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Enthüllung der Enthüllung

„Bamf-Skandal“ doch nicht so skandalös

Von Benno Schirrmeister

Vergangene Woche hat endlich das Bundesinnenministerium geantwortet: Schon am 23. Mai hatte Horst Seehofer (CSU) Ulrike B. mit größtmöglicher Öffentlichkeit dafür verurteilt, dass die bisherige Leiterin der Bremer Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) gesetzliche Regelungen und Dienstvorschriften missachtet hätte – und ihre Mitarbeiter*innen auch. Die unmittelbar danach von der taz gestellte Frage, welche, hat das Ministerium seit 24. Mai bearbeitet. Seit Montag liegt die Antwort vor: „Auf die Frage können wir keine Antwort geben.“ Weil ja noch Ermittlungen laufen.

Interessant: Sei 20. April wird da eine Frau durchs Land getrieben. Ein ganzer privatepublic Rechercheverbund aus Radio Bremen, NDR und Süddeutscher Zeitung ist Ulrike B. auf den Fersen. Und etliche Spiegel-Journalisten kümmern sich darum, den Fall anhand eines Dossiers zu erzählen, das von der Interims-Nachfolgerin Ulrike B.s, Josefa Schmid, erstellt wurde.

Die niederbayrische FDP-Landtagskandidatin und ehrenamtliche Dorfbürgermeisterin hatte darin referiert, was sie als den „bisher größten Flüchtlingsskandal in der Bundesrepublik Deutschland“ bezeichnet wissen will. Die Recherche-Teams taten ihr den Gefallen. „Die teilen meine These“, hatte Schmid das treffend genannt. Und der Minister stimmt ein ins Hallali und Horrido.

Seit Dienstag ist klar: Der Bericht der Innenrevision, der Schmids Darstellung und die in weiten Teilen gleichlautende Recherche der Enthüllercombo bestätigt hatte, beruht genau wie diese auf falschen rechtlichen Voraussetzungen. Das haben die Rechercheur*innen als neue Wahrheit enthüllt.

Dass sie damit auch ihre alte Wahrheit als Makulatur und ihre Fakten als alternativ zur Wirklichkeit enthüllt haben, ist sicher mitgemeint gewesen, shit happens, man muss ja nicht alles breittreten. Auch wenn ein paar Kommentatoren, wie der Regensburger Jura-Prof Henning Ernst Müller jetzt nörgeln: Das hätte bei einer mehr als bloß behaupteten Recherche so nicht passieren dürfen.

Wahr ist: Bremens Staatsanwaltschaft ermittelt anhand von 1.167 als problematisch eingestufter Akten wegen des Verdachts auf Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung gegen Ulrike B., drei Anwälte, einen Dolmetscher und eine Person, die als Vermittler fungiert haben soll. Die Wohnung Ulrike B.s wurde am Donnerstag erneut durchsucht, um Datenträger und Handys zu beschlagnahmen.

Wegen des Umfangs der Ermittlungen helfen 30 Bundespolizist*innen den Bremer Kommissar*innen bei der Durchdringung des Sachverhalts. Denn unaufgeklärte Unregelmäßigkeiten am Bremer Bamf hat es gegeben. Mehr lässt sich derzeit kaum sagen.

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