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Wahlanalyse Nordrhein-WestfalenSieben unangenehme Fragen

Die SPD setzt auf soziale Gerechtig­keit. Rot-Grün stand für Inklusion an Schulen, für eine liberale Flüchtlingspolitik. Ist das noch haltbar?

Die NRW-Landtagswahlen sorgen für Wirbel in der Landeshauptstadt Düsseldorf. Haben linke, bunte Ideen darin noch eine Chance? Foto: Imago/Loop Images

1. Ist soziale Gerechtigkeit im Wahlkampf ein Loser-Thema?

Kommt drauf an, wie man den Begriff benutzt. Der Begriff der „sozialen Gerechtigkeit“ ist kein Markenname mehr, mit dem allein sich Politik an die WählerIn bringen lässt. Dafür ist der Begriff zu schwammig geworden, weil es neuerdings beim Thema „Gerechtigkeit“ nicht mehr vor allem um sozia­le „Sicherung“, sondern auch um „Entlastung“ geht.

Auch die SPD redet über die angeblich zu hohe Abgabenbelastung der Mittelschicht. Mehr Gerechtigkeit bedeutet danach mehr Entlastung von Abgaben, Steuern, Gebühren. Aber nicht jeder muss es als gerecht empfinden, wenn auch Wohlhabende keinerlei Gebühren mehr für Kitas zahlen sollen, ein Vorschlag, mit dem die SPD in den Wahlkampf zieht.

Wenn man – wie CDU und SPD – darüber spricht, dass ein Angestellter mit 5.000 Euro brutto im Monat weniger Einkommenssteuer zahlen und nicht mehr in den Spitzensteuersatz rutschen soll, damit es gerechter zugeht in Deutschland, ergeben sich auch daraus heikle Anschlussfragen. Wenn am Ende nur Höchstverdiener mit sehr hohen Steuersätzen herangezogen werden sollen, führt das zu einer Debatte über die angebliche Gefährdung von Arbeitsplätzen, denn die Unternehmenssteuern müssten ja auch entsprechend steigen.

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat „mehr Gerechtigkeit“ in Aussicht gestellt, ohne den Begriff bislang inhaltlich zu unterfüttern. Das macht ihn zum potenziellen Loser. Am Thema selbst liegt das nicht. Barbara Dribbusch

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2. Wünschen auch linke Wähler eine strengere Flüchtlingspolitik?

Nicht unbedingt. Dass es wegen der Flüchtlinge „unsicherer“ werde in Deutschland, glauben 43 Prozent der CDU-Wähler, aber nur 29 Prozent der SPD-Wähler, heißt es in einer von der Rosa-Luxemburg-Stiftung verbreiteten Wahlanalyse. Wenn es aber um die Frage der Beschränkung des Zuzugs geht, ist die SPD-Wählerschaft nicht weit von der der Union entfernt. Zu Zeiten des größten Flüchtlingsandrangs im Herbst 2015 waren sowohl Unions- als auch SPD-Anhänger zu etwa 60 Prozent der Ansicht, es müsse eine Beschränkung für den Flüchtlingszuzug geben.

Nach einer noch älteren Studie der Freien Universität Berlin von Anfang 2015 waren damals nur etwa ein Drittel der CDU-, SPD- oder Linkspartei-Wähler der Meinung, Deutschland solle alle Schutzsuchenden aufnehmen. Nur bei den Grünen betrug dieser Anteil zwei Drittel der Wählerschaft. SPD-WählerInnen und Linksparteianhänger zeigten sich in der Frage der Aufnahme von Flüchtlingen bisher also kaum großzügiger als die Union.

Das bedeutet, dass die SPD auf Bundesebene mit dem Thema Flüchtlingspolitik kaum punkten kann. Rechts ist die Union kaum zu überholen und von links mehr zu bieten als die Union würde von den WählerInnen vielleicht gar nicht wertgeschätzt.

In Nordrhein-Westfalen zeigten sich laut infratest dimap im April 2017 58 Prozent der Wahlberechtigten mit der Arbeit der rot-grünen Regierung zur Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge zufrieden. Mit der Kriminalitätsbekämpfung waren hingegen nur 38 Prozent, mit der Bildungspolitik und Straßensanierung nur 29 beziehungsweise 27 Prozent der Wahlberechtigten einverstanden. Dies scheinen die größeren Baustellen zu sein. Barbara Dribbusch

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3. Lehnen auch linke Eltern Inklusion an Schulen ab?

