piwik no script img

Vor den Kommunalwahlen in ThüringenDer überparteiliche Wahlkampf

Am Sonntag finden in Thüringen Kommunalwahlen statt. Sie werden auch eine Abstimmung über die rot-rot-grüne Koalition auf Landesebene sein.

Weichenstellung für die kommende Landtagswahl: Kommunalwahllokal in Thüringen

ERFURT/WEIMAR taz | Mit seinen 33 Jahren erinnert Onno Eckert an junge Politaufsteiger wie Sebastian Kurz oder Emmanuel Macron. Na ja, ein bisschen machtgeiler und weniger verbindlich müsste er sich darstellen. Vorerst sitzt er noch als persönlicher Referent des Präsidenten im Thüringer Landesverwaltungsamt Weimar. Doch nach den Thüringer Kommunalwahlen am 15. April oder nach der Stichwahl zwei Wochen später könnte er der Kurz des Landkreises Gotha werden. Eines Landkreises, den es nach den ursprünglichen Plänen der linksgeführten rot-rot-grünen Koalition schon gar nicht mehr geben sollte, weil er mit dem benachbarten Ilmkreis hätte fusionieren sollen.

Onno Eckert ist zwar SPD-Mitglied, aber darauf findet sich in der Kurzvita seiner Homepage nicht einmal ein Hinweis. Überparteilichkeit ist angesagt in diesem Kommunalwahlkampf. Zumal er zu den wenigen der rund 100 Kandidaten für die Posten der Bürgermeister, Oberbürgermeister und Landräte zählt, die sich einer Unterstützung aus dem Bündnis von Linken, SPD und Grünen auf Landesebene erfreuen können. Im Februar beschloss der Linken-Kreisverband Gotha, zugunsten Eckerts auf einen eigenen Landratskandidaten zu verzichten, nicht aber auf einen eigenen Oberbürgermeisterkandidaten.

So unterschiedlich ist die Gemengelage in Thüringen vor einer Wahl, bei der die oppositionelle Union die Chance wittert, RRG nach dem gescheiterten Zentralprojekt der Gebietsreform einen Denkzettel zu verpassen und zugleich die Weichen Richtung Landtagswahl im Herbst des kommenden Jahres zu stellen. Deshalb lauert die CDU nur auf tatsächliche oder vermeintliche Spannungen in der Koalition, die einen Verstoß gegen einen angenommenen Lagerwahlkampf signalisieren. Der Linken-Landtagsabgeordnete Frank Kuschel leistete dem auch noch Vorschub, wenn er die Kandidatur des SPD-Landesgeschäftsführers Michael Klostermann gegen die einzige Linken-Oberbürgermeisterin Katja Wolf in Eisenach kritisiert.

Dabei liegt die Besonderheit der Thüringer Kommunalwahl eher darin, dass sich schon vor dem ersten Wahlgang etwa in einem Drittel der 17 Landkreise parteiübergreifende Bündnisse gebildet haben. Eben dann, wenn es sich um bewährte Platzhirsche oder Hoffnungsträger wie Onno Eckert handelt. Die Konstellation im Kreis Gotha war günstig. Der Amtsinhaber hört auf, Nachfolgekandidaten erschienen wenig aussichtsreich. Eckert redete mit möglichen Unterstützern, bei der Linken mit Erfolg. Er ist zwar streng genommen kein Thüringer Originalgewächs, wuchs das erste Lebensdrittel in Duisburg auf, bevor sein Vater eine Professur in Erfurt antrat. Mit 25 sammelte er erste kommunalpolitische Erfahrungen als ehrenamtlicher Bürgermeister des Dorfes Crawinkel, dem Lebensmittelpunkt der Familie.

„Wir brauchen Meinungsverschiedenheiten“

Crawinkel, die Beinahe-Stadt mit 1.500 Einwohnern, klingt nach „Krähwinkel“. Onno Eckert hat hier Bodenhaftung geübt, als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr und als Fußballschiedsrichter. So hielt er es auch während seines Jurastudiums in Halle. „Jurist werden und Mensch bleiben!“, verkündet er. Deshalb empfindet er auch die Arbeit im Landesverwaltungsamt keineswegs als zu trocken.

