piwik no script img

Anklage gegen bewaffnete RechteKameraden vor Gericht

Die Staatsanwaltschaft Göttingen erhebt Anklage gegen Mitglieder des mittlerweile umbenannten rechtsextremen Netzwerks „Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen“

Rechte sprechen am Göttinger Bahnhof nicht vor Freunden. Foto: Hubert Jelinek/dpa

Hamburg taz | Im Februar gab sich der „Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen“ siegessicher. Damals hatte die Polizei bei Anhängern der rechtsextremen Gruppierung bei einer Razzia allerlei Waffen sichergestellt. Auf seiner Facebook-Seite bezweifelte der Freundeskreis aber, dass es zu einer Anklage kommen wird, denn man müsse sehen, ob es die Bundesrepublik dann überhaupt noch geben wird. – Die Bundesrepublik gibt es noch, die Anklage wurde jetzt erhoben. Das bestätigt Andreas Buick, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Göttingen.

Drei Männern aus der Gruppe hält die Staatsanwaltschaft die Bildung einer bewaffneten Gruppe vor. Dass der „Freundeskreis“ sich seit kurzen „Volksbewegung Niedersachsen“ nennt, ist für die Vorhaltung irrelevant.

Vom September bis Dezember 2016 sollen sich die Männer zu einer hierarchischen Gruppen zusammengeschlossen haben, um ihre politischen Ziele auch mit Gewalt durchzusetzen.

Die Polizei fand Waffen

Bereits bei den Durchsuchungen im Februar stellte die Polizei bei sechs Mitgliedern des Netzwerkes sieben Messer, eine Axt, einen Schlagring, eine Machete, zwei Säbel, zwei Teleskop-Schlagstöcke, zwei Schlagstöcke, zwei Schreckschusspistolen, eine Armbrust sowie Quarzhandschuhe und Pfefferspray sicher. Mehr als 100 Beamte hatten sechs Objekte in Stadt und Landkreis Göttingen und im thüringischen Kreis Eichsfeld durchsucht.

Im Oktober 2015 hatte das Netzwerk, inspiriert von Pegida in Dresden, begonnen in der südniedersächsischen Region Kundgebungen und Mahnwachen auszurichten.

Von Beginn waren Anhänger der Kameradschaftsszene und der NPD mit auf der Straße. Jens Wilke etablierte sich als einer der führenden Aktivisten. Der 40-Jährige kandidierte für die NPD für das Amt des Landrats im Landkreis Göttingen. Nach Ansicht der Ermittler war Wilke der Kopf der Gruppe. Er habe die gemeinsamen Aktionen geplant und angeführt, sagte ein Sprecher der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen.

Bei ihren Aktionen sollen Freundeskreis-Anhänger Waffen und gefährliche Werkzeuge mit dabei gehabt haben. Von 32 Fällen geht die Antifaschistische Zeitung für Göttingen und Südniedersachsen (Agit) aus, bei denen die Anhänger des Netzwerkes „Streit und Gewalttaten“ provozierten. Allein 21 dieser Geschehnisse wollen sie in Göttingen dokumentiert haben.

Darunter ein Vorfall am 12. November 2016: An diesem Samstag richtete der Freundeskreis gegen 11.45 Uhr einen Aufmarsch im südniedersächsischen Duderstadt an der Grenze zu Thüringen aus. Vor 16 Personen hetzte der Rechtsextreme Mario Messerschmidt gegen die Familie des Kreistagsabgeordneten Meinhart Ramaswamy (Piratenpartei).

Drohungen und Angriffe

Um 14.45 Uhr stand der Pkw von Jens Wilke mit mehreren vermummten Personen vor dem Haus des Abgeordneten in Göttingen. Um 15.20 Uhr fuhr der Wagen erneut vor. Mit einem Megaphon wurde gedroht: „Der Kampf ist eröffnet. (…) Wir kriegen euch alle.“ Die Betroffen riefen die Polizei an, berichtet Agit weiter.