Rot-Grün wollte das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung landesweit umsetzen. Daher hatte die Düsseldorfer Koalition im Jahr 2013 einen Rechtsanspruch auf den Besuch einer allgemeinen Schule beschlossen. 1,2 Milliarden Euro steckte das Land in die Inklusion, über 40 Prozent der Kinder mit Förderbedarf werden in Regelklassen unterrichtet.

Gleichzeitig brach die Regierung jedoch mit sämtlichen Erfahrungen, wonach Lehrer und Sonderpädagogen stets zu zweit in einer Klasse unterrichten, in der zudem maximal ein Fünftel der Schüler besondere Förderung benötigen sollten. Das wäre zu teuer geworden und es fehlte an Personal. Denn parallel zur Inklusion blieb die Sonderschulinfrastruktur bestehen.

Fakt ist: Bildung war in Nordrhein-Westfalen das wahlentscheidende Thema, und am Ende trauten die Wähler der CDU auf diesem Politikfeld mehr zu als der SPD.

Doch das heißt nicht, dass alle Eltern nun prinzipiell gegen Inklusion sind. Die große Mehrheit – über 80 Prozent – der Elternvertreter steht dem gemeinsamen Lernen positiv gegenüber, wie eine Umfrage der FDP vor zwei Jahren zeigte. Allerdings müssten die Bedingungen stimmen. CDU und FDP wollen das Tempo aus der Inklusion rausnehmen.

„Schwarz-Gelb wird vor den gleichen Problemen stehen“, prognostiziert Eva-Maria Thoms vom Verein mittendrin, den Eltern behinderter Kinder vor gut 10 Jahren ins Leben riefen, „ein kaputtgespartes Bildungssystem, eine veraltete Pädagogik und eine fehlende Bewusstseinsbildung für Inklusion.“ Außerdem sei da ja noch der Rechtsanspruch, der sich aus der UN-Behindertenrechtskonvention ableitet. Diesen stellen auch CDU und FDP nicht infrage. Anna Lehmann

4. Ist linke Politik chancenlos, weil es uns einfach zu gut geht?

Die Arbeitslosigkeit ist gesunken, auch in Nordrhein-Westfalen. Die Konjunktur brummt. Das müssten eigentlich gute Zeiten sein, um sich mehr mit sozialem Ausgleich zu beschäftigen. Die Erfahrungen früherer Bundestageswahlen zeigen allerdings, dass die Bürger sich von der Union mehr wirtschaftliche Sicherheit versprechen, es sei denn, ein SPD-Kandidat inszeniert sich direkt als „Wirtschaftskanzler“, so wie es Gerhard Schröder Ende der 90er Jahre tat.

Auch in Nordrhein-Westfalen attestieren die Wahlberechtigten der CDU eine höhere Kompetenz in Sachen Wirtschaft. Laut vom Umfrageinstitut infratest dimap einen Monat vor der Wahl erhobenen Zahlen lag die SPD bei den Politikfeldern soziale Gerechtigkeit (42 zu 21 Prozent ) und Armutsbekämpfung (38 zu 23 Prozent ) vor der CDU.

Dazu passt, dass die SPD in NRW bei den Arbeitslosen sogar leicht an Stimmen gewann. In den Politikfeldern Arbeitsplatzschaffung und -sicherung (35 zu 38 Prozent), Schul- und Bildungspolitik (30 zu 35 Prozent) und Wirtschaftspolitik (27 zu 44 Prozent) erhielt die oppositionelle CDU hingegen höhere Kompetenzwerte als die SPD.

Die Union und nicht die SPD mit einer guten Arbeitssituation in Verbindung zu bringen, ist allerdings nicht unbedingt fair. Schließlich war es die SPD, die für die Einführung des Mindestlohns kämpfte. Barbara Dribbusch

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5. Hat sich die AfD mit dem Einzug in den nordrhein-westfälischen Landtag etabliert?

