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Scharfe Kritik aus Saudi-ArabienGabriel als Handlanger Irans?

In Saudi-Arabien stoßen Äußerungen des deutschen Außenministers auf Kritik. Gabriel müsse sich entschuldigen, heißt es.

Sigmar Gabriel: Hat die Saudis dazu gebracht, ihre Botschafter zurückzubeordern

Kairo taz | In Saudi-Arabien wird eine am Wochenende ausgebrochene diplomatische Krise mit Deutschland ungewöhnlich scharf kommentiert. Auslöser waren Äußerungen von Außenminister Sigmar Gabriel, die zur Abberufung des saudischen Botschafters in Berlin zu Konsultationen nach Riad geführt hatte.

Gabriel hatte vor dem Hintergrund der Libanon-Krise im Zusammenhang mit dem ­zurückgetretenen Ministerpräsidenten Saad Hariri gefordert, dass aus Europa ein gemeinsames Signal kommen müsse, dass man „das Abenteuertum, das sich dort in den letzten Monaten breit gemacht hat, nicht mehr bereit sind, einfach sprachlos hinzunehmen“.

Nach der humanitären Krise durch den Krieg im Jemen und dem Konflikt mit dem Golfemirat Katar sei mit der Art und Weise, „wie mit dem Libanon umgegangen wird“, nun die Spitze erreicht.

In einer ersten Reaktion aus Saudi-Arabien bezeichnet der Vorsitzende des Komitees für Außenpolitik des saudischen Ältestenrates, Zuhair al-Harithi, gegenüber dem Arabischen Dienst der Deutschen Welle Gabriels Erklärung als „merkwürdig“ und „unpassend“. Er forderte Deutschland auf, sich zu entschuldigen.

Al-Harithi warnte vor weiteren Erklärungen des Ministers, die Souveränität, Würde und politische Führung Saudi-Arabiens angriffen. Saudi-Arabien habe kein Interesse, die Situation zu eskalieren erklärt er, deutet aber zugleich die Möglichkeit ökonomischer Sanktionen an.

„Eine launische Politik“

Die saudischen Medien scheuen zwar davor zurück, die Bundesregierung anzugreifen. Stattdessen versuchen sie, die Person Gabriels zu diskreditieren. Seine Äußerungen beruhten auf einem vollkommen falschen Verständnis der Situation. Den Botschafter zu Konsultationen zurückzurufen, sei eine richtige Antwort gewesen. Dadurch würde betont, dass die Lügen Gabriels nicht die Positionen der deutschen Regierung repräsentierten, die ein starker Partner Saudi-Arabiens im Kampf gegen den Terrorismus sei, kommentiert die saudische Tageszeitung Al-Riyadh.

In einem Leitartikel wirft das Blatt Gabriel vor, eine launische Politik zu vertreten, „nicht so solide, wie wir sie von anderen deutschen Politikern gewohnt sind“. Die Beziehungen zu Deutschland seien normalerweise auf Respekt und gemeinsamen Interesse aufgebaut. Die Zeitung wirft Gabriel auch vor, das Atomabkommen mit dem Iran zu verteidigen.

Die Beziehungen zwischen Deutschland und dem Iran werden auch von anderen saudischen Zeitungen als Motiv für die Worte Gabriels angeführt. Die Tageszeitung Alhbar al-Khaleej vermutet, dass die Erklärungen Gabriels der wachsende Zusammenarbeit zwischen Deutschland und dem Iran geschuldet seien. Er habe das iranische Regime als „glaubhaften Partner“ bezeichnet.

Der Kommentator Hamdan al-Shahry forderte Gabriel in der saudischen Fernsehstation Al-Akhbariya auf, sich bei Saudi-Arabien und dem Libanon für seine Äußerungen zu entschuldigen. Diese führten zu politischen Chaos im Interesse der Politik des Iran und der schiitischen Milizen in der Region.

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8 Kommentare

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  • Ich bin da anderer Meinung: der Gabriel am Ende seines Amtes sagt seine Meinung. Ja, Saudi-Arabien ist Schuld an den Zuständen im Jemen. Wenn er jetzt noch sagen würde, keine Waffen mehr in den Nahen Osten, dann hätte er etwas erreicht.

  • "Gabriel im Nahem Osten ist der Elefant im Porzellanladen."

