piwik no script img

Europäische FlüchtlingspolitikFrontex kritisiert Hilfsorganisationen

Rettungseinsätze von NGOs würden Schleppergeschäften helfen, sagte der Frontex-Chef. EU-Parlamentspräsident Tajani plädiert derweil für Auffanglager in Libyen.

3. Februar 2017, 21 Meilen nördlich der libyschen Küste: diese Geflüchteten wurden von einer spanischen NGO gerettet Foto: ap

Berlin/Brüssel dpa Die EU-Grenzschutzagentur Frontex hat die Rettungseinsätze der Hilfsorganisationen im Mittelmeer vor Libyen kritisiert. Die Geschäfte krimineller Netzwerke und Schlepper in Libyen sollten nicht noch dadurch unterstützt werden, dass die Migranten immer näher an der libyschen Küste von europäischen Schiffen aufgenommen würden, sagte Frontex-Direktor Fabrice Leggeri der Welt. Das führe dazu, dass Schleuser noch mehr Migranten auf die seeuntüchtigen Boote zwängen.

„Zuletzt wurden 40 Prozent aller Aktionen durch Nichtregierungsorganisationen durchgeführt“, sagte Leggeri. „Das führt auch dazu, dass es für die europäischen Sicherheitsbehörden schwerer wird, über Interviews der Migranten mehr über die Schleusernetzwerke herauszufinden und polizeiliche Ermittlungen zu starten.“

Leggeri rechnet damit, dass die Zahl der Migranten, die über Libyen kommen, in diesem Jahr erneut ansteigt. Seit Jahresbeginn hätten trotz schlechten Wetters bereits mehr als 4.500 Migranten die Überfahrt nach Italien gewagt. „Hunderttausende Migranten leben derzeit in Libyen“, sagte Leggeri. „Aus Westafrika reisen zudem weiterhin viele in die libyschen Küstenorte.“

Als Reaktion auf diese Zahlen forderte der konservative EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani Auffanglager für Flüchtlinge in Libyen und ähnlich wie die Bundesregierung einen Marshallplan für Afrika. „Es wäre richtig, Auffanglager in Libyen zu installieren. Die EU sollte zu diesem Zweck ein Abkommen mit Libyen vereinbaren“, sagte Tajani den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Die Auffanglager müssten aber eine gewisse Grundausstattung wie eine ausreichende Zahl an Ärzten und genügend Medikamente haben. „Man muss Mittel zur Verfügung stellen, dass die Menschen dort ein paar Monate oder Jahre in Würde leben können. Auffanglager dürfen keine Konzentrationslager werden“, so Tajani.

Ausbildungs-Initiative für Afrika

Zugleich forderte der Italiener einen milliardenschweren Marshallplan für Afrika. „Entweder wir handeln jetzt, oder es werden in den kommenden 20 Jahren Millionen Afrikaner nach Europa strömen“, sagte Tajani, der im Januar als Nachfolger von Martin Schulz zum EU-Parlamentschef gewählt worden war. Es gehe darum, eine Ausbildungs-Initiative zu starten, eine moderne Landwirtschaft zu entwickeln und Joint-Ventures – also Gemeinschafts-Unternehmen mit zwei oder mehr Partnern – zu gründen.

Auch der „Marshallplan mit Afrika“ der Bundesregierung setzt auf Reformpartnerschaften. Der historische Marshallplan war ein Aufbauprogramm der USA nach dem Zweiten Weltkrieg für Westeuropa.

Frontex-Chef Leggeri betonte, wichtig sei eine enge Kooperation mit den Herkunftsländern oder Transitstaaten wie Niger. „Wer erst in Libyen ist, steckt oftmals in der Falle.“ Eine Rückreise durch die Wüste zurück in die Heimat sei wahrscheinlich genauso gefährlich wie die Fahrt übers Mittelmeer. „Wir brauchen eine Kombination aus Grenzschutz und legalen Möglichkeiten der Einreise“, forderte LEggeri.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Politiker wie Merkel+Ko verursachen Daueraktivitaeten+Untergang der EU

    1. Zuerst werden Kriege geschuert,Syrien,Lybien,Somalien,Niger,Mali,Afganistan,Irak. Raubtierkapitalismus in uebelster Form in Afrika mit EPAS fuer ein ganzes Kontinent.

    Kosten Hunderte von Milliarden von Euros auf Kosten von EU-Steuerzahlern

    2. Dann muessen Fluechtlinge auffangen werden weil Laender destabilisiert wurden.

    Jaehrliche Asylantenkosten etwa 20 Milliarden von Euros fuer deutsche Steuerzahler

    3.Dann muessen jetzt Fluechtlinge von EU weggehalten werden,geschlossene EU Grenzen,KZ-Lager eingerichtet.Laender wie Tuerkei mit Milliarden gekauft werden.

