müssen, denen genau das passiert ist, nur dass der Provider nicht Google, sondern Riseup heißt. Schon dass die Mitglieder in dem Verfahren wegen des Aufrufs als Zeugen geführt werden, ist fragwürdig. Dass Zeugen nicht vorgeladen werden, sondern bewaffnete Polizei ihre Wohnungen durchsucht, ist skandalös.

Für die Entscheidung der bayerischen Polizei gibt es mehrere mögliche Erklärungen. Keine indes lässt auf ein besonders rechtsstaatliches Selbstverständnis der Behörde schließen. Aktionismus könnte ein Grund gewesen sein – weil man bei der Ermittlung der Blog-Urheberschaft keine Erfolge vorweisen konnte, wurden kurzerhand die Wohnungen von mühselig mit dem Verfahren in Zusammenhang gebrachten Personen durchsucht.

Für die bayerische Polizei wäre das noch eine der schmeichelhafteren Erklärungen. Weil im großen Maßstab auch Unterlagen des Vereins und anderer in den durchsuchten Räumen ansässiger Organisationen beschlagnahmt wurden, vermuten die Betroffenen noch einen anderen Zweck der Maßnahme: mehr über die Aktivisten selbst in Erfahrung zu bringen.

Es wäre nicht das erste Mal, dass alternative Räume mit fadenscheinigen Begründungen durchsucht werden. Und seit dem G20-Gipfel vor einem Jahr haben die repressiven Maßnahmen gegen linke Infrastruktur deutlich zugenommen, gerade auch in kleineren Städten. Solange die Sicherheitsbehörden auch in diesem Fall nicht zur Aufklärung beitragen, müssen sie sich den Verdacht der gezielten Einschüchterung gefallen lassen.

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Malene Gürgen
Reportage und Recherche
Redakteurin im Ressort Reportage&Recherche | Jahrgang 1990 | Seit 2014 Redakteurin der taz, zunächst im Berlinressort | 2016-2020 schwerpunktmäßig Recherchen zur extremen Rechten, dazu 2019 "Angriff auf Europa" im Ch. Links Verlag erschienen (mit C. Jakob, P. Hecht, N. Horaczek, S. am Orde) | 2020-2022 als Produktentwicklerin verantwortlich für die Konzeption der wochentaz | 2022-2023 Redakteurin im Ressort Zukunft – Klima Wissen Utopien | Seit 2023 im Investigativteam der taz.
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15 Kommentare

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  • Wer hat denn bei dem Rechtsruck unserer Damen und Herren Politiker etwas anders erwartet?

    Überall um uns herum bauen die Behelfsdiktatoren wie Orban ihre Macht aus!



    Das weckt Begehrlichkeiten bei den unseren, die auch Mal den Bösen spielen wollen und das Volk ruhig ein bisschen Drangsalieren wollen!



    Welche Normalperson ist denn schon in der Lage abzusehen, ob die Polizei zu Recht oder Unrecht handelt!



    Schon bei kleinen Delikten, wie man sie des Öfteren in den kleinen Städten sehen kann, wird dermaßen Hart durchgegriffen, dass man das nicht mit Gutem Gewissen nachvollziehen kann!

    Wenn z.B. ein südländisch aussehender Passant bei einer Ausweiskontrolle in der Fußgängerzone einer Kleinstadt in Niedersachsen zu Boden gerissen wird, nach der Kontrolle aber sofort wieder seines Weges ziehen darf, es aber nicht kann, weil er zu geschockt war, gesehen vor einer Eisdiele.



    Ob der Mann nun Deutscher, oder Jemand mit deutscher und ausländischer Staatsbürgerschaft war, konnte man beim zusehen nicht feststellen, aber man hat die völlig unnötige Gewalt der Beamten gesehen!



    Selbst wenn es Verdachtsmomente gegeben hat, geht man mit einem Menschen, egal welcher Herkunft nicht um!

    Man kann nur hoffen, das der Mann das nicht auf sich sitzen lässt und Anzeige erstattet, selbst wenn seine Aussichten nicht gerade rosig sind etwas zu erreichen, denn immer häufiger gilt es wieder, "Eine Krähe hackt der Anderen kein Auge aus"!!!

