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Kommentar Niederlage der GrünenMaus beim Elefantenrennen

Ulrich Schulte
Kommentar von Ulrich Schulte

Wählerwanderungen in Niedersachsen zeigen eine stabile Verortung der Grünen-Sympathisanten links der Mitte. Jamaika könnte also gefährlich sein.

Irgendwo zwischen den Elefanten müssen die Grünen sein Foto: dpa

H aben die Grünen in Niedersachsen verloren, weil sie im Bund ein Jamaika-Bündnis verhandeln? Diese These wäre Futter für all diejenigen, die glauben, dass ein Wechsel der Ökopartei ins feindliche Lager linksgrüne WählerInnen abschreckt. Tatsächlich liefert Hannover ein paar Hinweise, die die Jamaika-Fans bei den Grünen nachdenklich machen sollten.

Die wichtigsten Gründe für das Debakel sind allerdings landespolitischer Natur: Der überraschende Wechsel der Grünen Elke Twesten zur CDU, der die rot-grüne Regierung stürzte, war ein denkbar schlechter Start in den Wahlkampf, den die Grünen mit altbekanntem Personal bestritten. Die grüne Spitzenkandidatin Anja Piel ist eine kluge, integrierend wirkende Frau – eine brillante Wahlkämpferin ist sie nicht. Ohne gelungene Personalisierung aber lässt sich heute kaum noch eine Wahl gewinnen.

Vor allem aber schadete den Grünen das Duell der Volksparteien. Viele ehemalige Grünen-Wähler machten ihr Kreuz bei der SPD, weil sie wollten, dass Stephan Weil Ministerpräsident bleibt. Den Grünen erging es wie der Maus beim Elefantenrennen. Sie landeten kopfüber im Staub, froh, nicht totgetrampelt worden zu sein.

Dass die rot-grüne Wechselwählerschaft über Wohl oder Wehe der Grünen mit entscheidet, ist nicht neu. Im Bund profitierten sie von dem Effekt. Die Partei schaffte in Berlin vor allem deshalb ihre mittelprächtigen 8,9 Prozent, weil SPD-WählerInnen ihre Stimme nicht an den chancenlosen Martin Schulz verschwenden wollten. Doch in Niedersachsen zeigte sich noch ein interessanter Effekt: Ein relevanter Teil der Grünen-WählerInnen lief zur Linkspartei über, wohl auch, um strategisch Rot-Rot-Grün zu ermöglichen.

Zwar verloren die Grünen auch WählerInnen an CDU und FDP. Doch unter dem Strich dokumentieren die Wählerwanderungen eine recht stabile Verortung der Grünen-Sympathisanten links der Mitte. Die Grünen werden deshalb mit dem Risiko leben müssen, dass Jamaika sie gefährlich schwächt.

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Ulrich Schulte
Leiter Parlamentsbüro
Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.
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5 Kommentare

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  • Der Autor übersieht, dass sich die spektakulären grünen Niederlagen dieses Jahr in den eher linken Landesverbänden wie Niedersachsen und NRW ereignet haben, eher Realoverbände wie Schleswig-Holstein dagegen besser abschnitten. Dies widerspricht seinen einfachen Erklärungen nach dem Motto nicht links genug - ohne das ich gleich zur anderen Seite wechsle und nur die Realos loben würde.

  • Nee, nicht strategisch, sondern weil sie sich inzwischen bei den Grünen politisch nicht mehr zu Hause sehen. Die Grünen müssen das begreifen, wenn sie wieder zulegen wollen:

     

    Seit der desaströsen rot-grünen Regierungsbeteiligung unter Schröder/Fischer gucken viele gebildete und gut informierte Grün-Wähler bei den Grünen genauer hin. Und dann können sie die plötzlich nicht mehr wählen. Wegen solcher Sachen wie der Beschneidungsdebatte. Oder der fehlenden Unterstützung für Andrej Holm in Berlin. Oder dem Versuch damals Ströbele abzusägen. Oder wegen Sheriff Boris Palmer und seinen Alkoholverboten. Oder wegen der idiotischen Schulpolitik (Inklusion ohne Geld) in Niedersachsen. Oder dem parteitaktischen Herumgekloppe auf den Piraten damals. Oder dem beknackten "Männer sind Täter- Frauen sind Opfer"-Feminismus. Usw.

     

    Die Grünen haben trotz fast einem Jahrzehnt Niedergang inzwischen immer noch nicht gelernt bei ihren Wählern hinzuhören und mitzuwachsen. Sie sind schon lange nicht mehr Avantgarde.

     

    Ich kenne voll viele Leute, die eigentlich von Geburt an so etwas Stammwähler der Grünen waren und inzwischen die Linke wählen. Nicht weil sie da zu Hause wären, sondern aus Protest oder weil die Linke einige Progressive Kernthemen inzwischen authentischer vertritt.

     

    Die Antwort der Grünen darauf scheint zu sein, zu einer Art neuen SPD werden zu wollen. Viele Plastikworte, kein Profil, keine positive Vision. Irgendein Mainstream Mitte-Rechts.

  • da hat jemand meine motivation durchschaut...

  • wer nichts wagt kann auch nichts gewinnen...

  • Wenn man sich die letzten Jahre anschaut, sollte man den Mut (Dummheit) der Grünen und der FDP doch bewundern.

    Zuerst schaffte Merkel es tatsächlich die FDP während ihrer Koalition unter die 5% zu bekommen, nach dem sie mit ihnen fertig war.

    Als nächstes nahm sie sich die SPD vor und verpasste denen gerade mal einen Rückhalt in der Bevölkerung von gerade mal noch etwas über 20%.

     

    Nun, da sie ja keine andere Wahl mehr hat, nach dem sie die CSU auch um Satte 10% gebracht hat, die SPD nicht mehr mitspielen will, denn 10% nach der nächsten GroKo wären denen auch zu wenig, wird sie sich diesmal gleich zwei Konkurrenten vom Hals schaffen.

    Man konnte ja schon erahnen, was den Grünen passieren kann, wenn es tatsächlich zu Jamaika kommen wird.

    Die FDP allerdings müsste doch eigentlich besser Wissen, was ihnen am Ende der nächsten 4 Jahre blüht, aber "was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr"!!!

     

    Allen jedenfalls die Besten Wünsche, sonst ist als nächstes die AFD und die zukünftigen Blauen dran!?!