     

    Sicher. Wo er aber recht hat, hat er recht. Die Saudis sind Verbrecher, die aus religiöser Überzeugung den Nahen Osten ins Chaos stürzen wollen.

     

    Iran ist regionale Schutzmacht, die halbwegs kalkulierbar und akzeptabel handelt. Man stelle sich vor, Iran hätte nicht auf Seiten Assads in Syrien eingegriffen. Dann wären jetzt schlechte Zeiten für alle Nicht-Salafisten dort.

  • Ich hätte nie gedacht, ein Mal mit den Saudis einer Meinung zu sein! Jetzt ist Deutschland wieder einmal durch Gabriel in Zugzwang geraten. Was soll man jetzt tun? Atomabkommen verdammen? Das wäre moralisch und politisch längst überfällig, aber das Geld regiert noch immer die Welt.

     

    Gabriel im Nahem Osten ist der Elefant im Porzellanladen. Die Bemerkung von Henriette Bimmelbahn zeigt den Elefanten beim Einbruch in den Laden.

    • @Links van der Linke:

      Der Iran liegt nicht im Nahen Osten, sondern in Mittelasien, also bestenfalls Mittlerer Osten.

       

      Nur durch das Atomabkommen war es möglich, mit dem Iran wieder zu einem Dialog zu kommen und letztendlich den Reformprozess im Sinne aller Menschen im Iran zu begleiten und voran zu bringen. Nur über Handel und Dialog lässt sich der Einfluss aufrechterhalten, der für internationale Entspannung und sozialen Fortschritt notwendig ist.

       

      Vom gesellschaftspolitischen und wirtschaltlichen Entwicklungspotenzial wie im Iran ist Saudi Arabien weit entfernt und auch die angeblichen Reformansätze durch Salman Saud sind kaum mehr als Augenwischerei. Die absolutistisch und diktatorisch regierenden Saudis mit ihrer wirtschaftlichen Petro-Monostruktur sind quasi ausschließlich durch Rüstungsgeschäfte und Investitionen auf den internationalen Finanzmärkten für die westliche Wertegemeinschaft interessant. Dass Krieg und Terror finanziert werden und im Land keine Menschenrechte existieren, wird offensichtlich ohne große Bauchschmerzen hingenommen.

       

      Gabriel mag aus tausend anderen Gründen unmöglich sein, in dieser Sache hatte er ausnahmsweise mal Recht.

  • Der Noch-Aussenminister reiste auch als erster westlicher Vertreter, direkt nach dem Zustandekommen des Iran-Abkommens dorthin. Kurz darauf fuhr er am 2.10.16. mit einer großen Wirtschaftsdelegation wieder hin um "für die Wirtschaft Türen zu öffnen".

    • @Henriette Bimmelbahn:

      Und, welches Problem gibt es mit dem Iran? Ist ein schönes Land mit netten Menschen. Bevölkerungswachstum gestoppt, 50% der Studenten sind Frauen. Es wird versucht, die Landwirtschaft zu modernisieren (es gibt erhebliche Probleme wegen Wassermangels).

      • @Energiefuchs:

        Wie paradiesisch, auf in den Iran ;)!

        Leider erwähnen Sie einige aktuelle Entwicklungen nicht.

        Z.B. wie sich der Iran gemeinsam mit seinem Bundesgenossen Russland um Syrien "kümmert". Das etwas angestaubte Sykes-Picot Abkommen ist vermutlich längst durch ein - ebenso geheimes - Sarif-Lawrov Abkommen ersetzt, die Claims sind abgesteckt, die blutige Kriegsbeute schon verteilt. Als Indiz werte ich den gestrigen Rücktritt des syrischen Oppositionsführers, formal begründet durch die "Rolle", die die Marionette Assad angeblich noch spielen wird.

        Andere Konflikte, bei denen der Iran mit grünen Männchen, iranischen Generälen, Raketenlieferungen, Logistik....vertreten ist, streife ich nur kurz.

        Vielleicht gibt es doch ein klitzekleines Problem?

  • Vor Sigmar Gabrielszeit hat Deutschland eine sehr gute Außenpolitik gehabt. Deutschland hatte fast nie Probleme mit nirgendwelchen Ländern. Jetzt sorgt Herr Gabriel für Spanungen mit vielen Ländern wie Türkei und Saudi-Arabien...

    Er soll sich erkundigen über die Importe der Saudis von LKW und PKWs von Daymler Chrisler ....