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Neuer Paragraf 114Sonderschutz für Polizisten geplant

Die Bundesregierung plant Änderungen im Strafrecht. Tätliche Angriffe sollen statt mit Geld- stets mit Freiheitsstrafe geahndet werden.

Zu wenig geschützt? PolizistInnen in München Foto: dpa

FREIBURG taz | Die Bundesregierung will Angriffe gegen Polizisten schwerer bestrafen. Das sieht ein Gesetzentwurf vor, den das Kabinett am Mittwoch beschlossen hat. Damit soll im Strafgesetzbuch ein neuer Paragraf 114 „Tätliche Angriffe gegen Vollstreckungsbeamte“ eingeführt werden.

Bisher wurden Angriffe auf Polizisten als „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ und „Körperverletzung“ bestraft. Letztere ist mit einem Strafrahmen von bis zu fünf Jahren das schwerwiegendere Delikt.

Beim neuen Strafdelikt bleibt die Höchststrafe zwar bei fünf Jahren Haft. Geldstrafe soll nun aber nicht mehr möglich sein. Wer einen Polizisten auf Streifengang nur schubst, muss schon mit einer Freiheitsstrafe rechnen. Gleiches gilt, wenn jemand einen Feuerwehrmann oder Rettungssanitäter angreift.

Mindestens sechs Monate Haft drohen, wenn mehrere Personen gemeinsam Widerstand leisten oder Polizisten angreifen. Das Gleiche soll gelten, wenn jemand ein „gefährliches Werkzeug“ dabeihat. Auf den Willen, dieses einzusetzen, soll es nicht mehr ankommen. Wer sich künftig bei einer Personenkontrolle losreißt (Widerstand) und als Handwerker einen Schraubenzieher (gefährlicher Gegenstand) in der Tasche hat, muss gleich mit einer Freiheitsstrafe rechnen.

Faktisch wird sich aber wenig ändern, da Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden können. Statt einer Geldstrafe muss dann eine ähnliche Summe als „Geldauflage“ bezahlt werden.

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33 Kommentare

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  • "Faktisch wird sich aber wenig ändern..."

     

    Diesen Optimismus kann ich nicht teilen. Meiner Einschätzung nach werden Bürger schneller kriminalisiert, denn schon drei Monate Freiheitsentzug auf Bewährung bedeuten einen Eintrag ins polizeiliche Führungszeugnis und der Betreffende gilt damit als "vorbestraft". Das ist dann gerade für junge Leute unheimlich hilfreich bei Job- und Wohnungssuche.

     

    "Befehl an alle „Bleibt besser klug!

    Schließt euch ein, macht die Augen zu!"

     

    Und aus dem Radio

    Kommt ein Liebeslied.

    Und in der Fernsehshow

    Bringen sie ein Liebeslied."

     

    Das sangen die Toten Hosen schon in den Achtzigern. Mit der aktuellen Gesetzesvorlage kommen wir dem totalitären Polizeistaat großes Stück näher.

    • @cursed with a brain:

      Wenn alle Staaten wie Deutschland wären, wären wir schon ziemlich weit.

      • @Justin Teim:

        Und weil D schon so weit ist, kann es ruhig wieder ein Stück zurück, oder so.

  • "Wer einen Polizisten auf Streifengang nur schubst, muss schon mit einer Freiheitsstrafe rechnen. Gleiches gilt, wenn jemand einen Feuerwehrmann oder Rettungssanitäter angreift."

     

    Das Verhalten gegenüber Einsatzkräften hat sich massiv verändert. Die Verschäfrungen waren daher überfällig. Was die taz unter "nur" schubsen versteht, kann ich, wenn es um eine einfahrende U-Bahn geht, beim besten Willen nicht verstehen.

    Tätlichkeiten gegen Einsatzkräfte - absolutes no-go!

    • @Jens Frisch:

      Ok, Sie dürfen auch in Zukunft jedem niedersausenden Knüppel mit "Oh Danke, Herr!" begrüßen.

       

      Allerdings teilt nicht jeder ihre speziellen Vorlieben auf diesem Gebiet.

      • @cursed with a brain:

        Ich war schon auf unzähligen Demos und hatte noch nie das Bedürfnis nach einem "niedersausenden Knüppel". Daher habe ich mich auch stets bemüht, den Anweisungen der Polizisten folge zu leisten und wissen Sie warum?

         

        Das nennt sich "staatliches Gewaltmonopol".

  • Die Polizei hat die Flüchtlingskrise geschickt für Lobby-Interessen genutzt. Jeder der in diesem Zusammenhang nach der Polizei ruft, sollte das bedenken. Es wäre besser, den Kriminalitätsrisiken der Flüchtlings-Zuwanderung nicht durch Ordnungspolitik begegnen zu wollen (wie es Linke, Grüne und Teile der SPD sowie die Kanzlerin daherreden: "wir schaffen das").