    Viele Milliarden Kosten fuer deutsche Steuerzahler

    4.Schliesslich wird man auch die Ursachen von Fluechtlingen bekaempfen muessen,Kriege+ Raubtierkapitalismus in Afrika.Verwuestete KriegsLaender muessen aufgebaut werden verwuestete Wirtschaften in Afrika repariert.

    Viele Hundete von Milliarden von Euros fuer deutsche Steuerzahler

    5.Bei ersten Forderungen von USA Trump werden sofort 40 Milliarden von Euros fuer die Nato rausgerueckt fuer weitere Kriege.Rechnung fuer deutsche Steuerzahler

  • Herr Tajani weiß ja als alter Berlusconi-Spezi, wovon er redet. War es doch unter Berlusconis Regierung, dass ein Deal mit Gaddhafi geschlossen wurde. Millionen Euro dafür, das Flüchtlinge in Libyen aufgehalten, in Lagern (!) weggesperrt oder umgebracht wurden. Wohlan, ein würdiger Vertreter des Humanismus und der 'Europäische Wertegemeinschaft'.....

  • 8G
    80336 (Profil gelöscht)

    Der Logik von Frontex zufolge hat die Informationsgewinnung über Schleusernetzwerke absoluten Vorrang vor Lebensrettung.

     

    Die Behauptung, durch die Hilfsorganisationen würden die Schleuser noch mehr Migranten auf seeuntüchtige Boote zwängen, entbehrt jeder Grundlage. Die Boote wurden schon immer völlig überfüllt aufs Meer geschickt, aus purer Geldgier, und Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal der Insassen. Lange bevor sich Hilfsorganisationen auf den Weg ins Mittelmeer machten.

     

    Frontex behauptet hier wider besseren Wissens, den Schleusern läge etwas am Überleben der Flüchtlinge. Frontex weiß genau, dass exakt das Gegenteil der Fall ist. Mit der Bezahlung für die Überfahrt werden sowohl Boot wie Bootsinsassen von den Schleusern "abgeschrieben", der Verlust des Bootes ist beim Preis bereits mit einkalkuliert.

     

    Tatsächlich ist Frontex Geburtshelfer sowie Förderer der Schlepper, und Grundlage deren Geschäftsmodells. Denn bei einer Plausibilitätskontrolle kommt folgendes einleuchtende Ergebnis heraus, das auch nachvollziehbar ist: "Je schwieriger und gefährlicher die Zugänge nach Europa werden, desto lukrativer wird das für die Schlepper, die dann umso mehr gebraucht werden."

     

    Eine brauchbare Ergänzend zur dpa-Meldung:

    http://www.spiegel.de/politik/deutschland/gesine-schwan-fluechtlingspolitik-und-menschenrechte-gehoeren-zusammen-a-1135781.html

  • "Rettungseinsätze von NGOs würden Schleppergeschäften helfen, sagte der Frontex-Chef."

     

    Es sind also doch die Zeiten gekommen, wo man einfach nicht glauben kann, was man da seitens von Behörden (hier Frontex) hört bzw. liest.

     

    Die Europäische Union stellt die Person in den

    Mittelpunkt ihres Handelns.

    http://www.europarl.europa.eu/charter/pdf/text_de.pdf

     

    Tut das auch Frontex?

  • "„Entweder wir handeln jetzt, oder es werden in den kommenden 20 Jahren Millionen Afrikaner nach Europa strömen“, sagte Tajani"

     

    Was ja bei richtiger Planung (!) wohl kaum ein Problem sein wird. Das Problem ist das "Warum" und das sind wir...

    Ist aber auch wieder ein klassisches Populistenargument... "...in 20 Jahren, Millionen von Afrikanern..."

    selbst wenn das 20 Millionen werden, sind das europaweit 1 Millionen Geflüchtete/Jahr...Das sollte für eine der reichsten Regionen der Welt ja wohl zu wuppen sein. Aber gefühlt ist das natürlich ganz furchtbar... f*ckt euch, echt! Verscherbeln wir doch einfach noch ein paar mehr Waffen, vielleicht löst sich das Problem dann ja von alleine. Oder, wir spekulieren noch ein bißchen mehr mit Nahrungsmitteln, auch gut... oder, oder, oder...

  • Ich weise die ganze Darstellung der Frontex zurück.

    Lesen Sie dazu die Artikel des Netzwerks: https://afrique-europe-interact.net/

  • Die meisten Flüchtlinge werden doch durch Marineschiffe der EU-Staaten gerettet. Was soll diese Kritik???