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Kommentar zur Cum-Ex-AnklageDie politische Aufarbeitung fehlt

Hannes Koch
Kommentar von Hannes Koch

Rund 16 Milliarden Euro kosteten die Cum-Ex-Geschäfte den deutschen Staat. Jetzt wurde Anklage erhoben – doch politische Konsequenzen fehlen.

Juristisch werden die Cum-Ex-Geschäfte der Banken jetzt geahndet – politisch müssen Konsequenzen noch folgen Foto: dpa

W as gut gemachte Oppositionsarbeit im Parlament leisten kann, bewiesen in den vergangenen Jahren die Grünen und die Linkspartei. Gemeinsam setzten sie einen Untersuchungsausschuss zu einer groß angelegten Steuerhinterziehung durch, die den deutschen Staat bis zu 16 Milliarden Euro gekostet hatte. Die beiden Fraktionen trugen dazu bei, die sogenannten Cum-Ex-Geschäfte aus der Versenkung hervorzuholen.

Nun hat die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt/Main in diesem Zuge erstmals Anklage gegen einen Anwalt und Aktienhändler der Hypo-Vereinsbank erhoben. Die juristische Aufarbeitung kommt voran – wenngleich das Landgericht Wiesbaden noch entscheiden muss, ob es die Klage zulässt. Die finanziellen Verfahren sind ohnehin schon im Gange. Finanzämter fordern Hunderte Millionen Euro aus den mutmaßlich illegalen Steuergeschäften zurück.

An politischen Konsequenzen fehlt es dagegen bisher. Die Große Koalition aus Union und SPD erklärte zum Abschluss des Untersuchungsausschusses, sie habe keine Fehler gemacht. Deshalb müsse man auch nichts ändern. Diese Haltung ist taktisch verständlich, sachlich aber falsch – ging es den Regierungsparteien vor der Bundestagswahl doch vornehmlich darum, ihre Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) und Wolfgang Schäuble (CDU) aus der Schusslinie zu bringen. Eine strengere Überprüfung der Branche durch die Finanzaufsicht Bafin, ein Gesetz zum Schutz von Informanten aus der ­Wirtschaft? Fehlanzeige – solche Maßnahmen wurden bislang nicht ergriffen.

Ob die Aussichten dafür unter der neuen Bundesregierung besser werden, darf man bezweifeln. Das Inter­esse der Union hat sich nicht geändert, und die FDP hält von Regulierung der Wirtschaft traditionell nicht viel.

Können sich die Grünen gegen diese Front durchsetzen? Am Beispiel Cum-Ex wird sich zeigen, ob die Jamaika-Koalition bereit ist, die politisch-ökonomische Vetternwirtschaft zwischen Union, FDP und Wirtschaftsinteressen infrage zu stellen.

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Hannes Koch
Freier Autor
Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.
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5 Kommentare

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  • Aha, die FDP hält von Regulierung traditionell nicht viel. Und die Gründe? Es klingt ja fast so, als würde es sich um die eine u.a. ehrbare Auffassung handeln, welche nur die anderen nicht verstehen wollen.

  • die wichtigsten politischen Konsequenzen sind doch lange gezogen worden, diese Geschäfte sind jetzt ausgeschlossen und es gab den Untersuchungsausschuss.

  • Warum bloß erweckt in mir bisherige Vorgehen in dieser Sache haarklein denselben Eindruck, als wenn sich ein "frommer" Gangster im Beichtstuhl seinen nächsten Raubzug im Voraus vergeben lassen würde?

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Der Verweis auf Christian Lindner verweist auch die Idee des sozialen Unternehmertums aus dem letzten Jahrhundert in den Bereich der Utopie!

    Syndikalismus denken heißt gemeinsam handeln statt gegeneinander.

     

    Für eine Share-Economy, die diesen Namen auch verdient hat! Es gibt kein wirkliches Soziales ohne das Teilen und es gibt kein wirkliches soziales Unternehmertum ohne geteiltes Produktionskapital.

     

    Das wäre immer noch eine kapitalistische Produktionsweise, aber die ideologisch unauflösbaren Interessengegensätze gäbe es dann nicht mehr. Das ist weder Kapitalismus im gewöhnlichen Sinne, noch eine Abschaffung des Kapitalismus im herkömmlichen Sinne.

     

    Es geht dabei nur ums Teilen und darum, gerade nicht jemandem etwas wegzunehmen. Also um ein Privatrecht, das nicht von Dieben erfunden wurde, sondern Diebstahl entgegenwirken soll!

     

    Die Arroganz, der "Cum-Ex" zu verdanken ist, ist die gleiche Arroganz, die jedem Unternehmer die Aneignung der Profite aus der Arbeit von Arbeitern ermöglicht.

     

    Das ist das Etabliertenvorrecht in Aktion, das es erlaubt, sich leistungslos, aufgrund der erworbenen oder ererbten, gesellschaftlich und politisch legitimierten Macht bzw. Herrschaft, Profite aus der Arbeit anderer anzueignen und dann dreist zu behaupten das sei "die Freiheit" und man selbst sei "sozial".

     

    Auch in der "sozialen Marktwirtschaft" werden erst Probleme geschaffen, damit sich dann Parteien wie die SPD und die CDU als deren "Löser" hinstellen können.

    Das wird nun der Linken vorgeworfen, aber das Konzept kommt aus dem kapitalistischen Bürgertum!

     

    Mein Appell an den Verfasser, dessen Sohn kein Problem damit hat, wenn Bill Gates demnächst Billionär ist, wäre, die Korrumpiertheit seines Wertgefüges mal genau zu überdenken und von Sozialität nicht nur rumzuschwafeln.

    Sonst wird der Sohn vielleicht mal der nächste Christian Lindner, der die Träume und Hoffnungen auf eine bessere Zukunft im Mittelmeer und in sog. "Lagern" krepieren läßt (wie ist das Wort für diese "Lager"?).

    • @85198 (Profil gelöscht):

      was hat der Sohn eines Journalisten denn bitte mit einem Artikel zu tun?