Ja, das hat sie. Zwar bleiben die Rechtspopulisten in NRW deutlich hinter ihrem Ziel, zweistellig zu werden, aber mit 7,4 Prozent liegen sie klar über der Fünfprozenthürde und sind damit souverän in den 13. Landtag in Folge eingezogen. Das bedeutet nicht nur 16 neue Landtagsabgeordnete, sondern auch zahlreiche neue Mitarbeiterstellen und andere Ressourcen, die die Struktur der Partei weiter festigen werden.

Der Höhenflug der AfD, der eng mit der sogenannten Flüchtlingskrise verbunden war, ist derzeit zwar vorbei, ein Teil der Protestwähler hat sich wieder anders orientiert. Vieles deutet aber darauf hin, dass sich die Partei bundesweit derzeit bei einer Zustimmung von 6 bis 8 Prozent stabilisiert.

Das zeigen auch die vergangenen zwei Landtagswahlen im Saarland und in Schleswig-Holstein, bei denen die Ausgangsbedingungen weit schlechter waren als in NRW. In Schleswig-Holstein zum Beispiel war die AfD in der Fläche nicht wirklich präsent, ein Gericht hat dem Spitzenkandidaten bescheinigt, als Landesvorsitzender nicht ordnungsgemäß im Amt zu sein. Hinzu kam die Flaute bei dem zentralen Thema der AfD – den Flüchtlingen – und der Streit in der Bundesspitze. Dennoch holten die Rechtspopulisten 5,9 Prozent.

Man muss deshalb davon ausgehen, dass die Partei – jenseits des Protests – sich anschickt, dauerhaft eine Lücke im Parteienspektrum zu füllen, die vor allem durch die Modernisierung der CDU rechts von dieser entstanden ist.

Die Wahl- und Umfrageergebnisse in den vergangenen Jahren zeigen aber, dass das Potenzial – je nach Erregungskurve in der Bevölkerung – weit größer und die Hemmschwelle gesunken ist, rechtspopulistisch zu wählen.

Durch einen erneuten Anstieg der Flüchtlingszahlen, einen weiteren islamistischen Terroranschlag oder ein Ereignis vergleichbar mit der Kölner Silvesternacht könnten die Wahlergebnisse der AfD wieder in die Höhe schnellen. Sabine am Orde

6. Darf man die Sicherheit auf den Straßen der CDU überlassen?

Als SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft nach der Silvesternacht 2015 trotz aller Angriffe fest zu ihrem SPD-Innenminister Ralf Jäger hielt, sah der CDU-Mann Armin Laschet seine Stunde gekommen. „Frau Kraft hält Herrn Jäger für großartig, wir halten ihn für ein Sicherheitsrisiko“, wiederholte Laschet, wo er nur konnte. Um sich später als Law-and-Order-Mann zu präsentieren: mehr Polizei auf den Straßen, mehr Videoüberwachung. Sein Credo: eine „Null-Toleranz-Politik gegenüber Kriminellen“.

Das kam gut an bei den Menschen. Die Silvester-Massengrapscherei vor dem Kölner Hauptbahnhof, vor allem von migrantischen Männern an nichtmigrantischen Frauen, hatte das Land und insbesondere die KölnerInnen tief verunsichert. Wie kann es sein, dass die Polizei nicht rechtzeitig und heftig genug eingegriffen hat? Warum waren so wenig Beamte vor Ort? Jedes Fußballspiel ist doch stärker bewacht.

Ein Silvester später war der Platz vor dem Kölner Bahnhof gesichert wie ein Besuch des US-Präsidenten – unter anderem auf Geheiß der SPD-geführten Innenministeriums. Das hat gewirkt: keine massenhaften sexuellen Übergriffe, auch ansonsten keine nennenswerten Vorfälle. Dafür wurde dem – von allen Seiten ausgeweiteten – Polizeieinsatz ein neuer Vorwurf gemacht: Racial Profiling. Migrantisch aussehende Männer wurden kontrolliert und zum Teil stundenlang festgehalten. Das hätte die CDU nicht besser machen können. Simone Schmollack

7. Ist Armin Laschet ein liberalerer Ministerpräsident als Hannelore Kraft?

Als Armin Laschet 2005 in der damaligen schwarz-gelben Koalition in Düsseldorf der bundesweit erste Gleichstellungs- und Integrationsminister wurde, jubelten diejenigen, die ein solches Amt schon lange forderten. Und dann bekam den Posten auch noch ein Mann: endlich real gelebte Gleichstellungs- und Integrationspolitik. Laschet wurde mit Etiketten versehen wie „Ausländerversteher“ und „Türken-Armin“.