  • Wenn ein Staat zu einem Versteck wird, aus dem heraus die Vollstrecker der Versteckspiel Ordnung erfolgreich ohne Vorwarnung ausmarschieren, sollte man weniger mit unsicheren Gefühlen darauf antworten, sondern mit einer klaren Sprache. Diese Sprache fehlt den Linken, macht sie zum Freiwild einer autoritär ortientierten Staatslenkung. Die Linke sollte endlich auf das Angebot einer fortschrittlichen Diskussion antworten können. Tut sie aber nicht, spielen lieber Freiwild für die autoritäre Staatsordnung.

  • Ein erster Vorgeschmack darauf, wie die CSU nach der Landtagswahl erdoganmäßig den Polizeistaat durchregieren lässt, wenn sie wieder stärkste Partei wird und alleine, mit einem willenlosen Koalitionspartner (mit F im Namen) oder eben der AfD eine Mehrheit bekommt.

    • @Dorian Müller:

      Sie haben Recht, es sollten noch bittere Zeiten auf linke und rechte Extremisten in Bayern zukommen. Die Zeit von vermummten Randalierer, die straffrei bleiben nachdem sie Eigentum anderer zerstört haben, sollte definitiv vorbei sein. Und die ach so bösen Bayern … wo passieren die großen Randale denn, in München oder Nürnberg? Nein, in Hamburg, Hannover und Berlin. Schon gemerkt?

      • @Lara Crofti:

        Was hat denn das bitte, mit einer rechtlich fragwürdigen Hausdurchsuchung zu tun?

        • @Thomas Brunst:

          Fragwürdig? Für Sie vielleicht, für den zuständigen Richter und Staatsanwalt anscheinend nicht.

          • @Lara Crofti:

            Siehe dazu meinen 1. Kommentar; Zitat von OLG-Richter Detlef Burhoff, zu “mangelhaften, richterlichen Durchsuchungsbeschlüssen“.

  • Mal blöd gefragt sind Polizisten den nicht immer bewaffnet?

    Oder meinten sie mit vorgehaltener Waffe? Ich meine dass ist ein Unterschied. Es wäre schöner dass wäre konkreter Ausgeführt, so bleibt viel Spielraum für Spekulation.

  • Bayern ist ein Polizeistaat. Damit sollte das ja niemanden verwundern. Wer in Bayern lebt oder in Bayern eine Firma betreibt ist selber schuld. Wer in Nordkorea oder in der Tükei unterwegs ist wird sich ja auch nicht wundern.

    • @Richard Meier:

      Geht's eigentlich noch? Polizeistaat sie haben wohl den Knall nicht gehört.

    • @Richard Meier:

      Ich ziehe sehr gerne um – bezahlen Sie mir den Umzug und suchen eine bezahlbare Wohnung? Super! Wann geht's los?? Bonn oder Münster wären schön…

  • In Bayern gilt ja schon das verschärfte PAG. Da kommt noch einiges auf uns zu – in kürze fast deutschlandweit.



    -------- Bürgerechte ade.



    -------- Unschuldsvermutung ade.



    -------- Freiheit ade.

  • So offline wird selbst die bayerische Polizei nicht sein, um zu erkennen, dass ihre Begründung hanebüchen ist. Wo derart schon mit Zeug_innen umgegangen wird, möchte man nicht als Täter_in gelten. Blöd, dass die Definitionsmacht über Recht und Unrecht bei einer Willkürbehörde zu liegen scheint. Da ist es auch nur ein schwacher Trost, wenn Jahre später die Juristerei die Durchsuchungen als rechtswidrig einstuft und jedes andere Ergebnis scheint bei der gegenwärtigen Informationslage abwegig.

  • Der Richter am OLG, Detlef Burhoff (Ascheberg), verkündet zum Thema “Durchsuchungsbeschlüsse“, auf seiner Internetseite folgendes: (...)“Prüfung der Rechtmäßigkeit des Durchsuchungsbeschlusses...Trotz der Bedeutung, die der Durchsuchungsbeschluss für das Verfahren hat, sind Durchsuchungsbeschlüsse, die von den bei den Amtsgerichten dafür zuständigen Ermittlungsrichtern erlassen werden, häufig mangelhaft, weil die für einen wirksamen Durchsuchungsbeschluss erforderlichen Voraussetzungen nicht beachtet werden.“(...)

    www.burhoff.de/ver...fsatz/ps-98-14.htm

    Um es auf den Punkt zu bringen: Beim Ausstellen eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses für die Polizei wird oftmals “schlampig“ gearbeitet. Das vertrauen in die Polizei und der zeitliche Druck unter dem die Ermittlungsrichter häufig stehen ("muss alles ganz schnell gehen"), sind die hierfür verantwortlichen Hauptfaktoren.