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US-Politik gegen EinwandererBehörden trennen Eltern von Kindern

Die US-Grenzpolizei greift bei ihrem Kampf gegen unerlaubte Einwanderung zu drastischen Maßnahmen – selbst bei Babys.

Betreten kann zu Familientrennung führen: an der US-Grenze zu Mexiko in Arizona Foto: dpa

NEW YORK taz | Verzweifelte Hilferufe aus dem Nachbarraum waren das Letzte, was die junge Mutter im kalifornischen San Diego von ihrer siebenjährigen Tochter hörte. Erst Tage später erfuhr sie, dass US-Grenzpolizisten ihre Tochter in ein Heim im 3.300 Kilometer entfernten Chicago gebracht hatten. Erst nach Wochen durften Mutter und Tochter telefonieren. Das „Vergehen“ der jungen Frau: Sie war mit ihrem Kind aus der Demokratischen Republik Kongo geflohen und hatte Asyl in den USA beantragt.

Seit US-Justizminister Jeff Session Anfang Mai angekündigt hat, dass Kinder und Eltern, die unerlaubt die Grenze überschreiten, getrennt werden, breitet sich eine Praxis aus, die GrenzpolizistInnen in den USA vielerorts schon seit Monaten angewandt hatten. Insbesondere entlang der Südgrenze trennen sie immer systematischer Eltern und Kinder. Dabei kommt es täglich zu dramatischen Szenen. Allein zwischen dem 6. und 19. Mai sind laut New York Times 658 Kinder von ihren Eltern getrennt worden.

In Arizona hat Laura St. John von der Organisation „Florence Project“ seit Januar 200 Fälle erfasst. Das jüngste Opfer in Arizona war 53 Wochen alt. In Texas nahmen Polizisten einer Mutter aus Mexiko, die vor sexueller Gewalt geflohen war, ihr sechs Monate altes Baby weg, das sie noch stillte.

Meist wurden Kinder ohne Wissen ihrer Eltern in ferne Heime gebracht. Während die Eltern in Internierungslagern auf Entscheidungen über Aufenthalt oder Abschiebung warten, verlieren sie jeden Kontakt zu ihren Kindern. Auch Geschwister werden auf verschiedene Heime verteilt.

Monate können vergehen

Da die Haftzeiten papierloser EinwanderInnen unter Donald Trump immer länger werden, können Monate vergehen, bis die Familien – wenn überhaupt – wieder zusammenkommen. Zwar können Kinder nach Ablauf eines Monats in die Obhut von „Sponsoren“ kommen, in der Regel Familienangehörige. Doch das wird schwer, wenn „Sponsoren“ selbst ohne Dokumente in den USA leben und Abschiebung fürchten müssen, wenn sie sich melden.

„Die Behandlung der Familien ist grundlos und unmenschlich“, sagt St. John, die seit zehn Jahren ImmigrantInnen juristisch betreut. Ihr Kollege Lee Gelernt von der Bürgerrechtsorganisation ACLU sagt: „Wir schaffen neue Traumata für Kinder, die traumatisiert sind, wenn sie bei uns ankommen und für die ihre Mütter oft die einzige Sicherheit waren, die sie je hatten.“

Kinder kommen ohne Wissen ihrer Eltern ins ferne Heim

Aus Sicht der US-Regierung handelt es sich bei den Familientrennungen um die Anwendung des Null-Toleranz-Prinzips. „Wer nicht von seinen Kindern getrennt werden will, sollte nicht illegal mit ihnen über unsere Grenze kommen“, sagt Minister Sessions.

Es ist der zweite Skandal binnen weniger Wochen in der US-Einwanderungspolitik. Ende April hatte der Chef des Kinder- und Familienprogramms im Gesundheitsministerium, Steven Wagner, im US-Kongress erklärt, dass seine Behörde die Spur zu 1.475 Kindern verloren hat. Diese Kinder gehören zu 7.000 unbegleiteten Minderjährigen, die ohne Papiere ins Land gekommen waren und in „Sponsoren“-Familien auf Entscheide über ihr Bleiberecht warten sollten. Auf Wagners Enthüllung folgte ein Aufschrei der Empörung. Warnungen vor Kindesmissbrauch oder Kinderhandel kursierten. Wagner entgegnete, dass die Minderjährigen möglicherweise untergetaucht seien, um Abschiebungen zu entgehen.

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21 Kommentare

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  • Es ist eigentlich egal wer Präsident ist , waffenlobby und elitäre Bünde ziehen die Fäden in Hintergrund . Unter Clinton Hillary wäre es genauso gewesen. Auch sie steht im Verdacht von Korruption Menschenhänden ubd Kinderhandel. Ich glaube nicht dass es unter Frau Clinton besser wäre , die Menschen müssen endlich gegen diverse Bünde und Clubs aufstehen und diese entmachten.