Diese liberale, menschelnde Seite konnte LGBTI-Menschen allerdings nicht beschwichtigen. Sie fühlen sich von Laschet nicht vertreten, denn der kommende Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen ist kein Freund der Homo-Ehe. Die Wahlverliererin Hannelore Kraft (SPD) hingegen spricht sich für die rechtliche Gleichstellung von Lesben und Schwulen aus.

Und sonst? Laschet will mehr Kitaplätze, bessere Bildung, weniger Kinderarmut. Das wollte Kraft auch. Aber das haben sie und ihre SPD nicht geschafft, findet Laschet. Der Katholik gilt als jemand, der Ungerechtigkeit nur schwer ertragen kann. Kraft hat versucht, Gerechtigkeit den Leuten im Gespräch an der Haustür zu vermitteln. Das ist ihr nicht gelungen, auch nicht mit volksnahen „dat und wat“. Simone Schmollack

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19 Kommentare

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  • Laut neuesten Zahlen müssen 4,2 mio Arbeitnehmer diesen Spitzensteuersatz bezahlen.

    Mal nachrechnen bei 5000 brutto

    -22% Sozialversicherungen

    -42% Spitzensteuersatz

     

    Unterm Strich fast 2/3 weg! Wer wundert sich da noch, dass Ingenieure, Ärzte und Facharbeiter, die derartige Gehälter bekommen, zu ca. 100000 pro Jahr das Land verlassen, denn, wenn dann das eine Drittel übrig geblieben ist, fallen noch folgende Steuern an:

    Mehrwertsteuer (7% bzw. 19%!)

    Tabaksteuer

    Brandweinsteuer

    Ökosteuer und meine Lieblingssteuer:

    die Schaumweinsteuer zum Ausbau der kaiserlichen (!) Flotte.

     

    Diese hohe Besteuerung von Leistungsträgern ist ein vollkommener Irrsinn!

    • @Jens Frisch:

      "Unterm Strich 2/3 weg"

       

      Vergessen Sie es - Denkfehler:

       

      42% ist der Spitzensteuersatz, aber nicht das gesamte Einkommen wird mit dem Spitzensteuersatz belastet. Der Grundfreibetrag ist steuerfrei, dann gehts mit dem Eingangssteuersatz weiter und nur auf den letzten Euros (und jedem weiteren) wird der Spitzensteuersatz (Grenzsteuersatz) fällig. Also bei dem von Ihnen gewählten Beispiel dürfte der durchschnittliche, also real zu bezahlende Steuersatz auf das gesamte Einkommen irgendwo bei 25 bis 27% liegen. Susammen mit den Abgaben immer noch ne Menge aber bestimmt nicht 2/3 und außerdem dafür kriegt man hier ja auch was an Infrastruktur und Sonstigem geboten, das muss ja nun irgendwie bezahlt werden.

      • @Waage69:

        "Also bei dem von Ihnen gewählten Beispiel dürfte der durchschnittliche, also real zu bezahlende Steuersatz auf das gesamte Einkommen irgendwo bei 25 bis 27% liegen."

         

        Gut. Da obendrauf nochmal 22% Sozialversicherung - zusammen also fast 50%.

         

        Dann obendrauf:

         

        Mehrwertsteuer

        Ökosteuer

        Brandweinsteuer

        Mineralölsteuer

        Tabaksteuer

        Schaumweinsteuer... und diese Liste ist sicherlich nicht vollständig: Mal im ernst: Sollte bei 50% nicht irgendwann mal Schluss sein, vor allem wenn in dieser Liste noch sämtliche kommunalen Abgaben fehlen, wie Kita-, Müll- und Abwassergebühren...

        • @Jens Frisch:

          Mehrwertsteuer, Verbrauchssteuern, Sozialversicherungsbeiträge und Gebühren „obendrauf“ müssen schließlich auch Leute zahlen, die mit nur 600,-€ Rente mtl. und dem, was sie sich in früheren Zeiten ihres Erwerbslebens vom Munde abgespart haben, zurecht kommen müssen.