Von einer Richtungswahl für 2019 mag Eckert gar nicht sprechen. Auch der Begriff vom Lagerwahlkampf passt ihm nicht. „Das klingt nach zentralen Vorgaben“, meint er. Sein SPD-Landesgeschäftsführer, eben der wegen seiner Eisenacher OB-Kandidatur kritisierte Michael Klostermann, hielte einen vom bundesweit einmaligen Rot-Rot-Grün-Bündnis auf Landesebene suggerierten Lagerwahlkampf für Unfug. Linke, SPD und Grüne müssten in ihrem Selbstverständnis sichtbar bleiben und ihre jeweilige Klientel ansprechen. „Wir werden die Linke nicht links überholen wollen“, sagt Klostermann. Es sei abwegig, von Konkurrenzkandidaturen auf das Koalitionsklima in Erfurt schließen zu wollen.

Die Thüringer CDU lauert auf Spannungen im rot-rot-grünen Bündnis

Das hält Linken-Wahlkampfchef Steffen Dittes für ungleich entspannter als das zwischen CDU und SPD in der Agonie der vorigen Thüringer GroKo vor fünf Jahren. „Wir brauchen Meinungsverschiedenheiten“, sagt der Parteilinke sogar. Aus diesem Grund solle man nicht leichtfertig auf eigene Kandidaten verzichten und möglichst breite Wählerschichten ansprechen. Dittes teilt aber nicht ganz die von SPD-Geschäftsführer Klostermann aufgestellte Regel, man solle sich zusammenschließen, wo die CDU stark ist wie auf dem „flachen Land“, und könne sich in den Städten getrost Konkurrenz leisten. Linke, SPD und Grüne wissen, dass sie ihre stärksten Wählergruppen in den größeren Städten haben.

Größte Unbekannte vor der Wahl am 15. April ist die AfD, der es noch mehr als anderen Parteien an Kandidaten mangelt. Ihr Steinzeitimage hat sie gepflegt, als sie durch das Landesverfassungsgericht vergeblich die Teilnahme von Jungwählern ab 16 untersagen lassen wollte. Über die reichliche Handvoll Linksbündnisse schon im ersten Wahlgang hinaus wird es am 29. April dann aber auf klare Unterstützungen bei der Stichwahl ankommen. Die haben vor fünf Jahren ganz gut geklappt, die SPD stellt trotz ihrer Schwäche im Landtag fast so viele kommunale Amtsträger wie die Union. Ob Bündnisse allerdings gegen den schier übermächtigen Beistand helfen, den sich die CDU kürzlich holte, steht dahin. Die Landesspitze unternahm in der Karwoche eine „Pilgerreise“ nach Budapest zum heiligen Orbán und ließ sich erklären, wie man Wahlen gewinnt.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • 3G
    38071 (Profil gelöscht)

    Die Biographie von Eckert klingt sowohl gebiets- als auch parteimäßig wie die jeder anderen beliebig austauschbaren Figur im Poltbuisness. Da ist gar nichts Besonderes. Ein typischer Vereinsmeier der im wohlbehüteten bürgerlichen Elternhaus aufwuchs und nach seinem Jurastudium sofort in einen weichen politischen Sessel fiel. Natürlich ist der eines Landrats noch viel weicher uva. besser dotiert. Dabei sind es genau solche Posten die nicht von Parteileuten besetzt werden sollten. Dass der Mann auf seiner Webseite sogar seine politische Herkunft verleugnet ist imo ein Wählerbetrug der nicht belohnt werden sollte. Da in Thühringen aber sowieso nur noch die Hälfte tzu solchen Wahlen geht, ist es ziemlich egal, welcher dieser Zombies zukünftig auf dem Landratsstuhl sitzt.

    • @38071 (Profil gelöscht):

      Wie sieht denn Ihrer Meinung der Ideale Lebenslauf eines zukünftigen Landrats aus?