    • @Haris M:

      Sie bringen es auf den Punkt. In Deutschland schwer nachzuvollziehen, aber genau deswegen wurde Trump gewählt: Stichwort "Drain the swamp". Im Wahlkampf betonte er immer wieder, daß er genug Geld hat und deswegen unabhängig von Spenden, Lobbyisten und sonstigen Interessengruppen agieren kann und nur die Interessen des amerikanischen Volkes für ihn maßgeblich sind.

       

      Den Nachweiß, das er es tatsächlich tut hat er zwar noch nicht erbracht, aber das im Artikel beschriebene Vorgehen nannte er "horrible law".

  • Was sagen eigentlich die Vereinten Nationen zu dieser unmenschlichen Praxis?!

     

    Man darf und sollte illegale Migration bekämpfen. Aber nicht so!

  • 8G
    84935 (Profil gelöscht)

    Wenn die Menschenrechts-Situation schlimmer wird, als in den Herkunftsländern, kann man Flucht aus diesem Grund tatsächlich verhindern. Ist das der Weg, den Trump beschreiten will?

    Amerika das Land der Menschenrechte! Da war man doch mal stolz drauf...

    • @84935 (Profil gelöscht):

      "Amerika das Land der Menschenrechte!"

       

      Klingt in der Propaganda gut. War aber selten so.

      • 8G
        84935 (Profil gelöscht)
        @warum_denkt_keiner_nach?:

        Da haben Sie leider recht. Universelle Gültigkeit besaß die Bill of Rights wahrscheinlich nie. Sklaven, Indianer, Schwarze, Frauen, CIA-Folter...

  • Ein Merkmal von totalitären Systemen.

    • @peterdermueller:

      So ist es!

  • Ach, die deutsche Regierung macht das ja nicht viel besser:

    "Wie interpretationsoffen die Ergebnisse der Koalitionsgespräche zum Familiennachzug sind, zeigen einmal mehr die Reaktionen von Alexander Dobrindt (CSU) und Ralf Stegner (SPD). Gemeinsam hatten sie sich darauf geeinigt, den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte bis zum 31. Juli weiter auszusetzen." https://www.taz.de/!5479194/

    • @Uranus:

      Kommen Sie, da liegen Welten zwischen.

      • 8G
        84935 (Profil gelöscht)
        @rero:

        Aber wir befinden uns dank populistischer Politiker in vielen Parteien (in manchen mehr, in manchen weniger) auf der gleichen Straße. Also der Straße, die wegführt von Freiheit und unseren ach so viel beschworenen Werten...

  • „Wer nicht von seinen Kindern getrennt werden will, sollte nicht illegal mit ihnen über unsere Grenze kommen“, sagt Minister Sessions.

     

    Mit diesem Argument könnte man genauso begründen Geflüchtete einfach zu erschießen. Selbst wenn man argumentiert, dass die Mütter selbst Schuld seien, was absurd ist, werden hier Kinder mit der schlimmsten Strafe bestraft die man sich vorstellen kann, obwohl sie per se immer unschuldig sind.

     

    Das ist keine Politik. Das ist einfach nur Böse.

    • @Hans Schnier:

      "...obwohl sie per se immer unschuldig sind."

       

      Nicht in den USA. Dort werden Kinder vor Gericht gestellt. Und manchmal sogar nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Auch Kleinkinder und Babys?

        • @Hans Schnier:

          Man arbeitet daran. Es wurden schon Grundschüler im Handschellen vom Sheriff abgeholt...

  • Durch den Artikel könnte der Eindruck entstehen, diese unglaublich brutalen Methoden wären eine Erfindung der Regierung Trump.

     

    Wie hier:

    http://www.spiegel.de/politik/ausland/donald-trump-einwanderungspolitik-reisst-familien-auseinander-a-1210036.html

     

    dargelegt wird, haben auch schon seine Vorgänger so gehandelt. Trump lässt diese Verbrechen nur noch konsequenter begehen.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Ähm, dass sowas schon vor Trump gab, geht überhaupt nicht, aber ein wichtiger Unterschied ist, das die Trump Administration dies zur offizellen Richtlinie erklärt hat und damit das Verhalten abgesegnet und alls korrekt erklärt hat.

      • @Arianus:

        War immer so. Bill Clinton ließ die Grenze zu Mexico auf den heutigen Stand ausbauen. Mit Grenzelementen , die sich den Sanddünen anpassen. Verstärkte Patroullien, usw. Stets wurde er als großer Held des Landes der unbegrenzten Möglichkeiten gefeiert. Obama... Die Demokraten machen Vieles halt eher hintenrum ohne groß Aufsehen zu erregen. Dann braucht sich im Westen niemand drüber aufregen. Wann kritisierte je irgendjemand groß die Vorgänge an der amerikanisch-mexikanischen Grenze? Als Trump mit seiner Mauer prahlte, klärte auch niemand (TV/Medien) über die Historie der Grenze auf. Man kann natürlich so tun, als gäbe es diese erst seit Trump.

      • @Arianus:

        Die Vorgänger waren offensichtlich einverstanden, denn sie haben nichts dagegen unternommen. Um Kinder mehrere Bundesstaaten weiter weg zu entführen braucht es Bundesbehörden. Und die brauchen den Segen des Präsidenten.