     

    Wir schaffen das mit Polizei und Sicherheitsbehörden, die kein freier Bürger wollen kann. Zuerst fallen die offenen Grenzen, dann die offenen Gesellschaften ...

  • So arbeitet man weiter windig am Images der Polizei und wird Sturm ernten. The return of the 50`s!

  • Das öffnet den Arschlöchern /-innen unter uns Tür und Tor!

     

    Ob das dem Respekt dienlich ist, den der Bundes-Heuler der DPOLG, wie auch immer dann vor Gericht zu beweisen, ins Grundgesetz geschrieben haben will, brr, und nach dem so viele "merkwürdige" Polizisten /-innen dürsten, wage ich bei den zu erwartenden Übergriffen von Seiten der Polizei stark zu bezweifeln!!!

     

    Das dadurch die durch das Grundgesetz - eigentlich - festgeschriebene Gleichheit ALLER vor dem Gesetz konterkariert wird, scheint in der Hysterie von Terror und der Verwahrlosung im Recht bei immer mehr Politikern eine "angemessen" Handlungsweise!?

     

    Gibt´s da noch Opposition die diese Festschreibung von Ungleichbehandlung verhindert oder ist der Kuschel-Hype auf das aggressive Geheule der Interessenvertretungen Polizei der "angemessene" Aktionismus!?

    Ich freu mich :-( !

    • @berbaron:

      Polizei = Arschlöcher?

       

      Getroffene Hunde bellen :)

      • 8G
        85198 (Profil gelöscht)
        @Thomas_Ba_Wü:

        Die Gleichsetzung ist eine Unterstellung ihrerseits.

        Ein Polizeirevier ist keine arschlochfreie Zone. Überall gibt es Arschlöcher. Aber nicht überall haben sie das Sagen.

  • AUFGABE DER POLIZEI IST...

    gefahrenabwehr und strafver-folgung. die eigensicherung der polizei nimmt heute schon etw 40 % ihrer aufmerksamkeit ein. mit diesem gesetz wird zusätzlich der polizeistaat gesichert. beim "wider- stand gegen vollstreckungsbeamte" war die gesetzgeberische absicht, den bürger zu schützen, wenn er plötzlich von der polizei gestellt.wird. nun die polizei gegen "schubserei" bei demonstrationen zu schützen, ist die perversion à la wendt. ein weiterer schritt, mit dem dieser rechtlich verkommene staat sich selbst ein notwehrrecht gegen seine bürger verschafft - empört euch!

    p.s. wenn gleichzeitig die polizei-beamten wegen "unwahrheit vor gericht" mit der gleichen strafe bedroht werden und bei rechtskraft aus dem dienst entfernt werden, lasse ich mi mir reden

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Umbau zum totalitären Staat - 87% fertig.

    • @85198 (Profil gelöscht):

      Hörst dich wie Fake News an.

  • "Wer sich künftig bei einer Personenkontrolle losreißt (Widerstand) und als Handwerker einen Schraubenzieher (gefährlicher Gegenstand) in der Tasche hat, muss gleich mit einer Freiheitsstrafe rechnen."

    Wenn ich mich nur losreiße, dürfte es am Tatbestandsmerkmal "tätlicher Angriff" fehlen.

    Könnte es sein, dass der Autor den Vorschlag etwas überdramatisiert?

     

    Ich finde es nicht verkehrt. Zu viert einen Kontaktbereichsbeamten anzugreifen, wie vor einem Jahr in der Rigaer Str. (manche Zeitungen schrieben etwas von "Verprügeln"), oder die eintreffende Feuerwehr oder Polizei mit Steinen zu beschmeißen, geht gar nicht.

     

    Warum lässt der Autor eigentlich die Feuerwehrleute weg? Die wären von der Gesetzesänderung auch betroffen.

    • @rero:

      "Könnte es sein, dass der Autor den Vorschlag etwas überdramatisiert?"

       

      Zitat aus dem Artikel:

      "Mindestens sechs Monate Haft drohen, wenn mehrere Personen gemeinsam Widerstand leisten oder Polizisten angreifen. Das Gleiche soll gelten, wenn jemand ein „gefährliches Werkzeug“ dabei hat. Auf den Willen, dieses einzusetzen, soll es nicht mehr ankommen."

       

      Steht gerade mal zwei Sätze zuvor die komplette Erklärung.

       

      LESEN in ganzen (Ab-)Sätzen kann ja so hilfreich sein...

    • @rero:

      Feuerwehr und Sanis stehen im Text. Angriffe fallen unter Körperverletzung und werden bereits entsprechend bestraft. Vielleicht stattet man die Polizei tatsächlich einfach personell, ausbildungsmäßig und materiell besser aus? Oder ist ein Willkürgesetz billiger für unsere Schwarze Null und praktischer für die weitere Zukunft, in der gewisse Beamte dann ganz freie Hand haben? Andersherum: In den Hardcore-Vierteln dieses Landes bringt auch ein schärferes Gesetz nichts. Da müssen ganz andere Maßnahmen ran. Aber das steht auf einem anderen Blatt.