    • @Jens Frisch:

      Nicht jeder Ingenieur, Arzt oder Facharbeiter wird qua Ausbildung schon zum Leistungsträger. Wenn wir schon von Steuern reden, dann fehlt mir in Ihrer Rechnung insbesondere die Berücksichtigung der zahlreichen staatlichen Aufwendungen, die nicht unwesentlich dazu beigetragen haben, dass diese Leute hier überhaupt erst eine solche Ausbildung machen konnten. Und - nicht wenige derer, die das Land verlassen, tun dies nur zeitweise, um woanders neue und andere Erfahrungen zu sammeln.

  • "(...)Aber nicht jeder muss es als gerecht empfinden, wenn auch Wohlhabende keinerlei Gebühren mehr für Kitas zahlen sollen, ein Vorschlag, mit dem die SPD in den Wahlkampf zieht.(...)"

     

    Wenn Wohlhabende gemäß ihrer Leistungsfähigkeit besteuert werden (würden!) ist es auch gerecht wenn sie von den durch diese Steuern ermöglichten Leistungen wie Kita und kostenlose Bildung etc. profitieren.

     

    Was Frau Dribbusch hier, und schon öfters zuvor, schreibt ist O- Ton "Neue Soziale Marktwirtschaft" gleichbedeutend mit deren Abschaffung.

     

    Ich schließe mich in diesem Punkt @ JHWH mit seinem Vorwurf der "Arbeitgeberpropaganda" an.

  • Wer wegen der GroKo im Bund nicht klar die Verantwortlichkeiten und Fehler nennt, sondern "Alternativlos" alles mitträgt, braucht nicht zu meinen im Wahlkampf als kompetent wahrgenommen zu werden. Die SPD hätte schon lange das Thema der falschen Arbeitslosenstatistik auf den Tisch legen können. Da würde schon auffallen, dass es uns lange nicht so gut geht wie früher, und dass mehr drin wäre für die Mitarbeiter.

  • Die Wahlniederlage der SPD war mit Sicherheit nicht die letzte in diesem ihrem Stammland. Vom nördlichen Ruhrgebiet sagte man einmal, dass man auf eine Mülltonne ein SPD-Schild kleben könne und sie würde bei der nächsten Wahl gewinnen. Das kann man jetzt auch anders verstehen ... Die SPD geht seit Helmut Schmidt mit ihren Stammwählern mit einer Arroganz, die schon sehr weh tut, um. Gelinde gesagt, reicht es nicht mehr irgendwelche Mülltonnen zu bekleben oder irgendwelche selbsternannten Landsmuttis und Landespapis an die Haustüren zu schicken. Die SPD infantilisiert ihre Stammwählerschaft. Die einzige Wahrheit, die die Artikel der TAZ ansprechen, ist genau dieser: Die SPD-Stammwähler fühlen sich nicht mehr ernst genommen und die SPD nimmt die Stammwähler nicht mehr ernst. Der Grund ist der im Artikel erstgenannte: soziale Gerechtigkeit. Damit ist gemeint, das jeder Anteil am gesamtgesellschaftlichen Reichtum hat. Die SPD macht aber wie auch heute im Bundestag (Grundgesetzänderung für Privatisierung von Schulen etc.) bei der großen Privatisierungswelle mit und sorgt dafür, dass der gesellschaftliche Reichtum, an dem alle partizipieren können, verschwindet. Dann stellt sie sich wie in NRW hin und posaunt: Wir müssen sparen. Das ist der Grund für das Wahldebakel.

  • man sollte sich einfach mal die AfD-Zahlen im Ruhrgebiet ansehen, dann weiß man, warum die SPD so viel verloren hat. Gestern hat der Bürgermeister von Gelsenkirchen sind in den Tagesthemen kurz geäußert, dass man ihm nie zuhören wollte, wenn er von den dortigen Problemen berichtete. Das AfD-Ergebnis sei die Quittung. Dabei ging es übrigens weniger um Flüchtlinge als um total überbelegte Schrott-Immobilien, in denen zahlreiche angeblich "selbständige" Osteuropäer gemeldet sind und ausgebeutet werden, wobei dies durch Hartz IV etwas abgemildert wird, worauf sie ja als Selbständige ein Anrecht haben.

