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Kommentar Rede von Theresa MayKrawall-Brexit

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Die Briten werden von ihrer Regierung nicht aufgeklärt, sondern auf maximalen Nationalismus eingeschworen. Das kann nicht funktionieren.

Wie ernst nimmt May ihre eigene Rhetorik? Foto: dpa

V olle Konfrontation! Dies scheint die Maxime der britischen Premierministerin Theresa May zu sein. In ihrer Grundsatzrede zum Brexit war zwar öfters das Wort „Kompromiss“ eingeflochten – aber das war nur Dekoration. In Wahrheit stellte May Maximalforderungen an die Europäische Union. Der Dreiklang heißt: keine Freizügigkeit, keine Anerkennung des Europäischen Gerichtshofs, keine Nettozahlungen. Ende der Durchsage.

Die Frage ist, wie ernst May ihre eigene Rhetorik nimmt. Eine mögliche Lesart ist, dass sie sich nur als entschiedene Verfechterin eines harten Brexits inszeniert, damit sie hinterher den realpolitischen Kompromiss mit den Rest-Europäern besser verkaufen kann. Nach dem Motto: Ich, May, habe hart gekämpft, aber leider war nicht mehr herauszuholen.

Doch das Risiko ist groß, dass sich die Rhetorik verselbstständigt. Die Briten werden von ihrer Regierung nicht aufgeklärt, sondern auf maximalen Nationalismus eingeschworen. May war sich nicht zu schade, die eigenen Nuklearwaffen und den permanenten Sitz im UN-Sicherheitsrat zu erwähnen, um den EU-Europäern nahezulegen, die britischen Konditionen unwidersprochen zu übernehmen.

Dieser Konfrontationskurs kann nicht funktionieren. Beispiel: Nettozahlungen. Anders als die Briten glauben, ist es keine Zumutung, dass sie die ärmeren EU-Länder unterstützen müssen. Denn es ist nur fair. Vom schrankenlosen Handel profitieren vor allem die reichen Länder, weil sie die sogenannten „Skaleneffekte“ nutzen können: Je mehr man produziert, desto billiger wird ein Gut pro Stück. Gegen diese ökonomische Übermacht haben arme EU-Länder selbst dann keine Chance, wenn sie billige Löhne zahlen. Also müssen sie von den reichen EU-Partnern unterstützt werden, damit sie sich entwickeln können.

May stellt die Verhandlungslage völlig falsch dar: Die Briten müssen sich bewegen, nicht die Europäer, wenn es zu einem Kompromiss kommen soll.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

15 Kommentare

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  • An der Quadratur des Kreises - lieb sein zu Waren (Binnenmarkt) plus nett sein zu Menschen(die vier Freiheiten der EU)- werden die Tories scheitern. Aber leider ist Labour auch etwas "stuck", also visionsmüde. England - weniger Wales, kaum Schottland, Nordirland - ersehnt sich gerne einen Churchill-Moment: Blut,Schweiß und Tränen. So sind sie: Bei Schneeflocken bricht der Bahnverkehr zusammen, dann bilden die Wartenden bei einem plastic cup Tee kleine Grüppchen und halten durch, ganz wie damals im Krieg, den sie ja gewonnen haben. Oder sie stehen stumm da und bilden eine Warteschlange von nur einer Person.

    Versuche jemand, diesem Mythos einen anderen entgegenzusetzen...und wenn die gesamte EU-Kommision auf Knien von Brüssel bis London robben würde, sich nur von mint sauce und gebackenen bohnen ernährend, den Union Jack schwenkend, "peace in our time" murmelnd, ich weiß nicht, ob es etwas helfen würde. Unser Gegenmythos ist ja auch was wert: Co-operation.

  • Ich denke einzelne EU Länder werden recht bald mit England anfangen bilaterale Handelsbeziehungen aufzubauen - und weil es so praktisch ist baut man die dann eben komischerweise genau so auf wie die europäischen Verträge das vorsehen.

    Nur ohne das Brüssel mitredet und ohne Freizügigkeit.

     

    Wie bei Griechenland wird es nicht lange dauern bis man sich "abstimmt" und das Ganze "für die Menschen" etwas weniger dogmatisch sieht.

    Und man kann z.B. Polen nicht auch noch aus der EU werfen weil die bilateral die Engländer auf den polnischen und europäischen Markt lassen.

