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Umstrittenes Pflanzengift und die GrokoStreit über Glyphosat-Zeitplan

Was steht im Sondierungspapier zu Glyphosat? Die SPD-Umweltministerin sagt, es müsse einen Ausstieg bis 2021 geben. Die CSU widerspricht.

Im Ton wieder freundlicher, in der Sache weiter auseinander: Hendricks und Schmidt am Dienstag in Berlin Foto: Bundesumweltministerium

Berlin taz | Viele Erfolge hatte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) zuletzt nicht zu feiern – umso größer ist die Freude, wenn ihr, wie beim Sondierungsergebnis zum umstrittenen Pflanzengift Glyphosat, mal einer zugeschrieben wird. „Ich habe irgendwo gelesen, die Passage zu Glyphosat sei ein Sieg für Hendricks. Da will ich auch nicht widersprechen“, sagte die Ministerin am Dienstag am Rande einer Agrarkonferenz ihres Ministeriums in Berlin.

Im Sondierungspapier hatten sich Union und SPD geeinigt, die Glyphosat-Anwendung „so schnell wie möglich grundsätzlich zu beenden“. Ein Datum wird nicht genannt. Doch am Dienstag lieferte Hendricks ihre Interpretation des Beschlusses. Die private Anwendung und die Nutzung bei erntereifen Pflanzen könne noch in diesem Jahr beendet werden; in anderen Bereichen, etwa im Weinbau, könne es länger dauern. „Grundsätzlich muss der systematische und schrittweise Ausstieg in dieser Legislaturperiode beendet sein“, sagte die Umweltministerin.

Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) sieht nicht nur die Frage des Sieges anders. Man habe sich „ohne Sieger und Besiegte geeinigt“, antwortete er auf Hendricks’ Aussage. Auch inhaltlich ging er auf Distanz zur Umweltministerin. Auf die Frage der taz, ob er das Ziel teile, die Glyphosat-Nutzung noch in dieser Legislaturperiode zu beenden, sagte er am Rande der Konferenz: „Wir haben kein zeitliches Datum gesetzt.“ Während ein Glyphosat-Verbot für Privatanwender schnell kommen könne, könne dies in der Landwirtschaft nur „im Rahmen einer Ackerbaustrategie“ geschehen, sagte Schmidt: „Man kann nicht Glyphosat verbieten, wenn keine Alternativen da sind.“

Harald Ebner, Agrarexperte der Grünen, sieht sich durch die Uneinigkeit in seiner Kritik am Sondierungsergebnis bestätigt. „Das war vorhersehbar und zeigt, dass der Glyphosat-Ausstieg in einem Koalitionsvertrag ganz klar und mit einem verbindlichen Ausstiegsdatum geregelt werden muss“, erklärte er. „Sonst bleibt es bei vagen Ankündigungen bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag.“

Bemüht um Entspannung

Ende November hatte es heftigen Streit zwischen Hendricks und Schmidt gegeben, nachdem der Landwirtschaftsminister ohne Einverständnis der Umweltministerin – und damit gegen die Geschäftsordnung der Bundesregierung – in Brüssel grünes Licht gegeben hatte, die Zulassung für Glyphosat um fünf Jahre zu verlängern. Am Dienstag waren beide um Entspannung bemüht. Hendricks verurteilte erneut, dass Schmidt und seine Familie nach der Entscheidung bedroht worden waren, Schmidt bescheinigte ihr im Gegenzug „menschliche Größe“.

Auch unabhängig von der Glyphosat-Entscheidung äußerte sich Ministerin Hendricks zufrieden mit dem Sondierungsergebnis. „Ich betrachte es als gute Grundlage für Koalitionsverhandlungen“, sagte sie. Erfreulich sei, dass ein bundesweites Gentechnikverbot festgeschrieben worden sei. Die Kritik von Umweltverbänden, dass die Formulierung, „ein Verbot werden wir bundesweit einheitlich regeln“, nicht eindeutig sei, wies sie zurück.

Auch dass das deutsche Klimaziel für 2020 nicht mehr komplett, sondern nur „so weit wie möglich“ erreicht werden soll, verteidigte die Umweltministerin – mit Verweis auf die Pläne von Union, FDP und Grünen: „Auch die Jamaika-Koalition hätte das Klimaziel nicht erreicht“, sagte Hendricks.

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14 Kommentare

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  • Eine pfluglose Bewirtschaftung von Acker schont den Humus und verhindert Bodenerrosion dafür wird wird aber Glyphosat benötigt. Da sollte man schon abwägen ob Glyphosat sinnvoll ist oder nicht. Es gibt schlimmeres in der Umwelt Streusalz z. b. oder Kupferpräperate im Bio-Anbau

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @Bernhard Hellweg:

      ...schon wieder die Mär von Kupferpräperaten im Bio-Anbau.

      Ausserdem, Humus = "Bestandteil des Bodens von dunkelbrauner Färbung, der durch mikrobiologische und biochemische Zersetzung abgestorbener tierischer und pflanzlicher Substanz in einem ständigen Prozess entsteht" werden Sie in der industialisierten Landwirtschaft, in Deutschland über 90 %, kaum finden.

      • @81331 (Profil gelöscht):

        Wird im Bio - Anbau kein Kupfer eingesetzt? Und übrigens, je mehr der Boden bewegt, sprich gepflückt wird, desto mehr Humus wird abgebaut. Deshalb ist unter Grünanlagen, das ja nicht bearbeitet wird, der Humus Anteil am Größten.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...Märchenerzähler.