Zwischen 15.25 und 16 Uhr stoppte die Polizei den Wagen an der Stadthalle. Die Insassen griffen dort anwesende Antifaschisten an. Schlugen mit Eisenketten und Schlagstöcken zu, nach Berichten der Agit auch dann noch, als die Betroffenen schon am Boden lagen. Den Angriff filmte Wilke. Um 17.45 Uhr ging ein Video mit dem Titel „Antifa Hahaha“ bei Facebook online.

Nicht nur in dem von der Staatsanwaltschaft genannten Zeitraum fielen Anhänger des Netzwerkes durch Gewalttaten auf. Am 1. April 2017 griffen Aktivisten nach einer Veranstaltung in Göttingen einen Fotojournalisten an. Bei einer anschließenden Spontandemonstration im nahen Friedland schlugen sie zu, was sie live auf Facebook öffentlich machten. Erst die Polizei konnte den Angriff stoppen. Die Rechten machten Jagd auf „Angehörige der linken Szene, vermutlich um sie zu attackieren“, hieß es im Polizeibericht.

Der Prozess gegen die Mitglieder des Freundeskreises beginnt frühestens in zwei Monaten.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Die Polizei fand Waffen?

     

    "Bereits bei den Durchsuchungen im Februar stellte die Polizei bei sechs Mitgliedern des Netzwerkes sieben Messer, eine Axt, einen Schlagring, eine Machete, zwei Säbel, zwei Teleskop-Schlagstöcke, zwei Schlagstöcke, zwei Schreckschusspistolen, eine Armbrust sowie Quarzhandschuhe und Pfefferspray sicher."

     

    So weit mir bekannt, sind die hier genannten Gegenstände nicht verboten. Wenn man eine Durchsuchung in einem anderen Klientel, z.B. bei der Antifa machen würde, wäre das Ergebnis vermutlich nicht anders.

     

    Das war lächerlich. Das Ergebnis vom Einsatz von 100 Beamten war nichts illegales wie es aussieht und damit ein reiner Reinfall.

     

    Das ich diese reisserische Aussage hier relativiere soll nicht die Militanten jedweder Gesinnung entschuldigen.

    • @haraldarc:

      Schlagringe sind nach § 2 Abs. 3 i. V. m. Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.2 WaffG verbotene Gegenstände.

       

      Davon abgesehen: Tatvorwurf ist inder Hauptsache ein Vergehen nach § 127 StGB: "Wer unbefugt eine Gruppe, die über Waffen oder andere gefährliche Werkzeuge verfügt, bildet oder befehligt oder wer sich einer solchen Gruppe anschließt, sie mit Waffen oder Geld versorgt oder sonst unterstützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."

      • @Spitzbube:

        OK, ich wusste nicht, dass Schlagringe verboten sind, besonders nicht, wenn sie jemand zuhause liegen hat.

        Aber Äxte, Messer sind Haushaltsgegenstände und keine Waffen, die Säbel Schlagstöcke usw. darf man meiner Meinung legal zuhause haben und das ist gut so. Ich habe keine Waffen, aber will mir gerne welche legal besorgen dürfen, falls mir danach ist. Die Handschuhe dürfen sogar in der Öffentlichkeit getragen werden.

         

        Unter dem Strich war die ganze Aktion trotzdem ein trotzdem ein Reinfall. Deinen § 127 StGB ist doch hier aus meiner Brille absolut nicht anwendbar bei der Faktenlage. Ein Schlagring für eine Gruppe taugt wohl nicht dafür! Halte mal die Kirche im Dorf.

         

        Mir wäre lieber, wenn die Polizei mehr Kontrollen auf der Straße machen würde, um die ganzen Messerstecher, von denen man täglich lesen kann, bevor sie zuschlagen können. Es kann doch nicht sein, wenn jemand an Plätzen rumlungert, wo er schon Platzverweise hatte, dass er da immer noch ungestraft davon kommt, auch wenn er ein legales Messer in der Tasche hat. Legal ist ein Messer denke ich übrigens u.A. wenn kleiner 12cm Länge. Das bedeutet, dass hier in Deutschland legal überall ISIS Kämpfer, eingereist ohne oder mit gefälschten Pässen, mit legalen Messern in der Tasche rumlaufen dürfen und dem deutschen Soldaten Gesicht grinsen können, den Sie zuhause verwundet haben.