  • ...there will be no BREXIT... Ich habe nicht vergessen, wie scharf der ehemalige Bundespräsident Köhler 2008 die Banken angegriffen hat. Eine Woche später unterschrieb er das Gesetz, das den deutschen Banken direkte finanzielle Hilfen in Höhe des Bundeshaushaltes eines Jahres zuschob. Das war im Oktober 2008. Das wird im März 2017 für Großbritannien nicht anders sein. Theresa May spricht jetzt stark. Aber die Zeiten sind vorbei, in denen Großbritannien die Welt regierte. Nicht einmal die USA unter Trump schaffen das. Großbitannien wird in der EU bleiben. Ohne Wenn und Aber.

    • @Der Alleswisser:

      Im Gegensatz zu Frau May ist ein deutscher Bundespräsident kein politischer Entscheider. Er kann noch so die Faust in der Tasche ballen, wenn ein Gesetz nicht offensichtlich verfassungswidrig ist, MUSS er es unterschreiben - wenn er nicht seine verfassungsmäßigen Pflichten verletzen will.

       

      Theresa May hingegen ist zwar Entscheiderin, aber die Entscheidung über den Brexit hat das britische Volk getroffen. Nach Lage der Dinge hat sie nur die Wahl, den Brexit "hart" durchzuziehen oder gegen den erklärten Willen des Wahlvolks zu handeln. Einen "weichen" Brexit, der trotzdem die Anforderungen erfüllt, auf die es beim Referendum ankam, wird es nur geben, wenn die EU ihre Position dramatisch ändert. Dass die EU diesen schweren Fehler machen wird, ist derzeit nicht abzusehen. Also kann May nur vorpreschen - und wir nur hoffen, dass sich vor dem Brexit eine weitere Gelgeenheit zu einer demokratischen Entscheidung gibt, in der das britische Volk die Gelegenheit erhält (und ergreift) zurückzurudern.

    • @Der Alleswisser:

      Zumindest eine Quasi-Mitgliedschaft wie Norwegen ist denkbar, mit allen Abstrichen. Aber ja, GB wird es ohne die EU vor die Wand fahren.

  • Mann muss das ganze auch machpolitisch betrachten. Maximaler Nationalismus bedeutet natuerlich dass man von UKIP gewinnen kann waehrend man Cameron-Tories an die Liberalen zu verlieren droht - was ja diverse Nachwahlen und Umfragen ja auch genau so aufzeigen. Vorallem aber kann es (noch mehr) Probleme fuer die Laabour-Partei bedeuten, deren Anhaengerschaft, wie sich beim Referendum zeigte, in dieser Frage tief gespalten ist.

  • 6G
    60440 (Profil gelöscht)

    Frau May, eine Gegnerin des Brexits, markiert die strenge Hardlinerin. Typisch für Konvertiten. Derweil grassiert blanker Rassismus und Chauvinismus im United Kingdom.

    Trump erklärt, die EU werde auseinanderfallen, er habe es eh lieber mit jedem Staat einzeln über wirtschafts-, oder sonstige Fragen zu verhandeln. Le Pen, Strache, Wilders, die AfD oder Sahra Wagenknecht wollen einen Austritt aus der EU oder der Eurozone, jedenfalls mehr nationale Eigenständigkeit. Tschechien, Polen, Ungarn wandeln auf nationalen Abwegen.

    Putin steht daneben und freut sich über all das Chaos.

    Was folgt aus alldem: Mehr EU, mehr Zusammenhalt gegen Separatisten, gegen Nationalisten und Egoisten. Die Briten sollen bluten und eine Blaupause für die üblen Folgen nationaler Alleingänge sein. Die EU gehört gestärkt, damit Trump - oder Putin, es nicht mit kleinen Einzelstaaten sondern einem mächtigen Werte- und Wirtschaftsraum zu tun bekommt, den sie nicht einfach so dominieren können. Jeglichem dummen Nationalismus gehört eine klare Absage erteilt !

    • @60440 (Profil gelöscht):

      "Die EU gehört gestärkt, damit Trump - oder Putin, es nicht mit kleinen Einzelstaaten sondern einem mächtigen Werte- und Wirtschaftsraum zu tun bekommt [...]"

      Weit her ist es mit dem Werteraum auch nicht, wenn ich da an den Deal mit der Türkei bzgl. Geflüchteten denke oder ...

    • @60440 (Profil gelöscht):

      Nichts gegen die letzten zwei Sätze, aber auch die EU ist ein Verbund, der Nationalstaaten eigennützig Vorschriften macht. Also nichts mit den Guten und den Bösen. Putins Reich ist übrigens ein ökonomischer Zwerg, nur eben militärisch sehr ernstzunehmen.