      • @Karl Kraus:

        Warum soll sich die Polizei noch mehr ausstatten? Wollen sie auch hier in Deutschland Polizisten mit Maschinengewehren und Ganzkörperschutz? Oder sollen die Sanitäter ab jetzt auch immer mit stichfester Weste rumlaufen?

  • & nochens -

     

    "…Faktisch wird sich aber wenig ändern, da Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden können. Statt einer Geldstrafe muss dann eine ähnliche Summe als „Geldauflage“ bezahlt werden."

     

    Ist das jetzt - neuer post-faktischer Neusprech de taz?

    Wohl schonn - oder?!

    Warum sonst eine Änderung!

    Es ist plan as plan can be - ein

    Fetter Unterschied - ob de ne Geldstrafe - oder zukünftig ne Gefängnisstrafe an der Backe hast!

    Bewährung hin oder her!

    kurz - Herr - wirf Hirn vom Himmel!

    Aber bitte kein - erweichtes!

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @Lowandorder:

      Spätestens beim zweiten Mal innerhalb der Bewährungsfrist ist der Unterschied sehr deutlich.

      Eine Haftstrafe im Führungszeugnis ist auch was anderes als eine Geldstrafe.

    • @Lowandorder:

      Mir tumben Refi als StA-Sitzungsvertr. Riebs eine souveräne Amtsrichterin rein. Ein notorischer auf dem Wochen-Markt Lkw-Fahrer ohne Führerschein. Meine dämliche Logik -

      "Geld hat er eh nicht & Freiheitsstrafe Ist ja auf Bewährung!"

      "Der Antrag der StA - erheblich übersetzt!" - kalt deutlich & zu recht - Kams von der Back! Unvergessen!

  • Schon heute werden über 90% aller Verfahren gegen Polizisten eingestellt.

     

    Mit dem Paragrafen dürften die sich dann alles erlauben - also wie inner Diktatur...

    • @Klappstuhl:

      Wieso? Die Gesetzesänderung ändert doch nichts an den Befugnissen von Polizisten.

      • @rero:

        Es ändert etwas daran, wie stark die Position der Polizisten bleibt, wenn sie ihre Befugnisse überschreiten. Insofern ist es ein faktische Erweiterung ihrer Möglichkeiten, sich falsch zu verhalten ohne dafür belangt zu werden.

      • @rero:

        Es scheint nicht unüblich zu sein, dass Polizisten Demonstranten schubsen, diese Demonstranten dann aber bzw. auch noch dafür angezeigt werden, sie hätten die Polizisten geschubst...

        • @Existencielle:

          Filmen, was das Zeug hält! Unauffällig natürlich.

          • @Karl Kraus:

            Bringt ja ohne Kennzeichnungspflicht leider nicht viel. Haben Sie auf Anfrage schonmal einen Dienstausweis zu Gesicht bekommen? Ich nämlich nicht...

            Trotzdem eine, wenn auch nur kleine, Möglichkeit.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...aber ich denke, man gilt dann automatisch als 'vorbestraft', will sagen, es gibt einen Eintrag in's Führungszeugnis.

  • Läßt frauman mal so die Entwicklung der letzten

    10 bis 20 Jahre Revue passieren -

     

    So erscheint als quasi staatliche Ausgleichsmaßnahme -

    Eine verstärkt rechtstreue & der Wahrheit verpflichtete Polizei angezeigt.

    Da ist ersichtlich noch reichlich Luft nach oben.

  • oh, oh,

    sollen da schon die ersten Weichen gestellt werden,

    dass keiner mehr irgendwie gegen den "Rechts"-staat vorgehen kann.

    Wer schützt uns Bürger vor den Polizisten, sollen da auch neue Gesetzte kommen??

    • @SilenZ:

      Könnten Sie sich bei Polizisten auch vorstellen, dass diese das Selbstbild haben, den Bürger zu schützen? Z.B. vor Kriminalität?

      • @rero:

        Häufig genug nicht... nööö.

  • Bei der heutigen Praxis bei Fehlverhalten und Übergriffen, das Opfer durch die "Ordnungshüter" zum Selbstschutz angezeigt werden, da ja immer erst gegen den Bürger und dann gegen das Staatsorgan ermittelt wird und die Anzeige gegen den Polizisten erst greift, wenn sein Opfer von den Widerstands-/KV-Vorwürfen freigesprochen wurde, werden wohl Opfer von Polizeigewalt bald nicht nur ihres Geldes, sondern auch ihrer Freiheit beraubt.

    Familie Eder lässt grüßen! http://www.taz.de/!5094045/