  • "Wenn am Ende nur Höchstverdiener mit sehr hohen Steuersätzen herangezogen werden sollen, führt das zu einer Debatte über die angebliche Gefährdung von Arbeitsplätzen, denn die Unternehmenssteuern müssten ja auch entsprechend steigen."

     

    Unverständlich, warum Frau Dribbusch hier immer wieder Arbeitgeberpropaganda bringt.

    Die Einkommensschere ist heute so unanständig weit gespreizt, daß mit einer Steuererhöhung von nur 1,7% für die die 10% Einkommensstärksten (Einkommen ab 66.900 Euro), die 70% einkommensschwächsten Steuerzahler um satte 5% entlastet werden könnten.

     

    Und jetzt mal bitte einen Hinweis, wie dadurch Arbeitsplätze gefährdet werden sollen.

  • Zwei Anmerkungen:

    SPD-Wähler sind ganz und gar nicht „linke Wähler“. Das war schon zu Willy Brandts Zeiten nur ein wiedergekäutes Propaganda-Märchen.

     

    In der Schlußphase des NRW-Wahlkampfs entstand bei nicht wenigen Wählern der kuriose Eindruck, Hannelore Kraft hätte den Bürgern befahrbare Autobahnen vorenthalten. Die meisten Autobahnen sind allerdings B u n d e s autobahnen (BAB) und unterliegen als Bundesfernstraßen der Zuständigkeit des Bundes - liegen derzeit also in der obersten Zuständigkeit des Verkehrsministers Alexander Dobrindt (CSU). Der hätte schon allein wegen seiner Maut- und Privatisierungspläne sicher einen Denkzettel vom Wähler verdient gehabt, stand hier aber gar nicht zur Wahl, wie übrigens auch Martin Schulz hier gar nicht zur Wahl stand. Niemand kann ernsthaft glauben, dass sich am Zustand des Autobahnnetzes in NRW unter Armin Laschet irgendetwas wesentlich ändern wird, aber eines ist jetzt schon sicher: Der NRW-Bürger wird unter Armin Laschet die Autobahn bekommen, die er sich verdient hat und die er sich noch leisten kann - oder eben auch nicht mehr.

    • @Rainer B.:

      Anderen Leuten das "Linkssein" abzusprechen ist ja nun eine uralte Nummer. Demnach wären ja nur die Linkenwähler links und das wäre doch blöd , schaffen die es zumeist nicht mal über die 5 Prozenthürde.

       

      Ich hatte öfters mal die Gelegenheit mit dem Münsteraner DKP Vorsitzenden zu diskutieren. Der Behauptet übrigens felsenfest und ist auch davon absolut überzeugt die Linken-Wähler seien ganz und gar nicht "linke Wähler"...

       

      In Bezug auf die "Autobahndolchstoßlegende" wie ich sie nenne haben Sie in Ihrem Beitrag aber das richtige geschrieben - bzw. sehe ich das auch so.

      • @Waage69:

        Es geht mir gar nicht darum, jemandem etwas abzusprechen. Möglicherweise sind Sie noch zu jung, als dass Sie die damalige „Rote Socken-Kampagnen“ der CDU noch bewußt mitbekommen haben. Sicher gab es in der SPD auch durchaus eine Handvoll überzeugter linker Politiker, wie etwa Ottmar Schreiner, die mit ihren Positionen aber regelmäßig hoffnungslos überstimmt wurden. Die meisten SPD-Führungsleute wollten grundsätzlich niemals „Linkssein“, nahmen aber allein aus Trotz gegen die Rote-Socken-Kampagne der CDU eine Als-ob-Haltung ein, die dann in Folge zu einer - fast an Schizophrenie grenzenden - Diskrepanz zwischen Wollen und Wirken der Partei führte.

         

        Man kann der SPD unterm Strich nun wirklich nicht nachsagen, dass sie in Regierungsverantwortung jemals linke Politik gemacht hätte - ganz im Gegenteil. Es gab immer wieder Ansätze dazu, die aber recht bald wieder verworfen wurden. Wer SPD wählt, der weiß das doch auch ganz genau - oder sehen Sie das etwa anders?