    Wieso sollte Glyphosat im Weinbau "heute noch unverzichtbar" sein?

    Selbst in Deutschland gibt es genügend ökologisch wirtschaftende Winzen, von denen keiner auf Glyphosat angewiesen ist.

    • @81331 (Profil gelöscht):

      Und der ökologische Wein ist von hervorragender Qualität.

  • Ein Verbot wäre für die Agrar-Industrie sehr problematisch, weil dann aufeinmal die gute fachliche Praxis nötig wäre, eine Fruchtfolge mit Hackfrüchten. Ich denke Ein verbot kombiniert mit Mitteln um Regionale kreislaufwirtschaft zu fördern wäre erfolgsversprechend. Das würde auch einen guten Beitrag zu den Klimazielen leisten.

  • Nach dem Affront von Schmidt, hätte die CSU Abbitte leisten müssen. Tut sie aber nicht. Das doppelte Spiel geht weiter. Doppelt deshalb, weil auch die SPD genau weiß, dass es kein Verbot geben wird. Sie will nur nicht als Umfallerin dastehen. So drückt die CSU ihre Vergiftungspolitik durch und die SPD tut nur so, als ob sie etwas dagegen unternehmen würde. Die SPD hätte es in der Hand hier rote Linien zu setzen. Tut sie aber nicht. Die SPD hätte es auch in der Hand, künftig nicht mehr von der CSU vorgeführt zu werden. So aber ist das eine Einladung dazu. Das ist aber nicht unbedingt schlechte Taktik, sondern vermutlich gibt es entsprechende Parteispenden, die die SPD ihren Widerstand nur noch zur Show ausdrücken lässt.

  • 7G
    73176 (Profil gelöscht)

    Grundsätzlich bin ich auch dafür, dass der Einsatz von Totalherbiziden soweit wie möglich reduziert wird. In der pfluglosen Landwirtschaft wird das aber kaum möglich sein.

     

    Um aber auch mal die Gegenseite zu Wort kommen zu lassen, hier ein Interview mit dem Chef des BfR Hensel:

    https://www.topagrar.com/news/Home-top-News-BfR-Chef-Hensel-wehrt-sich-gegen-Vorwuerfe-ein-Diskussionsverweigerer-zu-sein-8768634.html?page=all

    • @73176 (Profil gelöscht):

      Lieber Kollege, die pfluglose Landwirtschaft in der Praxis vor Ort ,die sich auf Glyphosat aufbaut hat, hat doch wohl keine ausreichenden positiven Auswirkungen um solch ein Pestizid zu rechtfertigen.

      Wir haben hier genug Anschauungsflächen von Kollegen.

      Die Entwicklung von Techniken der pfluglosen bzw flach wendenden Bodenbearbeitung wurde durch Glyphosat erheblich behindert und steht doch erst am Anfang.

      Landwirte sind kreativ genug,sie benötigen nur andere Leitziele und Förderung.

      Landwirte sind käuflich ,im Guten ,wie im Schlechten

      • @Jandebuur:

        Lieber Kollege ,ich habe seit langem Erfahrungen mit der pfluglosen Landwirtschaft und beobachte die Versuche bei anderen intensiv.

         

        Sie ,der Sie anderen gerne Emotionen und Ideologie vorhalten im Dialog können sich gerne auf eine fachliche Ebene mit mir begeben.

         

        Nu man tau !

  • was christian schmidt zum luegner macht.

  • Hendricks: "Die private Anwendung und die Nutzung bei erntereifen Pflanzen könne noch in diesem Jahr beendet werden; in anderen Bereichen, etwa im Weinbau, könne es länger dauern." Mit anderen Worten: Auch Hendricks zufolge ist der Glyphosat in einigen Bereichen, darunter der Weinbau, heute noch unverzichtbar. Wieso hat denn dann Hendricks das sofortige EU-weite Glyphosatverbot befürwortet?

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @yohak yohak:

      ...Märchenerzähler.

      Wieso sollte Glyphosat im Weinbau "heute noch unverzichtbar" sein?

      Es gibt genügen ökologisch wirtschaftende Winzer, auch in Deutschland, von denen keiner auf Glyphosat angewiesen ist.

  • 6G
    64984 (Profil gelöscht)

    Amateurhaft verhandelt.

     

    Die Aussage von Schmidt zeigt, dass er es erst ersetzen will, wenn eine andere Chemikalie es ersetzen kann. Das mag in 3 Jahren der Fall oder in 10 oder in 20 und das ist dann vielleicht noch schlimmer.

     

    Und "ein Verbot werden wir bundeseinheitlich regeln" kann alles und nichts bedeuten, z.B. "Nur die Erbsensorte xyz wird verboten" (das aber bundesweit).

     

    Es zeigt sich immer mehr, dass die SPD sich über den Tisch hat ziehen lassen.

     

    Auch dass Scheuer angeblich Sätze hineingeschmuggelt hat, zeigt, dass die SPD hoffnungslos amateurhaft agiert hat. Wenn man 30 Stunden nicht geschlafen hat, dann vereinbart man, dass alle ausschlafen, sich dann das Papier in Ruhe anschauen und es dann unterzeichnen, vor allem wenn man mit 2:4 in der Unterzahl ist.

    Weder Schulz noch Nahles haben das Format, solche Verhandlungen zu führen.