      • 6G
        60440 (Profil gelöscht)
        @lions:

        Dank der EU hat Europa die längste Phase des Friedens in seiner mehr als viertausendjährigen Geschichte. Punkt. Nie ging es Europäern besser als heute. Und das, weiß Gott nicht nur ökonomisch.

        Und Sie führen dagegen Eigennutz gegen Nationalstaaten an ? Gern ! Mehr davon. Es geht um die endgültige Überwindung der Nationalstaaten ! Was Putin angeht, er und der von ihm vertretene Geheimdiensstaat stellt die Antithese zu alldem dar, was Europa heutzutage ausmacht. Und Putin ist brandgefährlich, egal wie zwergenhaft Russland ökonomisch dastehen mag.

  • Mag schon sein, dass die "Wennschon Brexit, dann richtig!"-Stoßrichtung für Großbritannien nicht den Weg in die Glückseligkeit weist. Aber May kann man eigentlich nicht vorwerfen, dass sie trotzdem dorthin marschiert. Sie wurde schließlich ins Amt gewählt, um das Brexit-Referendum umzusetzen. Genau das tut sie - und zwar in aller Konsequenz und auch gerne mit ein wenig Angriffslust (wie Maggie Thatcher es auch getan hätte).

     

    Die Entscheidung über diesen Kurs lag beim Volk, und das Volk hat ihn gewählt. Denn was auch immer man in die Brexit-Entscheidung hineininterpretieren will: Eine weitere Bindung an die EU dergestalt, dass Großbritannien diese weiter mitfinanziert und sich dem Prinzip der Freizügigkeit unterwirft, wollte - leider - allenfalls die Minderheit, die GEGEN den Brexit stimmte. Wenn nun die EU - völlig zurecht - die Position einnimmt, dass es keine Teilnahme am Binnenmarkt ohne diese Bindung und die weitere Mitgliedschaft in der Zollunion geben wird, dann KANN May den Volksentscheid nur in Form eines wirklich "harten" Brexit umsetzen und in der Folge eine allenfalls CETA-ähnliche Verbindung zur EU anstreben.

     

    Von daher kann man sagen, dass sie versucht, das Beste aus einer verfahrenen Situation zu machen und dabei - natürlich - die Priorität auf das legt, was ihr Volk ihr aufgegeben hat. Ein paar patriotische Töne sind bei so einem Vorhaben auch nicht unangebracht.

     

    Wir müssen uns halt von dem Bild verabschieden, dass diese Regierung eine Minimallösung anstrebt, also jenes widerwillige, spitzfingerige Zupfen am Status Quo, das wir von großen politischen Vorhaben gewöhnt sind. May geht nicht vom Status Quo aus, sondern von einer Zielvorstellung, in der eine besondere Bindung ihres Landes an die EU schlicht nicht vorkommt. Und genaus auf dieser Basis muss auch die EU mit ihr verhandeln. Das bedeutet: Keine Extrawürste, keine Rosinenpickerei, keine Sonderprivilegien für die britische Finanzindustrie.

  • Ich vermute, wie immer werden sich die Briten alle Rosinen rauspicken, niemand wird was dagegen unternehmen und es wird heißen: "Wir, die EU, haben hart gekämpft, aber leider war nicht mehr herauszuholen.".

     

    Was mit dem EU-Binnenmarkt verloren geht, werden die Briten nach und nach mit bilateralen Verhandlungen ersetzen. Dass sie nicht schlau und listig wären, lässt sich Briten ja nicht gerade nachsagen.

    • 7G
      74450 (Profil gelöscht)
      @Jens Egle:

      Wie sollen denn bilaterale Verhandlungen mit Staaten möglich sein, die in einer Handelsunion verpartnert sind?

  • Deja Vu? Ist das Vereinigte Königreich wieder auf Kolonie Expansionskurs? Diesmal droht man einfach mit seinen Atomwaffen? Hand aufs Herz, ein Politiker der seine Atomwaffen erwähnt steht definitiv mit dem Rücken zur Wand. Und auch einer Frau May ist bewusst, dass es nicht viel gibt, was wir Europäer von der Insel brauchen.

    • @WortAbstrakt:

      "Ist das Vereinigte Königreich wieder auf Kolonie Expansionskurs? "

      Nee, so verträumt schätze ich die Briten nun auch wieder nicht ein.

      Eine komplette Umorientierung auf andere Wirtschaftsräume ist allerdings Träumerei.