        • @Rainer B.:

          Zum Teil - ja.

           

          Wenn wir schon mit Jemals anfangen, wie wäre es mit der Abschaffung des Dreiklassenwahlrechts und Einführung des allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlrechts (auch für Frauen die damals dann sofort am liebsten Zentrum wählten) 1918?

           

          Ach ja:

           

          "(...)Möglicherweise sind Sie noch zu jung(...)" - das hat schon lange keiner mehr gemutmaßt

           

          :-) !!

          • @Waage69:

            Da sind wir dann tatsächlich auch weit vor meiner Zeit. Jetzt muss ich auch erst mal nachschlagen.

            Die „Abschaffung des Dreiklassenwahlrechts“ war wohl ein wesentliches Ergebnis der Novemberrevolution 1918, die zur Weimarer Republik führte und das Ende der Monarchie markierte. Der Anteil der SPD daran ist alles andere als eindeutig. Sicher ist nur, dass sie letztlich so auch im Interesse der SPD gewesen sein muss.

            https://www.essen.de/rathaus/aemter/ordner_41/stadtarchiv/geschichte/geschichte_einsichten_wahlrecht_1919.de.html

             

            btw: Eigentlich können Sie sich doch freuen, wenn ich Sie für jünger gehalten habe, als Sie tatsächlich sind. Ich verbinde damit grundsätzlich überhaupt keine Wertung, gehe aber schon davon aus, dass auf selbst erlebte Geschichte mehr Verlaß ist, als auf Geschichtsbücher.

          • @Waage69:

            Die Formulierung "unterm Strich" ist natürlich von Ihnen mit Bedacht gesetzt.

             

            Ich könnte ja jetzt anfangen zu Gewichten so nach dem Motto 8 Stundentag, Frauenwahlrecht und bezahlter Urlaub gegen eine verpatzte und zusammengeschossene Revolution; Lesben und Schwulenehe, Kitaplätze und kostenloses Studium gegen eine in weiten Teilen verfehlte Agendapolitik usw.

             

            Eventuell ist es aber so, das es wohl gar nicht möglich ist "unterm Strich" linke Politik zu machen und das dies eine Illusion ist der tatsächlich nur "wirklich Linke" anhängen können.

             

            Sagte ja so in etwa schon Hilferding.

            Und wenn es nicht so wäre und konsquent linke Politik nicht nur möglich sondern auch nachhaltig populär wäre warum ist dann die "wetterwendische" SPD in Wahlen nicht durch die USPD oder heute die Linkspartei ersetzt worden.

             

            Das bedeutet aber nicht das gesellschaftlicher Fortschritt nicht möglich wäre auch wenn man sich nicht permanent dem Sozialismus annähert und dazu ist nach meiner Ansicht die SPD weiterhin nötig. Wenn dieLinkspartei mal in der Lage ist 30 und mehr Prozent an Wählerstimmen zu bekommen ist das dann eventuell anders...

            • @Waage69:

              Natürlich ist gesellschaftlicher Fortschritt immer möglich, aber die Erfahrungen mit der SPD zeigen eben leider auch, dass mit ihr und durch sie gesellschaftlicher Rückschritt in noch viel größerem Maße und viel schneller möglich war, als es wahrscheinlich ohne sie in den letzten 30 Jahren jemals der Fall gewesen wäre. Die Leute spüren das jetzt und selbst die Gutwilligen wenden sich nun nach und nach ab mit Grausen. Ich selbst gehöre und gehörte übrigens nie einer Partei an und das wird auch bis zum Schluß so bleiben - und zwar nicht, weil ich Parteiarbeit ansich für sinnlos halten würde, sondern weil ich einfach kein Typ für sowas bin. Ich kann mich im übrigen auch ohne Partei ganz gut einbringen.

  • Was hat diese SPD mit sozialer Gerechtigkeit zu tun?

  • Schön das hier 7 unangenehme Fragen gestellt werden. Vorher hätte man sich vielleicht noch mal mit Wählern aus NRW unterhalten sollen um herauszufinden ob das wirklich war, was die Wähler oder Berliner Journalisten umtreibt.