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Serienkolumne Die CouchreporterIst Homeland rassistisch?

„Homeland“ orientiert sich an wahren Begebenheiten. Manchmal schleichen sich da Fehler ein. Fraglich, ob das automatisch diskriminierend ist.

Agentin Carrie Mathison (Clare Danes) entfernt sich immer stärker von ihrem Arbeitgeber, dem CSI Foto: Jo Jo Whilden/SHOWTIME

D ie sechste Staffel „Homeland“ ist vorbei, und kaum jemanden hat es interessiert. Es kann nicht daran liegen, dass die Staffel langweilig war. Wer sie gesehen hat, wird zu dem Urteil kommen müssen, dass sie zu den besten der gesamten Serie gehört.

Mit einer weiblichen President Elect, die in Konflikt mit ihrem Sicherheitsapparat gerät und mit einer mächtigen Intrige zu tun hat, die in Form eines einflussreichen Social-Media-basierten tiefen Staats auftritt, der Fake-News-Kampagnen in ganz großem Stil führt. So dunkel, so vertrackt, so unheimlich nah an der US-amerikanischen Realität unter Trump und Bannon hat es „Homeland“ noch nie geschafft.

Aber das interessiert offenbar nicht, weil es halt wenig zu kritisieren gibt. Die Kritik an „Homeland“ war Teil der großen Aufmerksamkeitsmaschine, von der die Serie zwar sicher auch profitiert hat, die aber vor allem der unendlichen Leidenschaft des Rumnörgelns geschuldet war. Vor allem Linke sind darin Profis. Gerne würde ich Gott fragen, ob das Teil seines Masterplans war oder ob bei der Erschaffung der Linken irgendwas schief gelaufen ist.

Jahrelang wurde an „Homeland“ rumgenörgelt, es sei stereotyp, islamfeindlich, rassistisch. Gewitzte Nörgler haben es sogar geschafft, in einer Folge der 5. Staffel die Nörgelei in der Serie unterzubringen: arabische Graffitis an einer Wand, auf denen unter anderem „Homeland ist rassistisch“ zu lesen war.

Keine Drehgenehmigung in der Türkei

Ich verstehe bis heute nicht, was an „Homeland“ rassistisch gewesen sein soll. Von Anfang an gab es immer auch weiße, US-amerikanische, christliche Protagonisten und zwar sogar in der absoluten Hauptrolle der ersten beiden Staffeln Brody, der US-Militär, der ein völlig undurchsichtiger Charakter, ja, ein Terrorist ist. Von Anfang an gab es Rollen wie den iranischen Geheimdienstchef Majid Javadi, ebenso uneindeutig und obwohl Mastermind hinter dem Terroranschlag auf Langley zum wichtigsten Partner der CIA in den Verhandlungen mit dem Iran wird.

„Homeland“ dreht so nah dran an realen politischen Ereignissen, dass ihnen die Zeit zum Factchecking fehlt, was mitunter zu lächerlichen Ergebnissen führt. Dass nicht mal irgendwer angeguckt hat, was die Sprayer da an ihre Wände schrieben, ist der beste Beweis dafür. Aber ist das rassistisch?

Dass die Serie, in der sich die Hauptrollen der CIA-Agenten Carrie und Saul von Staffel zu Staffel immer weiter von der CIA, von den USA, von ihrem Job entfremden, das die USA und ihre Sicherheitsbehörden immer mehr zum Hauptproblem werden, das bemerken die Nörgler nicht.

Gerne lassen die Nörgler unerwähnt, dass „Homeland“ gezwungen ist, an anderen Schauplätzen zu drehen als an denen, wo ihre Serie spielt, weil die Länder den Machern einfach keine Drehgenehmigung erteilen. Jahrelang hat „Homeland“ versucht, eine Staffel in der Türkei spielen zu lassen. Die dritte endete sogar mit der Ankündigung Carries, sie werde nach Istanbul gehen. Aber die Alaturka-Behörden hatten keinen Bock auf schlechtes Image.

Wer jetzt noch rumnörgelt, die Serie hinke der getrumpten Realität hinterher, weil sie eine Frau als Präsidenten gewählt hat, muss halt weiter Trump-Tweets lesen. Da kriegt man sicher beste Realität geboten.

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Doris Akrap
Redakteurin
Ressortleiterin | taz zwei + medien Seit 2008 Redakteurin, Autorin und Kolumnistin der taz. Publizistin, Jurorin, Moderatorin, Boardmitglied im Pen Berlin.
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